Der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt erhob in der Schönbohm-Affäre schwere Vorwürfe gegen Jan Böhmermann. In dem Rechtsstreit entschied das LG Hamburg nun, dass Reichelt keine Unwahrheiten mehr über das „ZDF Magazin Royale“ verbreiten darf.

Jan Böhmermann berichtete in der Sendung des „ZDF Magazin Royale“ vom Oktober 2022 über den früheren Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm. So kritisierte Böhmermann in der Sendung die mutmaßliche Russlandnähe von Schönbohm und zweifelte an dessen Kompetenzen. Im Anschluss an die Sendung wurde der Spitzenbeamte von der Bundesinnenministerin Nancy Faeser – auch wegen der Folge des „ZDF Magazin Royale“ – abgesetzt. Über diese Vorgänge erntete Böhmermann nicht nur Lob, sondern auch zahlreiche Kritik. Mittlerweile fordert Schönbohm 100.000 Euro Geldentschädigung vom ZDF. In seiner Sendung „Achtung, Reichelt!“ erhob Julian Reichelt den Vorwurf, dass Nancy Faeser persönlich hinter dem Bericht stecken könnte und attestierte der Sendung des „ZDF Magazin Royale“, dass sie „keinen einzigen wahren Vorwurf“ enthielte. Das Landgericht (LG) Hamburg untersagte nun in einer einstweiligen Verfügung zentrale Aussagen von Reichelt sowie des Nachrichtenportals „Nius“ wegen unzulässiger Verdachtsberichterstattung und Unwahrheit (Beschl. v. 04.10.2023, Az. 324 O 395/23).

Böhmermann geht in die Offensive  – Mit Erfolg!

Die Unterstellungen, die in der Sendung „Achtung Reichelt!“ und dem Portal „Nius – Die Stimme der Mehrheit“ – bei dem der Beitrag in gleichgelagerter Form erschien – geäußert wurden, wollten sich weder die Produktionsfirma des „ZDF Magazin Royale“ noch Böhmermann selbst gefallen lassen. Das LG Hamburg verbot im darauffolgenden Rechtsstreit die Verbreitung des Verdachts, dass Nancy Faeser persönlich und/oder ihre engsten Mitarbeiter die Ausstrahlung der Schönbohm-Folge veranlasst hätten. Ferner wurde „Nius“ die Verdachtsberichterstattung verboten, es sei zu brisantem Informationsaustausch zwischen der ZDF-Redaktion und dem BMI gekommen.

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Grundsätze der Verdachtsberichterstattung wurden nicht eingehalten

Die Richter aus Hamburg begründeten den Beschluss damit, dass durch die Beiträge von Reichelt und „Nius“ der Verdacht transportiert werde, das BMI habe zu Lasten Arne Schönbohm Einfluss auf den Inhalt der Sendung genommen. Eine solche Verdachtsberichterstattung sei jedoch rechtswidrig. Eine zulässige Verdachtsberichterstattung erfordert folgende Voraussetzungen:

  1. Es besteht ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit
  2. Es liegt ein Mindestbestand an Beweistatsachen vor
  3. Die journalistische Sorgfaltspflicht bei der Eigenrecherche wurde eingehalten, insbesondere hatte der Betroffene Gelegenheit zur Stellungnahme, wahrheitsgemäße Berichterstattung
  4. Der Betroffene wird nicht vorverurteilt

Ohne besonders auf die einzelnen Punkte einzugehen, fehlte es dem LG Hamburg bereits an einer eingeholten Stellungnahme, sodass die Berichterstattung allein deshalb rechtswidrig sei. Mit dem Erfordernis der Einholung einer Stellungnahme solle sichergestellt werden, dass der Standpunkt des von der Verdachtsberichterstattung Betroffenen in Erfahrung gebracht werde und er somit selbst zu Wort kommen könne, so das Gericht. Weder von „Achtung Reichelt!“ noch von „Nius“ sei dem „ZDF Magazin Royale“ aber die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt worden. So seien die angegriffenen Verdachtsberichterstattungen als unausgewogen anzusehen und damit unzulässig. Ob es darüber hinaus ein Mindestbestand an Beweistatsachen gab, ließ das Gericht offen.

Reichelt kann Unwahrheit der Schönbohm-Folge nicht belegen

Die Aussage, es gäbe eine Frau mit Verbindungen zum Ministerium, die Teil des Redaktionsteam des „ZDF Magazin Royale“ sei, stellte das Gericht als „unstreitig unwahre“ Behauptung dar. Auch Reichelts Äußerung, im Bericht sei „kein einziges Wort wahr“ erteilte das LG eine Absage. Es handele sich dabei um eine unwahre Tatsachenbehauptung, da bereits im Prozess schon nicht vorgetragen wurde, welche Tatsachenbehauptung in der Sendung überhaupt falsch gewesen sein sollte. Die Behauptung, es sei „erstaunlich, wie viele Verbindungen es zwischen engsten Faeser-Vertrauten und Jan Böhmermann gab“, stufte das Gericht hingegen als zulässige Meinungsäußerung ein. Beide Parteien können Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung einlegen.

jsc