Mit dem Verbot des rechtsextremen Magazins COMPACT feiert Bundesinnenministerin Nancy Faeser einen „harten Schlag gegen die rechtsextremistische Szene“. Das Verbot stützt sich dabei nicht auf das Presserecht, sondern auf das Vereinsgesetz. Eine Methode, die verfassungsrechtliche Fragen aufwirft. COMPACT klagt nun vor dem Bundesverwaltungsgericht.

By Trainspotter – Own work, CC BY-SA 3.0.

Am 16.07.2024 hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die rechtsextremistische „COMPACT-Magazin GmbH“ und die zugehörige „CONSPECT FILM GmbH“ verboten. Das „COMPACT“-Magazin darf laut Verbot nun weder in Print erscheinen noch dürfen dessen Online-Kanäle (Website, YouTube, Telegram, X, TikTok, Instagram) weiter betrieben werden. Das Vermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Während SPD, Grüne und Linke den rechtlichen Rundumschlag begrüßen, kritisierte der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke zusammen mit dem Lager des rechtsextremistischen Magazins einen „Anschlag auf die Pressefreiheit“. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt deshalb nun eine Klage mit Eilantrag vor. Verfassungsrechtsexperten äußern erste Bedenken: Durfte das BMI so handeln?

Die richtige Rechtsgrundlage

Es ist bereits umstritten, ob die vom BMI gewählte Verbotsgrundlage Bestand hat. Ein Verbot von ganzen Printmedien kennt das Presserecht nicht – weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Hier fehlt es (bewusst) an einschlägigen Rechtsgrundlagen, um staatliche Zensur zu verhindern.

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Faesers Ministerium stützte das Verbot allerdings auf Vereinsrecht, und zwar auf § 3 Vereinsgesetz (VereinsG) in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG). Diese Regeln ermöglichen Verbote unter anderem dann, wenn ein Verein „gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ gerichtet ist. Gleiches gilt für wirtschaftliche Unternehmen wie die COMPACT-Magazin GmbH (§ 17 VereinsG).

Eine solche verfassungswidrige Zielrichtung sah Faeser hier als gegeben. Das Ministerium begründete die Entscheidung auf fast 80 Seiten – sowohl mit Inhalten und politischen Positionen des Magazins („Deislamisierung“, „Dominanz der eigenen Kultur“, „Leitkultur“, „patriotische Massenbewegung“) als auch mit Aussagen von Compact-Funktionären wie Chefredakteur Jürgen Elsässer:
„Wir wollen dieses Regime stürzen. Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsägenarbeit auf den Markt bringen. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes.“

Insgesamt kommt das BMI in seiner Begründung zu einer „kämpferisch-aggressive Haltung“ des Compact-Unternehmens, die auf demokratie- und verfassungsfeindliche Ziele gerichtet sei. Das ist auch nötig, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist eine solche für Verbote politischer Vereine grundsätzlich notwendig.

Nach der Einschätzung einiger Verfassungsrechtsexperten ist es damit allerdings nicht getan. Das Problem: Das vorrangige Ziel des BMI war das Verbot von Compact als Medium. Das Vereinsverbot könnte damit nur ein „Mittel zum Zweck“ gewesen sein. Ein Umweg, der sich womöglich nicht mit der Pressefreiheit verträgt.

Möglicher Verstoß gegen die Pressefreiheit

Dass das BMI das Vereinsverbot als Maßnahme gewählt hat, ist rechtlich höchst relevant. Und zwar weil die Pressefreiheit bei einem Vereinsverbot üblicherweise eine untergeordnete Rolle spielt: Wird ein rechtsextremer Verein verboten, ist dessen Meinungsfreiheit einer von vielen Faktoren bei der Beurteilung seiner verfassungsfeindlichen Zielrichtung. Wird diese aber tatbestandlich festgestellt, wird danach nicht erneut abgewogen, ob die Maßnahme im Hinblick auf die Pressefreiheit wirklich verhältnismäßig ist. Das ist bei Vereinsverbotsverfahren weitgehend juristisch anerkannt und in Fällen auch durchaus berechtigt, in denen eine rechtsextreme Publikation nur eine Begleiterscheinung des Vereins ist. Wenn der Verein verboten wird, wird das entsprechende Heftchen, Flugblatt oder Positionspapier en passant mit verboten. Anders liegt es aber, wenn die Pressetätigkeit der einzige Inhalt des Vereins ist, im Falle von Compact mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren. Dann wirkt es auf viele Experten unverhältnismäßig, die Pressefreiheit nicht noch einmal bewusst in die Abwägung einzustellen und nach einem milderen Mittel zu fragen. Deshalb wird vertreten, dass der Umweg über das Vereinsrecht durchaus die Pressefreiheit Compacts unterlaufen könnte.

Ein Kandidat für das Bundesverfassungsgericht

Der Compact-Fall zeigt, dass das Verhältnis von Vereins- und Presserecht noch nicht abschließend geklärt ist. Denn es ließe sich ebenfalls – und das hat das BMI in seiner Begründung ebenfalls angeschnitten – auch auf vergangene Rechtsprechung des BVerwG abstellen: Im Fall des linksextremen Online-News-Portals linksunten.indymedia hatte das Bundesverwaltungsgericht ein Verbot nach Vereinsrecht bereits zugelassen, obwohl auch hier das Medium – in dem Fall die Website – gewissermaßen im Zentrum stand. Das Verbot der Publikationen empfand das Gericht „nur als Folge“ des vereinsrechtlichen Verbotes.

Der Fall von linksunten.indymedia lag allerdings insofern anders, als dass es für das Verbot von Websites (Telemedien) eigene polizeiliche Rechtsgrundlagen im Medienstaatsvertrag gibt. Hier stellte sich das Vereinsrecht also weniger als „Umweg“ dar.

Ob das Bundesverwaltungsgericht nun eine ähnliche Beurteilung wie für linksunten.indymedia treffen wird, oder doch auf bestimmte Details aus der BMI-Begründung anspringt, bleibt abzuwarten. Zu begrüßen wäre eine Klärung zu den Reibungspunkten zwischen Vereins- und Presserecht. Besonders erfreulich wäre, dass am Ende des Prozesses eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht. Denn zu einer solchen war es im Falle von linksunten.indymedia nicht gekommen; die Beschwerde wurde nicht zugelassen, da die Beschwerdeführer nichts zur BVerwG-Entscheidung vorgetragen hatten.

Im Fall Compact ist die zentrale Frage nicht, ob das Magazin verfassungsfeindliches Gedankengut vertrat. In der Tat hätte der Staat gegen einzelne Beiträge vorgehen können, soweit diese strafrechtlichen Grenzen überschritten. Die Gerichte könnte aber nun die Frage beschäftigen, inwieweit ein allgemeines Verbot eines Printmediums zu unserer wehrhaften Demokratie dazugehört.

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