Mit der Einführung eines „Verhaltenskodex zur Bekämpfung illegaler Hetze im Internet +“ will der EU-Gesetzgeber die freiwillige Bekämpfung von Risiken im Internet fördern. Die Kommission und das Gremium für digitale Dienste haben nun die Details bekannt gemacht und warten mit 44 neuen Pflichten und 128 Maßnahmen für Plattformbetreiber auf.
Die Europäische Kommission hat den überarbeiteten Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Online-Hassrede in den Rechtsrahmen des Digital Services Act (DSA) integriert. Ziel ist es, die freiwilligen Verhaltensregeln als Instrument gegen illegale Inhalte auf Plattformen wie TikTok, YouTube und Facebook zu nutzen. Der neue sogenannte Verhaltenskodex+ gehört damit nun zum Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste („Digital Services Act“ (DSA)) und ersetzt seine Vorgängerversion aus dem Jahre 2016. Den Kodex haben die große Internetplattformen Dailymotion, Facebook, Instagram, Jeuxvideo.com, LinkedIn, von Microsoft gehosteten Verbraucherdiensten, Snapchat, Rakuten Viber, TikTok, Twitch, X und YouTube unterzeichnet.
Ziel des Verhaltenskodex+ ist es, den Umgang mit Inhalten zu verbessern, die nach EU-Recht als illegale Hetze gelten. Damit soll die Einhaltung und wirksame Durchsetzung des DSA gewährleistet werden. Plattformen, die sich an den Kodex halten, weisen dadurch nach, dass sie ihren Verpflichtungen aus dem DSA nachkommen, um die Verbreitung illegaler Inhalte zu mindern. Die Einhaltung wird jährlich Teil einer unabhängigen Compliance-Prüfung sein.
Die neuen Pflichten für Plattformen
Die Unterzeichner des Verhaltenskodex+ verpflichten sich dabei zu vielerlei Vorgaben. So müssen sie sogenannten „Monitoring Reportern“ die Möglichkeit geben, regelmäßig zu überwachen, wie sie als Betreiber Hetze-Meldungen überprüfen. Monitoring Reporter können dabei gemeinnützige oder öffentliche Einrichtungen mit entsprechendem Know-how sein. Der DSA spricht insofern von „vertrauenswürdigen Flaggern“. Sodann müssen sich Unterzeichner bemühen, innerhalb von 24 Stunden mindestens zwei Drittel der von Reportern erhaltenen Mitteilungen zu prüfen. Zudem gibt es für Unterzeichner nun neue spezifische Transparenzverpflichtungen zu beachten. Darüber hinaus verpflichten sich die Unterzeichner, mit Experten und Organisationen der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, um Trends und Entwicklungen auf dem Gebiet illegaler Hassrede aufzuzeigen und auszuwerten. So soll verhindert werden, dass ganze Wellen an Hate Speech „viral gehen“ können.
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Insgesamt soll das Bewusstsein der Nutzer für illegale Hetze und die Meldungsverfahren geschärft werden. Neben den festgeschriebenen Pflichten gibt das EU-Gremium für digitale Dienste auch weiterführende Empfehlungen. Die Unterzeichner werden etwa ermutigt, Informationen über die Ergebnisse der ergriffenen Maßnahmen zu sammeln, um die Content-Algorithmen für illegale Inhalte zu sensibilisieren. Außerdem sollten auf Länderebene Daten vorgelegt werden, die illegale Hetze nach interner Klassifizierung aufschlüsselt (etwa nach ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Geschlechtsidentität). Überwacht wird die Einhaltung des Verhaltenskodex+ von der EU-Kommission.
Begründung und Hintergrund
Die Verschärfung des Verhaltenskodexes wird mit den Grenzen der Meinungsfreiheit begründet. Zwar sei das Recht auf freie Meinungsäußerung ein Grundrecht. Dieses dürfe aber nicht dazu genutzt werden, Hass und Gewalt zu schüren. Illegale Hetze sei ein „systemisches Risiko“ für die Demokratie und bedrohe die EU-Grundrechte, so die EU-Kommission.
Zum Verhaltenskodex zählen so zusammengefasst u.a. die Verpflichtung zu klaren Nutzungsbedingungen, Mechanismen zur Meldung und Entfernung von Inhalten, Reaktionszeit auf Meldungen, Transparenz- und Rechenschaftspflichten, Zusammenarbeit mit Dritten, regelmäßige Überwachung und Evaluierung, Krisenmanagement, Förderung von Gegenmaßnahmen, Berücksichtigung neuer Technologien sowie die Einhaltung des DSA.
Schon seit 2008 sind alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, öffentliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine Gruppe von Personen aus Gründen der Hautfarbe, Religion oder Abstammung unter Strafe zu stellen. Mehrere Mitgliedstaaten sind darüber sogar hinausgegangen und nahmen auch die Hetze wegen anderer Kriterien (z.B sexuelle Orientierung, Behinderung) in den Strafkatalog auf. Nun schlug die Kommission vor, Hassverbrechen und Hetze sogar in die Liste der EU-Straftatbestände (Art. 83 AEUV) aufzunehmen. Hierüber müssen die Mitgliedstaaten jedoch noch einstimmig entscheiden.
Als „Hetze“ im Sinne des Verhaltenskodexes+ gelten alle Verhaltensweisen, die auch in den nationalen Gesetzen der Mitgliedstaaten als solche definiert sind. Gibt es auf nationaler Ebene bestimmte Vorgehen gegen illegale Hetze, sind die Unterzeichner verpflichtet, die zuständige Behörde davon in Kenntnis zu setzen.
Die EU-Kommission stellte außerdem klar, dass der Verhaltenskodex+ als zusätzliches, freiwilliges Instrument eine wichtige Rolle in der Durchsetzung des DSA spiele. Die Einhaltung des DSA selbst stehe aber dennoch eigenständig daneben.