Der Attentäter von Christchurch (NZ) hat seine schreckliche Tat gefilmt und live auf Facebook übertragen. Millionenfach wurde das Video bei Facebook und YouTube geteilt. Facebook gelang es immerhin, in kürzester Zeit Millionen dieser Videos entweder zu löschen oder schon vor dem Hochladen zu blockieren, YouTube hingegen versagte. Kopien der Videos waren über Stunden sichtbar. Was droht Nutzern, die dieses grausame Video geteilt haben? Haben sie sich strafbar gemacht? Können sie verklagt werden?

Welches Recht ist hier anwendbar?

Ob neben neuseeländischem auch das Strafrecht eines anderen Staates Anwendung findet, hängt davon ab, ob die Tat einen Bezug zum Inland hat. Ursprünglich gab es bei der Tat keinen Bezug zu Deutschland. Die Opfer waren wohl alle Staatsangehörige von Neuseeland oder eines anderen Landes, der Täter ist Australier und es wurde nicht explizit ein Nutzerkreis in anderen Ländern angesprochen. Anders ist die Rechtslage aber, wenn dieses Video über Nutzer in Deutschland verbreitet wurde. Hier können sich die Nutzer sehr wohl strafbar machen als auch möglicherweise zivilrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt sein.

Gegen welche Gesetze verstößt das Video nach deutschem Recht?

Hier könnte das ins Internet stellen des Videos zunächst eine strafbare Gewaltdarstellung sein, § 131 Strafgesetzbuch (StGB). Darin steht: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. eine Schrift (§ 11 Absatz 3), die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt, a) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht.“ Dieser Tatbestand dürfte hier erfüllt sein. Der Täter handelte mit menschenverachtender, rücksichtsloser, roher oder unbarmherziger Gesinnung und damit „unmenschlich“. Das Video zeigt, wie er diese Gewalt verherrlicht und das Unmenschliche seiner Tat in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt. Strafbar ist es, ein solches Videos gegenüber der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zu verbreiten – also insbesondere, es ins Internet zu stellen.

Darüber hinaus dürfte das Onlinestellen des Videos den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, § 130 StGB. Denn es geht ja darum, zum Hass gegenüber einer religiösen Bevölkerungsgruppe aufzustacheln und aufgrund des vom Täter wohl geplanten Nachahmungseffektes wohl auch, zur Gewalt gegen Muslime aufzufordern. Solche Videos zu verbreiten kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Auch verstößt die Anfertigung und Übertragung des Videos gegen § 201a StGB, weil Aufnahmen von Personen angefertigt werden, in denen ihre Hilflosigkeit gegenüber dieser beispiellosen Gewalttat zur Schau gestellt und dadurch der höchstpersönliche Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt wird. Mit Übertragung ist ein Live-Stream wie hier gemeint. Es droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, die Tat wird aber nur auf Antrag des Verletzten oder seiner Angehörigen verfolgt.

Schließlich könnte man noch an die öffentliche Aufforderung zu Straftaten denken, § 111 StGB in Verbindung mit § 211, Mord. Diese Strafnorm ist beim Zeigen von Propaganda-IS-Videos häufig einschlägig. In § 111 StGB steht, dass wer durch Verbreitung etwa eines Videos zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wie ein Anstifter bestraft wird. Anstifter erhalten dieselbe Strafe wie die Täter, bei Mord also lebenslänglich. Bleibt die Aufforderung ohne Erfolg, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Hier kommt es darauf an, ob bzw. wie deutlich der Täter in dem Video gesagt hat, dass andere ihn nachahmen sollen. Nicht ausreichen würde, wenn er nur in Kauf genommen hat, dass die Verbreitung des Videos dazu führen könnte, er müsste es explizit gesagt haben.

Schließlich werden die Persönlichkeitsrechte der Opfer in schwerster Weise missachtet und verletzt, sodass die Opfer bzw. ihre Angehörigen den Täter zivilrechtlich auf Schmerzensgeld verklagen könnten. Sowohl durch die Diffamierung der Opfer und ihre Herabwürdigung als Menschen in dem Video als auch durch die Verletzung ihres Rechts am eigenen Bild, §§ 22, 33 Kunsturhebergesetz (KUG). Die Verletzung des Rechts am Bild ist sogar ebenfalls strafbar, wird aber meist zivilrechtlich verfolgt.

