Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat entschieden, dass die Industrie- und Handelskammer Ulm insbesondere ein großes Werbeplakat für das umstrittene Bauprojekt Stuttgart 21 entfernen muss. Nach Ansicht der Richter habe es die IHK hier an der gebotenen Objektivität und Sachlichkeit fehlen lassen.

Die Industrie- und Handelskammer Ulm muss nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtes Sigmaringen vom 12.10.2011 Az. 1 K 3870/10 unter anderem das ca. 100 m² große Plakat an ihrem Verwaltungsgebäude in Ulm mit den Worten „Allerhöchste Eisenbahn! JA! Unsere Zukunft braucht die ICE-Strecke mit Stuttgart 21“ entfernen.

Ebenso wurde die IHK Ulm durch das Verwaltungsgericht Sigmaringen dazu verurteilt, es zu unterlassen, auf ihren Internetseiten durch Banner oder sonstige entsprechende Gestaltungselemente zu verlautbaren: „Allerhöchste Eisenbahn! JA zur Bahnstrecke und zu S21“. Ferner hat sie zu unterlassen, insbesondere in Veröffentlichungen, Presseerklärungen und auf der Homepage folgende Äußerungen zu tätigen:

a.  Ulm ist das Bollwerk für Stuttgart 21.

b.  Ohne Stuttgart 21 endet die Neubaustrecke von Ulm kommend in Wendlingen sprichwörtlich auf dem Acker.

c.  auf der Magistrale für Europa von Paris nach Budapest ….. sind alternative Linienführungen, beispielsweise über Frankfurt und Ingolstadt nach München, durchaus denkbar ….. Anstatt in das europäische Netz integriert zu werden, würden große Teile Baden-Württembergs somit abgehängt.

d.  Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn Baden-Württemberg … auf das Geld von Bund und Bahn verzichten würde.

e.  Ein Scheitern von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würde die parlamentarische Demokratie auf den Kopf stellen.

f.    Zehntausende Bürgerinnen und Bürger sprechen sich mittlerweile lautstark dagegen aus, obwohl viele erkennbar nicht ausreichend informiert sind.

Die IHK Ulm hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500 Euro vorläufig vollstreckbar. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die ausgesprochenen Unterlassungsverpflichtungen wurde der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 Euro angedroht.

Die Klage von insgesamt 9 Firmen und Gewerbetreibenden, die kraft Gesetzes Mitglieder der Industrie- und Handelskammer  Ulm sind und die diese auf Unterlassung in Anspruch genommen haben, hatte in vollem Umfang Erfolg. Dreh- und Angelpunkt in der mündlichen Verhandlung am 12.10.2011 war eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.2010 –  8 C 20/09, in der dieses u.a. ausgeführt hat,  bei der Form, sozusagen dem „Wie“ der Äußerung, hätten die Industrie- und Handelskammern zu beachten, dass sie als öffentlich-rechtliche Körperschaften öffentliche Aufgaben wahrnähmen. Daraus ergebe sich eine generelle Beschränkung ihrer Tätigkeit im Vergleich zu Interessenverbänden und politischen Parteien. Die Industrie- und Handelskammern müssten … als öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaft das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lassen. Das setze voraus, dass die Äußerungen der Industrie- und Handelskammern sachlich seien und die notwendige Zurückhaltung wahrten. Damit seien nicht nur Anforderungen an die Formulierung gestellt, was polemisch überspitzte oder auf emotionalisierte Konfliktaustragung angelegte Aussagen ausschließe; die notwendige Objektivität verlange eine Argumentation mit sachbezogenen Kriterien und gegebenenfalls die Darstellung von Minderheitenpositionen.

Quelle: Pressemitteilung des VG Sigmaringen vom 14.10.2011