Die Rentenversicherung darf „nicht auf Grundlage einer undifferenzierten Schätzung“ Abgaben zur Künstlersozialkasse erheben. Dies hat das LSG Niedersachsen-Bremen in Celle in einem nun bekannt gegebenen Beschluss deutlich gemacht.
Im Eilverfahren hat das Landdessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen entschieden, dass Künstlersozialabgaben „nicht auf Grundlage einer undifferenzierten Schätzung“ erhoben werden dürfen. Eine kleine Schokoladenmanufaktur hatte sich gegen die Forderung der Deutschen Rentenversicherung gerichtet, über 4.000€ Künstlersozialabgaben nachzuzahlen.
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte bei einer Schokoladenmanufaktur eine Betriebsprüfung durchgeführt und das Unternehmen als Eigenwerber eingestuft. Als solcher sollte die Manufaktur 4.200€ Künstlersozialabgaben nachzahlen. Als Grundlage der Berechnung hatte eine pauschale Schätzung der Werbeumsätze gedient. Die Fabrikanten hielten mit dem Argument dagegen, dass die Schätzung realitätsfern sei, und bekamen Recht. Das LSG hatte kurz darauf die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Es bestünden durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Forderung (LSG Celle, Beschl. v. 22.12.2022, Az. L 2 BA 49/22 B ER).
Künstlersozialabgabe auf Grundlage einer undifferenzierten Schätzung erhoben
Entschieden wurde darüber, ob undifferenzierte Schätzungen für die Berechnung der Künstlersozialabgabe rechtmäßig sind. Die Künstlersozialversicherung bezieht selbstständige Künstler und Publizisten in den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung ein. Die zugehörige Künstlersozialabgabe muss zur Hälfte von den Versicherten selbst gezahlt werden. Die zweite Hälfte wird von dem Bund sowie von Unternehmen getragen, die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten. Als ein solches Unternehmen wurde die Schokoladenmanufaktur eingestuft.
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Gem. § 24 Abs.1 Satz 2 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) sind auch solche Unternehmen zur Abgabe verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung […] betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler […] erteilen. Das Gericht befand, dass das Merkmal „nicht nur gelegentlich“ fehle. Die Manufaktur wurde also von der DRV als ein solcher Eigenwerber eingestuft und sollte 4.200€ als Nachzahlung leisten. Schon dem Grunde nach habe die DRV laut Gericht jedoch nicht dargelegt, dass die Manufaktur zum Kreis der sogenannten Eigenwerber gehöre.
Weiterhin schreibt das Gericht, müsse eine Schätzung eine realistische Grundlage haben und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein. Die DRV habe völlig sachwidrig, unabhängig von der Unternehmensausrichtung und -größe einen pauschalen Jahreswert zugrunde gelegt. Dieser Wert an Werbeumsätzen betrug für sämtliche Eigenwerber 19.000€. Die Manufaktur hatte jedoch lediglich 50 bis 225€ angegeben. Laut Gericht sei damit der Rahmen einer nur gelegentlichen und damit nicht künstlersozialabgabepflichtigen Auftragserteilung nicht überschritten. Die Fabrikanten brachten hervor, dass die Schätzung realitätsfern sei.
Das Gericht gab an, dass es sorgfältig ermittelter Tatsachen für die Beitragsberechnung bedürfe. Der undifferenzierte Tabellenwert sei hierfür nicht ausreichend. Die DRV wird von dem Gericht zu verantwortungsbewusstem Handeln aufgerufen, gerade weil sie im Rahmen der Betriebsprüfung uneingeschränkt die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Bescheide trage. Die DRV selbst räumte ein, dass die Schätzung undifferenziert war. Die Berechnung der Schätzung durch Tabellenwerte sei zu Zwecken der Vereinfachung eingeführt worden. Diese Pauschalisierung bringe laut Gericht zum Ausdruck, dass die DRV den rechtsstaatlichen Vorgaben sehenden Auges nicht gerecht geworden sei. Zuletzt brachten die Fabrikanten vor, dass der Vollzug der Forderung die wirtschaftliche Existenz bedrohen würde. Wegen der Corona-Pandemie sei dieser Effekt verstärkt. Auch damit punkteten sie gegen die Vollstreckung und für die vorläufige Verschonung vor der Nachforderung.
jvo