Eigene Produkte in Werbeanzeigen mit dem Bild eines bekannten Virologen, in diesem Fall Hendrik Streeck, vermarkten? Warum nicht, dachten sich wohl so manche Unternehmen. Streecks Segen bekamen die Unternehmen für diese Aktion aber nicht. Er ging in einem Eilverfahren gegen den Facebook-Konzern Meta vor und wollte so erreichen, dass Anzeigen dieser Art zukünftig von Facebook unterbunden werden. Nun entschied das LG Bonn über die Sache.

Von Frank Burkhardt, CC BY 2.5, unverändert

Virologe Streeck ging vor dem Landgericht (LG) Bonn in einem Eilverfahren gegen pseudomedizinische Werbeanzeigen vor. Auf Facebook kursierten Werbeanzeigen mit Bildern von Hendrik Streeck, denen der Virologe aber nie zustimmte. Diese Anzeigen darf der Facebook-Konzern Meta gar nicht erst online stellen, entschied das LG Bonn (Beschl. v. 05.07.2023, Az. 9 O 130/23).

Zu Pandemiezeiten war Professor Hendrik Streeck fast überall zu sehen. Egal ob Blogs, Nachrichten oder Talkshows: Streeck war wegen seiner Expertise und durch seine mit Überzeugung vorgetragenen kritischen Kommentare zur deutschen und internationalen Corona-Politik ein beliebter Gast. Und scheinbar entwickelt der Virologe auch Produkte gegen Harninkontinenz, wirbt für Mittel gegen Diabetes und leidet unter einer Blasenentzündung – zumindest könnte man das meinen, wenn man die entsprechenden Anzeigen auf Facebook gesehen hat. In den mit einem Bild von Streeck versehenen Werbeanzeigen heißt es etwa: „Damit das Wasserlassen wieder normal wird, hören Sie auf, diese Lebensmittel zu essen.“ Genau diese Fake-Werbeanzeigen sind laut LG Bonn rechtswidrig. Facebook-Betreiber Meta muss sie nach einem entsprechenden Hinweis umgehend löschen. Außerdem stellte das Gericht in dem Eilverfahren fest, dass Meta dazu verpflichtet sei, proaktiv sicherzustellen, dass solche Anzeigen gar nicht erst online gehen.

Auch andere prominente Personen sind von Werbeanzeigen für pseudo-medizinische Produkte betroffen. Darunter Markus Lanz, in dessen Talkshow Professor Streeck regelmäßig zu Corona-Maßnahmen Stellung nahm. Im Fall von Streeck befand das Gericht, dass es glaubhaft sei, dass Streeck Meta mehrmals auf die rechtswidrigen Anzeigen hingewiesen und eine Abmahnung ausgesprochen hatte. Trotz dieser Hinweise hatte Meta die Anzeigen nur nachträglich gelöscht und es kam immer wieder zu neuen Anzeigen dieser Art. Der Plattformbetreiber habe es versäumt, Maßnahmen zu ergreifen, um bereits die Veröffentlichung solcher rechtswidrigen Werbeanzeigen zu verhindern, so das Gericht.

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Verletzung des Persönlichkeitsrechts

In den Werbeanzeigen, die von verschiedenen Nutzerprofilen veröffentlicht wurden, werden fragwürdige Internetseiten verlinkt. Diese Anzeigen sind mit dem Slogan „Warum die Apotheken schweigen“ untertitelt und enthalten einen Button für „weitere Infos“. Das Anzeigebild zeigt eine Collage, die einen „Insidertipp“ darstellt, wie man Krankheiten wie Diabetes Typ 2, Inkontinenz oder Hörverlust loswerden kann. Es werden auch Bilder oder Animationen von entsprechenden Infektionen oder Lebensmitteln verwendet, die vermieden werden sollten. Darüber hinaus ist oft ein Bild von Streeck in einem Kittel zu sehen, das mit Bildbearbeitungsprogrammen in die Collage eingefügt wurde. Manchmal wird auch das Wort „Experte“ vor dem „Insidertipp“ verwendet, gefolgt von einem Doppelpunkt. In einigen Fällen wird sogar der Name Streeck erwähnt. Der Virologe war mit diesen Werbeanzeigen nicht einverstanden. Er war der Auffassung, dass die Collage bei den Empfängern den Eindruck erwecke, dass er selbst Werbung für die beworbenen Produkte, Behandlungsmethoden und/oder werbenden Unternehmen mache oder zumindest damit einverstanden sei, dass andere auf Facebook Werbung mit seinem Bildnis und teilweise auch mit seinem Namen machen.

