Ist der Rundfunkbeitrag rechtswidrige Abzocke oder eine rechtmäßige Abgabe? Das BVerfG verhandelt seit dem 16.05.2018 über den Rundfunkbeitrag. Dabei geht es um die Frage, ob das seit 2013 praktizierte Beitragsmodell mit den Grundsätzen der Finanzverfassung vereinbar ist. Nun urteilte das BVerG, dass der Rundfunkbeitrag weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Richter in Karlsruhe kippten in ihrem Urteil lediglich die Regelung für Zweitwohnungen.
[UPDATE 18. Juli 2018:] Das Bundesverfassungsgericht (BVErfG) urteilte am 18. Juli 2018, dass die Rundfunkbeitragspflicht im privaten und im nicht privaten Bereich im Wesentlichen mit der Verfassung vereinbar sei. Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar sei allerdings, dass auch für Zweitwohnungen ein Rundfunkbeitrag zu leisten sei. Damit hat das BVerfG die gesetzlichen Bestimmungen zur Beitragspflicht für Zweitwohnungen für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Die zuständigen Landesgesetzgeber sind nun gefordert, bis zum 30. Juni 2020 eine Neuregelung zu treffen.
Das heißt: Ab sofort sind bis zu einer Neuregelung Personen, die Ihrer Rundfunkbeitragspflicht bezüglich der Erstwohnung nachkommen, auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien.
Nach dem Urteil stehe das Grundgesetz der Erhebung von Beiträgen nicht entgegen, die diejenigen an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligten, die von ihr – potentiell – einen Nutzen hätten. Beim Rundfunkbeitrag liege dieser Vorteil in der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können.
Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen käme es nicht an, so das BVerfG. Die Rundfunkbeitragspflicht dürfe im privaten Bereich an das Innehaben von Wohnungen anknüpfen, da Rundfunk typischerweise auch dort genutzt werde. Inhaber mehrerer Wohnungen dürften für die Möglichkeit privater Rundfunknutzung allerdings nicht mit insgesamt mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag belastet werden. [UPDATE ENDE]
2013 wurde ein neues Finanzierungsmodell für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, also für ARD, ZDF, Deutschlandradio und die Landesmedienanstalten eingeführt, welche die Aufsicht über den privaten Rundfunk führen. Der Rundfunkbeitrag beträgt derzeit 17,50 Euro pro Wohnung, nachdem er zuletzt angepasst wurde. Der Rundfunkbeitrag ist die Haupteinnahmequelle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ist im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag geregelt.
Jedes Bundesland hat hierzu ein eigenes Gesetz erlassen. Vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wird nun darüber verhandelt, ob dieses Finanzierungsmodell rechtmäßig ist. Es geht daher nicht um die Frage, wie viele vermuten, in welchem Umfang es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt geben soll, oder ob er durch eine öffentliche Abgabe finanziert werden sollte. Im Mittelpunkt dieses Verfahrens steht das „wie“ der Finanzierung, nicht das „ob“. Im Kern ist es ein sehr trockenes juristisches Thema, nämlich klassisches Abgabenrecht. Eine Materie für zahlensichere Experten.
Beim Thema der Rundfunkgebühren, welches in der Gesellschaft seit Jahren kontrovers diskutiert wird und die Gerichte bereits häufiger beschäftigt hat, schwingen die Aspekte der Frage, ob überhaupt eine Rundfunkgebühr notwendig sei immer mit, wie auch der Vorsitzende Ferdinand Kirchhof zu Beginn der Verhandlung sagte.
Bislang hatte jedoch Klagen gegen den Rundfunkbeitrag keinen Erfolg. Dass der Rundfunkbeitrag rechtmäßig sei, haben bislang viele Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte entschieden sowie auch die Verfassungsgerichtshöfe in Bayern und Rheinland-Pfalz. Auch das Bundesverwaltungsgericht erklärte den Rundfunkbeitrag bereits mehrfach für verfassungsgemäß. Das BVerfG kann nunmehr endlich, zumindest in einigen elementaren Rechtsfragen, für Klarheit sorgen.
Wer klagt?
Gegenstand der Verhandlung vor dem BVerfG sind insgesamt vier Verfassungsbeschwerden, die das Gericht aus einer Vielzahl von Klagen ausgewählt hatte.
Drei Verfassungsbeschwerden stammen von Privatleuten, die konkret gegen ihre Zahlungspflicht in Höhe von 17,50 Euro vorgehen. Inhaltlich kritisieren sie einerseits die fehlende Gesetzgebungskompetenz der Länder, den Rundfunkbeitrag zu regeln. Andererseits beklagen sie eine Ungleichbehandlung unter den Beitragszahlern, weil die Zahlungspflicht nicht mehr wie früher an Empfangsgeräte, sondern an die Wohnung, die Betriebsstätte oder das Kraftfahrzeug geknüpft wird.
Die vierte Verfassungsbeschwerde stammt vom Autovermietungsunternehmen Sixt, die als nicht-privater Beschwerdeführer (im Folgenden Kläger) geklärt haben wollen, ob die Bemessung des Rundfunkbeitrags nach Anzahl der Betriebsstätten, Mitarbeitern und Firmenfahrzeugen rechtmäßig ist.
Worum geht es?
Hinter der Frage nach der Gesetzgebungskompetenz der Länder, steckt die Frage, ob der Rundfunkbeitrag, seinem Namen gerecht werdend ein Beitrag ist, oder wie von den Klägern vorgetragen eine Steuer sei. Sollten die Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht diesbezüglich Recht bekommen, hätten die Länder die entsprechenden Bestimmungen nicht erlassen dürfen. Denn die Steuergesetzgebung steht gemäß Art. 105 Grundgesetz (GG) ausschließlich dem Bund zu. Die bestehende Finanzierung fiele dann wie ein Kartenhaus in sich zusammen, da es keine wirksame Rechtsgrundlage gäbe.
