Die VG Wort hat jahrelang das für Urheber eingesammelte Geld auch an Herausgeber ausgeschüttet. In der bisherigen Form zu Unrecht, urteilt das OLG München. Der BGH hat das Verfahren nun ausgesetzt und dem EuGH zwei Fragen zur Vorabklärung vorgelegt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat darüber zu entscheiden, ob die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) berechtigt ist, Herausgeber und ihren Förderungsfonds Wissenschaft an den Einnahmen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheber zu beteiligen. Der BGH hat das Verfahren jedoch nun zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen vorgelegt (BGH, Az. I ZR 135/23).

Die Beklagte im Verfahren ist die im Jahr 1958 gegründete VG Wort. Sie ist ein rechtsfähiger Verein kraft staatlicher Verleihung, in dem sich Autoren und deren Verleger zur gemeinsamen Verwertung von Urheberrechten zusammengeschlossen haben. Sie nimmt als einzige Verwertungsgesellschaft in Deutschland die ihr vertraglich anvertrauten urheberrechtlichen Befugnisse von Autoren und deren Verlegern wahr.

Die VG Wort beteiligt aufgrund ihrer Verteilungsregelungen seit Jahrzehnten Herausgeber an ihren Einnahmen. Seit Ende der 1970er Jahre unterhält die VG Wort zudem einen Förderungsfonds Wissenschaft, über den insbesondere Druckkostenzuschüsse für herausragende wissenschaftliche Werke vergeben wurden, die ansonsten nicht hätten erscheinen können. Die Finanzierung des Förderungsfonds erfolgt durch Abzüge von den Einnahmen nach Maßgabe der Regelungen der Satzung der VG WORT.

Autor klagt gegen VG Wort

Der Kläger ist Autor wissenschaftlicher Werke. Er hat sich zudem die Rechte eines Autors von Sachbüchern (Zedent) abtreten lassen. Er hatte mit der VG Wort bereits im Jahr 1984 einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen, der Zedent im Jahr 1993. Darin haben sie der VG Wort die gesetzlichen Vergütungsansprüche aus der Bibliothekstantieme und der Geräte- und Speichermedienvergütung zur Wahrnehmung übertragen.

Der Autor wendet sich nun aus eigenem und abgetretenem Recht dagegen, dass die VG Wort Herausgeber und ihren Förderungsfonds Wissenschaft entsprechend den Bestimmungen ihres Verteilungsplans und ihrer Satzung an den Einnahmen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheber beteiligt und dadurch den Anteil des Autors und des Zedenten an diesen Einnahmen schmälert.

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OLG München hatte Regeln zur Herausgebervergütung verworfen

Das Landgericht München I hatte 2021 der Klage durch Teilurteil hinsichtlich der Feststellungsanträge zunächst in vollem Umfang stattgegeben und die begehrte Auskunft teilweise zugesprochen (LG München I, Urteil vom 4. Oktober 2021, Az. 42 O 13841/19).

Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte die Klage nur hinsichtlich der an den Autor abgetretenen Ansprüche als begründet angesehen und sie im Übrigen abgewiesen (OLG München, Urteil vom 27. Juli 2023, Az. 29 U 7919/21). Die im Verteilungsplan und der Satzung der VG Wort vorgesehene Beteiligung von Herausgebern und ihres Förderungsfonds Wissenschaft sei als unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der VG Wort unwirksam. Die VG Wort habe die Einnahmen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche der Urheber und Inhaber verwandter Schutzrechte ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte zu verteilen. 

Die Ausschüttungsregelung für Herausgeber sei zu weit gefasst, spiegele die Schutzvoraussetzungen für Sammelwerke gemäß § 4 Abs. 1 UrhG sowie für wissenschaftliche Ausgaben urheberrechtlich nicht geschützter Werke oder Texte im Sinne von § 70 UrhG nicht ausreichend wieder und lasse Ausschüttungen auch an Nichtberechtigte zu.

Die Beteiligung des Förderfonds Wissenschaft der VG Wort sei auch nicht gesetzlich nach § 32 Abs. 2 Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) gedeckt, wonach die Verwertungsgesellschaft Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen einrichten solle, weil auch diese Vorschrift Zahlungen lediglich an Berechtigte, nicht aber Dritte gestatte. Auch sei nicht sichergestellt, dass der Förderfonds Wissenschaft lediglich Zahlungen an Berechtigte vornehme. Die Klage sei allerdings nur hinsichtlich der Ansprüche des Zedenten begründet, weil im von der Klage erfassten Zeitraum lediglich dieser, nicht jedoch der klagende Autor Ausschüttungen von der VG Wort erhalten habe. 

Vor dem Hintergrund des anhängigen Rechtstreits hatte die VG WORT seit Ende 2019 keine Ausschüttungen mehr an Herausgeber vorgenommen. Auch hatte der Förderungsfonds Wissenschaft bereits seit geraumer Zeit keine neuen Förderzusagen mehr erteilt.

Das OLG hatte aber die Revision zum BGH zugelassen und in diesem Zusammenhang deutlich gemacht hat, dass es bei den streitentscheidenden Fragen bisher an einer höchstrichterlichen, richtungsweisenden Leitentscheidung fehle. Die VG Wort möchte mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Mit seiner Anschlussrevision verfolgt der Autor seine Klageansprüche weiter.

BGH setzt Verfahren aus

Der BGH hat am 21.11.2024 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zwei Fragen vorgelegt.

Zunächst soll der EuGH nun klären, ob EU-Recht dem § 32 Abs. 1 VGG entgegenstehe, nach der eine Verwertungsgesellschaft kulturell bedeutende Werke und Leistungen fördern soll, und dies zur Folge hat, dass auch Empfänger in den Genuss der Förderung gelangen, die (jedenfalls noch) nicht zum Kreis der Rechtsinhaber zählen.

Für den Fall, dass die Erbringung sozialer, kultureller oder bildungsbezogener Leistungen nach EU-Recht nur an Rechtsinhaber zulässig sein sollte, sei außerdem klärungsbedürftig, ob der Rechtsinhaber einen gegenwärtigen Vergütungsanspruch innehaben muss oder ob die Inhaberschaft eines gegenwärtig nicht zu vergütenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts ausreicht sowie ob ein Wahrnehmungsvertrag mit der Verwertungsgesellschaft bestehen muss.

tsp