Das Bundesamt für Justiz hat ein Bußgeldverfahren nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gegen die Twitter International Unlimited Company eingeleitet. Aus Sicht des BfJ liegen hinreichende Anhaltspunkte für Versäumnisse im Beschwerdemanagement der Anbieterin von Twitter in Deutschland vor.
Die Anbieterin von Twitter ist nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verpflichtet, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern über rechtswidrige Inhalte vorzuhalten. Sie muss unter anderem unverzüglich von einem gemeldeten Inhalt Kenntnis nehmen, prüfen, ob dieser rechtswidrig im Sinne des NetzDG ist, und einen rechtswidrigen Inhalt, unter Beachtung der gesetzlichen Frist von regelmäßig sieben Tagen bzw. 24 Stunden im Falle offensichtlicher Rechtswidrigkeit, löschen oder den Zugang zu ihm sperren. Ein Inhalt gilt nach dem NetzDG als rechtwidrig, wenn er einen der in § 1 Absatz 3 NetzDG aufgeführten Tatbestände des Strafgesetzbuchs, wie beispielsweise Volksverhetzung, Beleidigung oder Bedrohung, erfüllt.
Dem BfJ wurden zuletzt zahlreiche Inhalte gemeldet, die auf Twitter veröffentlicht wurden, nach Einschätzung der Behörde rechtswidrig sind und trotz Nutzerbeschwerden nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen von der Anbieterin gelöscht oder gesperrt wurden. Hierauf gründet das eingeleitete Bußgeldverfahren.
Im Oktober hatte Elon Musk die Plattform gekauft und mehr als die Hälfte der Belegschaft entlassen. Das Team, das die Verbreitung von Hassbotschaften eindämmen sollte, war besonders stark von den Kündigungen betroffen und kann Ursache für das Versagen sein.
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Systemisches Versagen des Beschwerdemanagements
Bei vereinzelten Verstößen von Anbieterinnen und Anbietern sozialer Netzwerke wie Twitter, Facebook, TikTok und Co. gegen die Prüf- und Löschpflichten des NetzDG kann in der Regel noch nicht angenommen werden, dass kein wirksames Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorgehalten wird. Bußgeldbewehrt ist aber ein systemisches Versagen des Beschwerdemanagements, das vorliegt, wenn Verfehlungen gegen die einschlägigen Vorgaben des NetzDG zeit- und sachnah wiederholt auftreten.
Die dem Bußgeldverfahren gegen Twitter zugrundeliegenden Inhalte weisen einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang auf und sind daher geeignet, ein systemisches Versagen im Beschwerdemanagement Twitters zu begründen. Sie wurden in einem Zeitraum von rund vier Monaten auf Twitter veröffentlicht und Twitter von Nutzerinnen und Nutzern als rechtswidrig angezeigt. Alle Inhalte enthalten ähnlich gelagerte, nicht gerechtfertigte, ehrverletzende Meinungsäußerungen, die sich sämtlich gegen dieselbe Person richten. Sie erfüllen nach Einschätzung des BfJ den Tatbestand der Beleidigung.
Anhörung der Anbieterin und Vorabentscheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Bonn
Das BfJ hat Twitter nunmehr zu dem Vorwurf eines systemischen Versagens des Beschwerdemanagements Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Im weiteren Verfahren wird das BfJ die in der Stellungnahme vorgebrachten Argumente prüfen. Sollte das BfJ zum Ergebnis kommen, dass der Vorwurf des rechtswidrigen Verhaltens weiterhin berechtigt ist, wird das BfJ beim Amtsgericht (AG) Bonn die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beantragen und zugleich die Stellungnahme Twitters vorlegen.
Vor dem Erlass eines Bußgeldbescheids gegen Anbieter sozialer Netzwerke wegen fehlerhafter Nichtlöschung oder Nichtsperrung rechtswidriger Inhalte soll nach § 4 Absatz 5 NetzDG die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhalte herbeigeführt werden. Zuständig für dieses sogenannte Vorabentscheidungsverfahren ist das AG Bonn.
Sollte das AG Bonn die Rechtswidrigkeit der Inhalte feststellen, kann das BfJ in der Folge eine Geldbuße gegen Twitter festsetzen.