Wofür zahlt man?
Sowohl Beiträge als auch Steuern fallen unter den Oberbegriff der öffentlichen Abgaben. Steuern sind Geldleistungen, die keine Gegenleistung für staatliche Leistungen darstellen und voraussetzungslos zur Erzielung von staatlichen Einnahmen erhoben werden.
Demgegenüber ist ein Beitrag ein Entgelt, das den Zahlenden an den Kosten eines staatlichen Leistungsangebots beteiligt. Für die Zahlung eines Beitrags erhält man einen individuellen Vorteil in Form einer Nutzungsmöglichkeit.
Der Beitragszahler zahlt also nicht, weil er die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks tatsächlich nutzt, sondern weil er sie abstrakt nutzen könnte und ihm deswegen ein individueller Vorteil zukommt.
Die Kläger werfen dieser Handhabung vor, dass nach den aktuellen Regelungen an die Inhaberschaft einer Wohnung angeknüpft wird und nicht mehr an Empfangsgeräte. Zahlen müssen also alle Wohnungsinhaber, unabhängig davon, ob sie entsprechende Geräte besitzen oder nicht. Damit wären letztlich alle, d.h. die Allgemeinheit, belastet und nicht nur diejenigen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfangen können und damit in Genuss eines Vorteils kämen. Deswegen läge eine Steuer vor.
Ungerechte Beitragszahlungspflicht?
Die Gegner des aktuellen Rundfunkbeitrags beklagen weiterhin eine Ungleichbehandlung der Zahlungsverpflichteten. Da die Pflicht zur Entrichtung des Beitrages seit der Neuregelung 2013 an Räumlichkeiten und nicht mehr an Empfangsgeräte geknüpft ist, müssten Inhaber einer Zweitwohnung für beide Wohnungen den Beitrag entrichten, obwohl sie nur an einem Ort zu selben Zeit öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen können.
Weiterhin würden Einpersonenhaushalte gegenüber Mehrpersonenhaushalten benachteiligt, da in beiden Fällen derselbe Beitrag zu entrichten sei.
Dass in jeder Wohnung ein Empfangsgerät stünde, wodurch sich der Vorteil, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfangen zu können, überhaupt erst realisieren ließe, sei eine bloße Behauptung. Ein Rückschluss von Wohnung auf Empfangsgerät sei eben nicht zwingend.
Auf der anderen Seite musste der Gesetzgeber gerade im Steuerrecht erkennen, dass mit Typisierungen und Pauschalisierungen gearbeitet werden muss. Mit der Neuregelung des Finanzierungsmodells 2013 wollte der Gesetzgeber auf die technische Entwicklung reagieren. Da jeder über eine Vielzahl von möglichen Empfangsgeräten verfüge, sei eine Feststellung der Zahlungspflicht praktisch kaum mehr durchzuführen, so die Argumentation. Die Rundfunkanstalten berufen sich vor dem BVerfG auf Statistiken, die belegen sollen, dass sich der Schluss von Wohnung auf Empfangsgerät in mehr als 90% der Fälle bewahrheitet habe. Ob damit der Rahmen zulässiger Typisierungen gewahrt ist, bleibt abzuwarten.
Nicht-privater Bereich
Das Bundesverfassungsgericht wird ebenfalls über die Beitragserhebung im nicht-privaten, d.h. im betrieblichen Bereich, verhandeln. Hier tritt neben den drei privaten Klägern der Autovermieter Sixt als Kläger auf. Auf dem Prüfstand wird die Rechtmäßigkeit der Regelung stehen, wonach die Beitragserhebung nach Anzahl der Beschäftigten einer Betriebsstätte gestaffelt wird.
Gerade im Falle eines Autovermieters stellt sich die Frage, warum zusätzliche Beiträge für die Fahrzeuge gezahlt werden müssen, wenn die jeweiligen Fahrer den Vorteil der Empfangsmöglichkeit bereits privat abgegolten haben. Hier scheint das reine Anknüpfen an die Räumlichkeit Kraftfahrzeug unter dem Gesichtspunkt gerechter Belastung problematisch und führt bei Firmen mit vielen Fahrzeugen zu erheblichen Mehrkosten.
Wann gibt es Klarheit?
Das Bundesverfassungsgereicht hatte vorab einen Fragekatalog mit kurzen Fristen für Stellungnahmen an Bundestag, Bundesrat, die Landtage und die Rundfunkanstalten verschickt, um das Thema umfassend zu beleuchten. Es scheint so, als sei das Bundesverfassungsgericht bereit, das hitzig diskutierte Thema ganzheitlich und genau zu untersuchen. Mit einem umfassenden Urteil mit Begründung ist erst in den nächsten Monaten zu rechnen. Allerdings wurden während der mündlichen Verhandlung bereits gewisse Tendenzen erkennbar. Dennoch konnte bereits am ersten Verhandlungstag überraschend festgestellt werden, dass die Skepsis, gepaart mit sehr eindringlichen Nachfragen der Richter bedeuten könnte, dass das BVerfG eine grundlegende Umstrukturierung des Rundfunkbeitrags verordnen könnte. Das wäre natürlich keine Abschaffung des Rundfunkbeitrags, aber dennoch eine zuvor als ausgeschlossen erachtete Sensation. Wir werden berichten.
jpa/tsp
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