Die „junge Welt“, eine linke Tageszeitung“ wird seit über 20 Jahren beinahe jährlich im Verfassungsschutzbericht erwähnt. Dagegen wehrte sie sich gerichtlich, hatten nun aber keinen Erfolg. Damit dürfte der Rechtsstreit aber noch nicht vorbei sein.
Die Erwähnung der Tageszeitung „junge Welt“ und der sie verlegenden GmbH in den Verfassungsschutzberichten des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) ist rechtmäßig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden und damit einen vorherigen Eilbeschluss bestätigt (VG Berlin, 18.07.2024, Az. VG 1 K 437/21).
Zeitung „junge Welt“ geht gegen BMI vor
In den vom BMI herausgegebenen Verfassungsschutzberichten für die Jahre 1998, 1999, 2002 und 2004 bis 2023 wird die „junge Welt“ in der Rubrik Linksextremismus als kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung aufgeführt. Darin sieht die Verlegerin der „junge Welt“ einen nicht gerechtfertigten, erheblichen Eingriff in ihre Pressefreiheit, Berufsfreiheit und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht: Leser würden durch die Erwähnung abgeschreckt, Gesprächspartner und Autoren seien schwerer zu gewinnen und Werbepartner zögen sich zurück.
Dieser Argumentation ist VG Berlin jedoch nun nicht gefolgt und hat die auf Unterlassung weiterer Erwähnung und Richtigstellung gerichtete Klage abgewiesen.
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Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung
Hinsichtlich der Verfassungsschutzberichte bis einschließlich 2016 sei die Klage schon unzulässig, weil die Berichte auf den Webseiten des BMI oder des Bundesamts für Verfassungsschutz erst ab 2017 abrufbar seien. Gedruckte Exemplare der Berichte gäbe es nur im Einzelfall für Jahre vor 2015. Für diesen Zeitraum habe die „junge Welt“ ihr Klagerecht durch Hinnahme der Berichterstattung verwirkt.
Die Erwähnung der „junge Welt“ in den Jahren 2017 bis 2023 sei zudem vom Bundesverfassungsschutzgesetz gedeckt. Danach habe das Bundesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu informieren, soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorliegen.
Dies sei laut Gericht bei der „junge Welt“ der Fall. Die Aussage in den Verfassungsschutzberichten, dass es sich bei der „junge Welt“ um eine Tageszeitung handle, die die Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung nach klassischem marxistisch-leninistischen Verständnis anstrebe, lasse sich hinreichend belegen. Die „junge Welt“ nehme wiederholt positiv Bezug auf Lenin, u.a. durch eine Fotomontage. Damit werde auch sein – nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbares – politisches Handeln positiv konnotiert.
Bezüge zur linksextremen DKP
Außerdem sei die „junge Welt“ der ehemaligen DDR sehr verbunden, in der die marxistisch-leninistische Ideologie herrschend gewesen sei.
Zwischen den Redakteuren und Autoren der „junge Welt“ und der als linksextrem geltenden DKP gebe es sehr viele Bezüge, insbesondere sei der Geschäftsführer als häufiger Autor und wesentlicher Meinungsgeber der Zeitung in der DKP aktiv. Zudem ziele die jährlich veranstaltete Rosa-Luxemburg-Konferenz über bloßes Marketing hinaus bewusst darauf, das linksextreme Spektrum anzusprechen und einen politischen Prozess gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung anzustoßen.
Schließlich, so das VG, sei auch die Feststellung in den Verfassungsschutzberichten, dass die „junge Welt“ sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit bekenne, berechtigt, wenn die Zeitung u.a. einem verurteilten RAF-Terroristen die – unkommentierte – Möglichkeit biete, politische Gewaltanwendung positiv darzustellen.
Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden. Die „junge Welt“ hat bereits angekündigt, dies auch zu tun. „Wir haben auch damit gerechnet, nicht in der ersten oder zweiten Instanz zu obsiegen.“ Sowohl das BVerfG als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte würden sie mit ihrem Fall befassen, wenn es sein müsse.
tsp