Die EU-Staaten haben der Anti-SLAPP-Richtlinie nun grünes Licht gegeben. Das Gesetz soll Journalisten, Aktivisten und Wissenschaftler vor unbegründeten Einschüchterungsklagen (sog. „SLAPP“-Klagen) schützen. Experten sehen einen Vorstoß für die Pressefreiheit und gegen Desinformation.

Wer sich journalistisch in Sachen Grundrechte, Wissenschaft, Anti-Korruption und -Desinformation engagiert, hatte in den vergangenen Jahren immer häufiger mit schikanierenden Klagen zu kämpfen. Unter “SLAPP” (engl.: „Strategic Lawsuits against Public Participation“) verstehen sich unbegründete und missbräuchliche Klagen, die Berichterstattende in ihrer Masse überfordern und unter Androhung kostenintensiver Rechtsstreitigkeiten mundtot machen sollten. Ziel von SLAPPS (Wortspiel auf das engl. „Slap“ – „Ohrfeigen“) ist es, betroffene Journalisten dazu zu bringen, bestimmte Themen in Zukunft zu vermeiden; aus Angst vor rechtlichen und vor allem finanziellen Konsequenzen.

Die Europäische Union erkannte hier im April 2022 eine gefährliche Häufung und spricht seitdem von einem „ernsthaften Problem“. Diesem Problem begegnet sie nun mit einer neuen Richtlinie, die in Anlehnung an die ermordete maltesische Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia auch „Daphne’s Law“ genannt wird.

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Mehrfacher Schutz für SLAPP-Opfer

Die Richtlinie soll zunächst auf zwei Wegen schützen. Erstens sollen die Gerichte der EU-Staaten offensichtlich unbegründete Klagen frühzeitig erkennen und abweisen können. Zweitens sollen bösgläubige Kläger die entstehenden Verfahrenskosten sowie die Rechtsbeistandskosten der Gegenseite tragen und obendrein Schadensersatz zahlen.

Dazu kommt, dass Kläger nun auch im weiteren Verfahren gezwungen werden können, ihren Antrag richtig zu begründen: Beantragt der Betroffene eine Einstellung des Verfahrens, muss nun der Kläger nachweisen, dass es gute Gründe für eine Fortsetzung gibt.

Auch die Wahl des Gerichtsstands soll nun nicht mehr den Klägern überlassen sein. In vielen SLAPP-Verfahren wurden bewusst Gerichte ausgesucht, die die besten Erfolgschancen boten. Urteile aus Drittstaaten, die missbräuchlichen Klagen gegen EU-Bürger stattgegeben hatten, sollen nicht mehr anerkannt werden.

Zuletzt soll Betroffenen ihre Verteidigung auch praktisch erleichtert werden. Mit der Richtlinie sollen Zentralstellen eingerichtet werden, an denen sie sich über Verfahren und Rechtsbehelfe informieren können, inklusive Informationen über Rechtsbeistand, Prozesskostenhilfe und ggf. nötiger psychologischer Unterstützung. Die Prozesskostenhilfe soll ihrerseits garantiert auch grenzüberschreitend gewährt werden. Um das Informationsangebot zu unterstützen, sollen SLAPP-Klagen dokumentiert und ausgewertet werden.

SLAPP-Klagen sind kein Einzelfall

Die maltesische Enthüllungsjournalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia, die 2017 tragisch bei einem Autobombenanschlag ums Leben kam, ist ein prominentes Beispiel für SLAPP-Betroffene. Sie war eine der renommiertesten Journalistinnen Maltas und hatte im Jahr ihres Todes über Korruption im Zusammenhang mit einem Kraftwerksvertrag und Verbindungen zu hochrangigen politischen Kreisen berichtet. Zum Zeitpunkt ihres Todes waren allein gegen sie 47 Klagen anhängig.

Ein räumlich näherer Fall ist die linksliberale österreichische Wochenzeitung namens „Falter“. Diese sah sich nach der Veröffentlichung von Whistleblower-Daten über die Regierungspartei ÖVP ebenfalls mit SLAPP-Klagen konfrontiert. Chefredakteur Florian Klenk – seinerseits Jurist – konnte diese Verfahren zwar überwiegend gewinnen, doch nach seinen Angaben sei vor allem die Masse das Problem: Sie fräßen sehr viel Zeit, was für kleine Redaktionen schnell zum Verhängnis werden kann.

Richtlinie als Meilenstein

Das Vorgehen der EU darf als „Meilenstein“ betrachtet werden, allerdings bedarf es nun auch einer darüberhinausgehenden Initiative des Bundestages. So müssen genaue Kriterien für eine SLAPP-Klage klargestellt werden, und das Thema muss sodann auch fest in der Praxis ankommen – etwa durch juristische Weiterbildungen.

Schließlich sind SLAPP-Klagen eine Bedrohung für die Rechtsstaatlichkeit und untergraben das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Entsprechend muss die Richtlinie begrüßt werden, um dieser Form der juristischen Schikane und dem Missbrauch des Justizsystems von mächtigen Einzelpersonen und Organisationen vorzubeugen und die damit erzwungene „Selbstzensur“ einzudämmen.

Sobald die Richtlinie im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde, haben die EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Regeln in nationales Recht umzusetzen.

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