Und natürlich verstößt die Verbreitung gegen die Nutzungsbedingungen aller Plattformen.

Ist es strafbar, das Video in Deutschland zu teilen, zu liken oder zu kommentieren?

Strafbar kann sich nur machen, wer selbst einen Tatbestand erfüllt hat oder hieran teilgenommen hat. Hier kommt es auf die Straftat an und ob das reine Verbreiten eines solchen Videos bereits unter Strafe steht:

Bei Gewaltdarstellungen und volksverhetzenden Videos ist bereits das Verbreiten bzw. Zugänglichmachen der Öffentlichkeit strafbar. Insofern kann jeder nach §§ 130, 131 StGB wie der ursprüngliche Täter bestraft werden, der das Video teilt – nicht aber durch „Liken“.

Auch die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs nach § 201a StGB können Verbreitende selbst begehen, da sie das Video auf diese Weise Dritten zugänglich machen – nicht aber durch „Liken“.

Im Hinblick auf den öffentlichen Aufruf zu Straftaten würde die bloße Verbreitung eines Videos noch nicht ausreichen, um den Straftatbestand zu erfüllen. Hier müsste der Teilende sich selbst dergestalt äußern, dass er andere dazu auffordert, es dem Christchurch-Attentäter gleich zu tun. Ein bloßer Like würde dafür nicht ausreichen, es müsste schon ein expliziter Kommentar sein, der tatsächlich in der Absicht geäußert wird, dass andere ebenfalls solche Taten begehen.

Könnten Betroffene diejenigen verklagen, die solche Videos in Deutschland teilen, liken oder kommentieren?

Zivilrechtlich haften kann man allerdings schon durch das sog. „zu Eigen machen“ eines fremden Beitrags haften. Wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen können die Opfer bzw. ihre Angehörigen den Täter bzw. Teilenden u.a. auf Schmerzensgeld verklagen.

Für die Persönlichkeitsrechtsverletzung in der Form der Herabwürdigung der Opfer Rechtsverletzung haftet nach der Rechtsprechung derjenige, der sich den rechtverletzenden Inhalt zu Eigen gemacht hat. Wesentlich sei, ob der durchschnittliche verständige Nutzer den Eindruck gewinnen muss, dass sich derjenige, der einen Inhalt teilt, liked etc., sich dergestalt mit der Information identifiziert, dass diese als eigene erscheint. Als Zueigenmachen von rechtsverletzenden Äußerungen haben allerdings schon mehrere Gerichte das Betätigen des „Gefällt mir“-Buttons beurteilt. Auch ein inhaltlich eindeutig unterstützender Kommentar spricht für ein Zueigenmachen. Dann kann dies so gewertet werden, dass man sich eine fremde Äußerung zu Eigen macht, weil man sich mit ihr identifiziert und sie so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie als die eigene erscheint.

Nicht rechtsverletzend ist es demnach, einen Beitrag mit rechtsverletzenden Äußerungen auf Facebook lediglich zu teilen. Hier ist das bloße Teilen des Beitrags ein lediglich technischer Vorgang und damit noch kein Zueigenmachen, denn die bloße Weiterverbreitung hingegen hat erst einmal keinen eigenen Aussagegehalt.

Anders wiederum ist die Verletzung des Rechts am eigenen Bild zu betrachten, die nicht nur nach § 33 KUG strafbar ist, sondern ebenfalls eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt (§ 22 KUG). Hierfür reicht schon das Teilen des Bildmaterials im Internet, um dieses Recht zu verletzen – das „Liken“ hingegen ist irrelevant.

Könnten schockierte Zuschauer diejenigen verklagen, die das Video geteilt haben?

In zivilrechtlicher Hinsicht könnte man zwar daran denken, dass Menschen, die das Video versehentlich gesehen und einen Schock erlitten haben, einen Anspruch gegen den Täter auf Schadensersatz und Schmerzensgeld haben. Allerdings ist die deutsche Rechtsprechung streng hinsichtlich der Zuerkennung von Ansprüchen bei sog. Schockschäden und gewährt nur engen Angehörigen von Opfern in Einzelfällen ein solches Recht.

ahe