Ab wann ist man in Zeiten von YouTube und anderen sozialen Medien schon ein Journalist? Zwar war diese Frage nicht der Hauptkern der Verhandlung vor dem VG Minden, dennoch spielte sie eine nicht unwesentliche Rolle. Ein YouTuber suchte gerichtlichen Schutz, weil ihm verboten werden sollte, über seinen anstehenden Gerichtstermin in eigener Sache zu berichten. Darf sich der YouTuber in diesem Fall auf die Pressefreiheit berufen?

Ein YouTuber, der über einen Gerichtstermin in eigener Sache berichten will, darf sich auf die Pressefreiheit berufen. Das entschied das Verwaltungsgericht (VG) Minden, nachdem ein YouTuber wegen eines drohenden Drehverbots gerichtlichen Schutz suchte (VG Minden, Beschl. v. 16.08.2023 – Az. 1 L 729/23).

Zwei Smartphones, ein Stativ und seinen Laptop – das wollte ein YouTuber mit in den Gerichtssaal für seine Verhandlung vor dem Landgericht (LG) Bielefeld bringen, um Bildaufnahmen vor und nach einer Verhandlung anzufertigen. Als dem YouTuber ein Drehverbot drohte, suchte er gerichtlichen Schutz. Der YouTuber war nämlich der Ansicht, dass er zur Presse gehöre.

Und er sollte Recht bekommen: Die Richter des VG Minden vertraten die Auffassung, dass der Schutz von Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) nicht nur auf digitale Ausgaben herkömmlicher Medien beschränkt-, sondern entwicklungsoffen gestaltet sei und auch neuen Formaten vergleichbaren Schutz bieten solle. Das Gericht leitete den Anspruch des YouTubers, seine Aufzeichnungsgeräte mitzunehmen, also direkt aus der Pressefreiheit ab. Das VG erklärte, dass lediglich eine gewisse Aufbereitung der Nachrichten erforderlich sei – eine Voraussetzung, die der YouTuber erfülle.

Dass der YouTube-Kanal aufgrund der Anzahl der Abonnenten und Aufrufe nur über eine begrenzte Reichweite verfüge, sei indes unbeachtlich. Schließlich komme es auf die potentielle Reichweite der Angebote an und diese sei bei internetbasierten Angeboten unbegrenzt. Einen Presseausweis benötige der YouTuber ebenfalls nicht, da es auch ehrenamtliche Journalisten gäbe.

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Journalisten dürfen in eigener Sache berichten

Der Präsident des LG Bielefeld brachte den Einwand auf, dass Journalisten nicht in eigener Sache berichten dürften. Das VG Minden war jedoch anderer Ansicht und sprach der Presse grundsätzlich die Befugnis zu, selbst zu entscheiden, über was sie berichten. Ein Verbot, wie es der Präsident des LG vorgebracht hatte, existiere im Pressekodex nicht. Gleichzeitig betonten die Richter, dass die Entscheidung nicht bedeuten würde, dass der YouTuber in jedem Fall während der Verhandlung Bilder im Sitzungssaal machen dürfe. Darüber müsse laut VG die zuständige Richterin im Rahmen der Verhandlungsleitung entscheiden. Diese hatte bereits im Vorfeld der Entscheidung angekündigt, Foto- und Filmaufnahmen im Saal nach § 176 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu untersagen. Kritik für die Ausführungen des VG hagelte es unter anderem vom Deutschen Journalisten-Verband. Laut dem Verband differenziere das VG nicht ausreichend zwischen professionellen Medienschaffenden und Hobbyjournalisten.

Ein Fall für das OVG

Die Entscheidung des VG Minden ist nicht rechtskräftig. Mittlerweile ist eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen anhängig (Az. 15 B 917/23). Zwar ist der Gerichtstermin vor dem LG Bielefeld mittlerweile verstrichen. Dennoch möchte das Bielefelder Gericht Klarheit darüber, wie zukünftig mit YouTubern, die ihr Verfahren aufzeichnen möchten, umgegangen werden soll. Möglicherweise erhofft sich das Gericht eine Art Leitlinie für die Gestaltung künftiger sitzungspolizeilicher Anordnungen.

Es bleibt nun abzuwarten, ob die Begründung des VG Minden vor dem OVG Bestand haben wird. Schließlich führte schon der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass sich nur Journalist nennen könne, wer regelmäßig oder professionell journalistisch arbeite – also den Lebensunterhalt damit verdiene. Ob sich die Richter des OVG den Kollegen aus Minden nun anschließen oder nicht: brisant war die Entscheidung allemal.

agr