Die Anzeige mit dem Titel „Wie ich meine Prostatitis losgeworden bin, ist mein Geheimnis“ erwecke zudem den Eindruck, dass Streeck nicht nur Experte sei, sondern auch persönlich von dieser Krankheit betroffen war. Das LG Bonn ist der Ansicht, dass diese Anzeigen Streecks allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzen. Dieses Recht werde außerdem noch aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt und wird zivilrechtlich auch als „sonstiges Recht“ gemäß § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Das Gericht stellt fest, dass die Rechtsverletzung offensichtlich sei und sprach Streeck einen Unterlassungsanspruch zu (u.a. aus § 1004 Abs. 1 BGB). In Bezug auf das Recht am eigenen Bild, das eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt, verweist das LG zusätzlich auf § 22 und § 23 des Kunsturhebergesetzes (KunstUrhG), die die Veröffentlichung von Bildnissen anderer Personen grundsätzlich von einer Einwilligung abhängig machen.

Streecks Fall ist außerdem noch aus einem anderen Grund brisant: Als Mediziner ist es ihm berufsrechtlich untersagt, für seine Arbeit oder medizinische Produkte zu werben, wie aus § 27 der Muster-Berufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) hervorgeht. Werbeanzeigen würden das Ansehen des Virologen als Mediziner gefährden.

Meta sei jedenfalls mittelbarer Störer

Problematisch war zudem die Plattformhaftung. Insbesondere stellte sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob das Unternehmen bereits präventive Maßnahmen ergreifen muss, um sicherzustellen, dass solche Anzeigen gar nicht erst veröffentlicht werden. Obwohl das Unternehmen Meta die gefälschte Werbung nicht erstellt oder die Collage nicht zusammengestellt hatte, dient die Plattform Facebook als Medium, auf dem diese Anzeigen öffentlich online gehen. Gerade hierdurch würden möglicherweise die verlinkten Websites erst so weitreichend wahrgenommen werden.

Die Anwälte des Virologen waren der Auffassung, Meta mache sich durch die Überprüfung und Kennzeichnung der Inhalte mit einer Identifikationsnummer und einem Emblem, die Inhalte bereits zu eigen. Jedenfalls habe Meta die rechtswidrigen Werbeanzeigen vor der Veröffentlichung ausreichend prüfen müssen. Sobald Meta Kenntnis davon erlange, dass eine bestimmte Anzeige das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Person verletzt, sei Meta nicht nur verpflichtet, diese Anzeige zu löschen, sondern auch sicherzustellen, dass ähnliche Anzeigen nicht veröffentlicht oder sofort gelöscht werden (wenn die Anzeigen denn schon online sind). Diese Pflicht greife laut Gericht unmittelbar, ohne dass ein erneuter Hinweis erforderlich sei.

Meta sei laut dem LG Bonn damit jedenfalls ein „mittelbarer Störer“. Der Unterschied zu einem „unmittelbaren Störer“ ist, dass der unmittelbare Störer die Handlung selbstständig begeht, während der mittelbare Störer nicht der direkte Verursacher der Störung ist, aber die Störung durch sein Verhalten oder seine Unterlassungen unterstützt oder ermöglicht. Der mittelbare Störer trägt zur Verletzung von Rechten Dritter bei, indem er die Voraussetzungen schafft oder die Möglichkeit bietet, dass die rechtswidrige Handlung stattfindet.

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Rechtsverstöße seien leicht zu erkennen

Die Überprüfung der Anzeigen erfolgt in der Praxis größtenteils automatisiert ab. Algorithmen sollen erkennen, ob eine Anzeige eine Rechtsverletzung darstellt. Dies bedeute laut Streecks Anwälten jedoch nicht, dass Facebook nicht in der Lage wäre, rechtsverletzende Anzeigen dieser Art zu erkennen und zu filtern. Das LG Bonn stimmte dem wohl zu, ließ jedoch genauere Angaben zur praktischen Umsetzung der präventiven Prüfpflichten offen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig und es ist unklar, ob Meta beabsichtigt, dagegen Widerspruch einzulegen.

agü