Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie mussten zahlreiche Veranstaltungen abgesagt werden – unter anderem auch die Deutsche Grundschuldschachmeisterschaft im Mai 2020. Da diese aber aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit nicht stattfinden konnte, muss der organisierende Verein keine Stornierungskosten an das gebuchte Hotel zahlen. Das entschied das Thüringer OLG.

Die Deutschen Grundschuldschachmeisterschaften sollten im Mai 2020 stattfinden. Dazu reservierte der organisierende Verein zur Förderung des Schachsports ein Hotel für vier Tage. Die Durchführung der Wettkämpfe sollte in einem großen Saal stattfinden und es wären circa 500 Personen für das Event angereist. Doch aufgrund der Coronapandemie konnte das große Event nicht stattfinden. Weil dieser Grund für die Absage seitens des Vereins eine rechtliche Unmöglichkeit darstelle, muss der Verein aber keine Stornierungsgebühren an das Hotel zahlen, entschied das Thüringer Oberlandesgericht (OLG, Urteil v. 09.11.2021, Az. 7 U 16/21).

Der Reservierungs- und Veranstaltungsvertrag zwischen dem Verein und der Hotelgesellschaft sah eine Regelung zu Stornierungskosten vor, was insbesondere bei solch umfangreichen Reservierungen nicht außergewöhnlich ist. Diese verlangte das Hotel in Höhe von rund 25.000 €, nachdem der Verein am 14.05.2020 schriftlich über die Absage des Schachturniers informierte. Als der Verein jedoch nicht zahlte, erhob die Hotelgesellschaft zunächst Klage vor dem Landgericht Erfurt (Urteil v. 04.12.2020, Az. 10 O 687/20) und legte nach einer Niederlage Berufung zum Thüringer OLG ein.

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Gericht erkennt rechtliche Unmöglichkeit

Doch auch das Thüringer OLG wies die Klage der Hotelgesellschaft ab. Die Richter in Jena entschieden, dass der Schachverein wirksam vom Vertrag zurückgetreten sei, weil das Hotel seine Räume zu dem vertraglich vereinbarten Zweck nicht zur Verfügung stellen durfte. Es habe ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit vorgelegen. Durch den wirksamen Rücktritt sei dann ein Rückgewährschuldverhältnis entstanden, neben dem die Ansprüche aus der Stornierungsvereinbarung nicht mehr verlangt werden könnten.

Im Mai 2020 waren in Thüringen öffentliche Veranstaltungen, die in besonderem Maße geeignet wären, die Ausbreitung der Coronapandemie zu fördern, untersagt. Dies wurde rechtlich durch § 2 Abs. 5 der Thüringer Verordnung zur Pandemieeindämmung auf dem Stand des 12.05.2020 festgelegt. Die Regelung sah vor, dass Volks-, Dorf-, Stadt-, Schützen- oder Weinfeste, Sportveranstaltungen mit Zuschauern, Festivals, Kirmes und ähnliche Veranstaltungen, bei denen viele Teilnehmer zusammenkommen, nicht stattfinden dürfen.

Schachturnier hätte Superspreader-Event werden können

Nach Ansicht des Thüringer OLG hätten die geplanten Grundschulschachmeisterschaften eine solche Veranstaltung dargestellt, denn es habe schon keine feste Teilnehmerliste bestanden. Bei Durchführung des Turniers hätte man circa 750 Personen in einem Saal zusammenbringen wollen, bei denen es sich in der Mehrzahl um Minderjährige ab einem Alter von sechs Jahren gehandelt hätte. Unabhängig von einem möglichen Hygienekonzept wäre dessen Umsetzung bereits aufgrund dieser Zusammensetzung der Teilnehmer und der ihnen altersbedingt immanenten Sorglosigkeit und mangelnden Disziplin sowie ihrer schieren Anzahl nicht zu gewährleisten gewesen. Auch hätten die räumlichen Gegebenheiten die Einhaltung von erforderlichen Abständen nicht zugelassen. Das Zusammenführen einer derart großen Menschenmenge in geschlossenen Räumen über vier Tage hätte laut der Richter das Potenzial gehabt, ein „Superspreader“-Ereignis zu werden. Somit wäre der Wettkampf in besonderem Maße geeignet gewesen, die Ausbreitung der Pandemie zu fördern, und nach der Landesverordnung untersagt.

Nichtigkeit der Verbotsnorm ist unbeachtlich

De Hotelgesellschaft brachte zugunsten ihres Anspruches hervor, dass die Verbotsnorm des § 2 Abs. 5 der Landesverordnung später vom Thüringer Verfassungsgerichtshof für nichtig erklärt wurde (Urteil v. 01.03.2021, Az. 18/20). Doch das ändere nichts an der rechtlichen Unmöglichkeit, urteilte das Thüringer OLG. Denn das rechtliche Hindernis entstehe bereits mit Eintritt der Störung, also dem Verbotserlass. Selbst wenn berücksichtigt werde, dass die Verordnung nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs von Anfang an nichtig gewesen sei, verbleibe es bei der rechtlichen Unmöglichkeit. Es sei den Parteien wegen der drohenden Bußgelder und der Fristgebundenheit der Veranstaltung nicht zuzumuten gewesen, an dem Vertrag festzuhalten. Auch sei es für den Schachverein und die Hotelgesellschaft nicht zu erwarten gewesen, dass die Verbotsnorm in einem späteren verfassungsgerichtlichen Verfahren aufgehoben werden würde.

Das Thüringer OLG ließ die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zu.

ses