Renate Künast wehrt sich gegen Hass im Netz. Die Bundestagsabgeordnete wurde in Kommentaren unter einem Facebook-Post übel beleidigt. Hintergrund war ein ihr zugeschriebenes Zitat, das allerdings gar nicht von ihr stammte, sondern frei erfunden war. Dieses Zitat brachte ihr einen großen Shitstorm ein. Jetzt hat sie Klage erhoben und fordert neben der Abgabe einer Unterlassungserklärung von Facebook auch zusätzlich 10.000 € Schmerzensgeld.

In den vergangenen Jahren musste sich die Grünenpolitikerin Renate Künast mehrfach gegen verbreitete Unwahrheiten im Netz wehren. Im Jahr 2015 erschien bereits ein Artikel unter der Überschrift „Grünen-Politikerin Künast gerät in Erklärungsnot“. In diesem Artikel fragte der Autor: „Klingt das nicht, als wäre Sex mit Kindern ohne Gewalt okay?“.

Dabei berief sich der Verfasser des Artikels auf einen Zwischenruf der Politikerin aus dem Jahr 1986 im Berliner Abgeordnetenhaus im Zusammenhang mit der damaligen Pädophilie-Debatte bei den Grünen. Damals wurde ihr unterstellt, Forderungen nach Straffreiheit für Sex mit Kindern zu unterstützen. Diese Vorwürfe hatte sie zurückgewiesen.

Dieser Artikel aus dem Jahr 2015 wurde in einen Facebook-Post gegossen, gegen den Renate Künast sich gerichtlich wehrte. Abgebildet war ein Foto von ihr mit einem vermeintlichen Zitat im Zusammenhang mit einer Debatte über die Zulässigkeit von Sex mit Kindern: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt“.

Daraufhin folgten etliche Kommentare unter dem Post, in denen Renate Künast teils übel beleidigt und kritisiert wurde. Die Politikerin wurde mit Äußerungen wie „Schlampe“ oder „Drecks Fotze“ in insgesamt 22 Kommentaren angegangen.

Dagegen wehrte Künast sich vor dem Landgericht (LG) Berlin. Sie wollte erreichen, dass Facebook die personenbezogenen Daten von den 22 Nutzern herausgeben darf, die diese Kommentare verfasst haben, um zivilrechtlich gegen sie vorzugehen.

§ 14 Absatz 3 Telemediengesetz (TMG) erlaubt Plattformen die Herausgabe der Daten, wenn sie zur Durchsetzung solcher Ansprüche erforderlich sind und aus Verstößen gegen § 1 Absatz 3 Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) resultieren. Die Vorschrift wiederum verweist für die Rechtswidrigkeit von Inhalten unter anderem auf die Beleidigungstatbestände des Strafgesetzbuchs in den §§ 185 ff. StGB.

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„Drecks Fotze“ keine Beleidigung?

Das Gericht sah diese Voraussetzungen allerdings als nicht gegeben an (Beschl. v. 09.09.2019, Az. 27 AR 17/19). Die Äußerungen seien alles bloß Meinungsäußerungen und erfüllten nicht den Tatbestand der Beleidigung. Das Gericht erkannte zwar an, dass die Äußerungen „teilweise sehr polemisch und überspitzt und zudem sexistisch“ seien, aber die Politikerin habe den Bezugspunkt für die Rechtfertigung dieser Aussagen als sachthemenbezogene Meinungsäußerungen selbst geschaffen – durch ihren Zwischenruf im Abgeordnetenhaus 1986. Mit dieser Entscheidung sorgte das Berliner Gericht seinerzeit für einen handfesten Skandal und ein entsprechendes Medienecho. Denn damit entschied es, „Drecks Fotze“ sei keine Beleidigung.

Dies nahm auch Künast nicht hin und legte in der Folge erfolgreich Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichtes ein. Mit Beschluss vom 21.01.2021 revidierte das Kammergericht (KG) Berlin die Einschätzung der Vorinstanz und sah den Beleidigungstatbestand in sechs Fällen doch als erfüllt an.

Auskunftsanspruch vor dem Landgericht Frankfurt am Main

Nun gibt es erneut Wirbel um Künast, denn die Politikerin wurde erneut Opfer eines falschen Zitates.

Neben einem Bild Künasts auf der Social Media Plattform Facebook steht der Satz: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal Türkisch lernen“. Auch diese Aussage wurde im Jahr 2015 erstmalig verbreitet und Künast hatte sich unverzüglich dagegen gewehrt.

Doch was einmal im Netz aufgetaucht ist, ist nur schwer zu löschen. Derselbe Post wurde nun erneut verbreitet. Daraufhin hat Künast Facebook vor dem LG Frankfurt am Main verklagt. Sie fordert, dass nicht nur das ihr fälschlicherweise zugeschriebene Zitat gelöscht werden solle, sondern auch alle identischen und sinnesgleichen Inhalte auf der gesamten Plattform.

Einzelne Posts können über eine Funktion auf Facebook gemeldet werden, wenn Betroffene beleidigende Inhalte entfernt haben wollen. Falls der gleiche Beitrag aber an anderer Stelle auf der Plattform auftaucht, beispielsweise in geschlossenen Gruppen, bleibt er dort online. Dagegen richtet sich die Klage der Politikerin.

Löschung aller inhaltsgleichen Posts

Künast will mit ihrer Klage erreichen, dass alle Kopien dieses Posts gelöscht werden, die aktuell online sind. Sollte sie damit Erfolg haben, könnte die Art, wie Facebook über die Löschung von Inhalten entscheidet, grundsätzlich verändert werden. So setzt Facebook zwar bereits automatisierte Systeme ein, um strafbare Inhalte wie beispielsweise Hakenkreuze oder andere verfassungsfeindliche Symbole im großen Stil zu erkennen, doch gerade bei Aussagen, die verleumdend oder beleidigend sind, setzt das Unternehmen oft darauf, dass solche Posts von den Betroffenen gemeldet werden und von Facebook-Mitarbeitern nur im jeweiligen Einzelfall geprüft werden.

Im Falle Künast hat Facebook sich von seinem üblichen Vorgehen abweichend bereit erklärt, alle Kopien des umstrittenen Beitrags zu löschen. Das Unternehmen wolle wegen der besonderen Umstände dieses Falles nun auch identische Inhalte prüfen.

Gerichtliche Entscheidung über zukünftige Löschpraxis von Facebook

Die Bundestagsabgeordnete erhält ihre Klage aber trotzdem aufrecht, um die Frage von einem deutschen Richter klären zu lassen, ob identische Kopien eines gerichtlich untersagten Inhalts von Facebook automatisch gelöscht werden müssen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nämlich in einem Urteil aus dem Jahr 2019 entschieden, dass Facebook bei Vorliegen bestimmter Umstände sinnesgleiche Inhalte eines rechtswidrigen Posts löschen muss (Rechtssache C- 18 /18). Dies sei mit geltendem EU-Recht vereinbar.

Gesetzlich verpflichtet sind die Netzwerke in Deutschland dazu aktuell jedoch (noch) nicht. Die Diskussion einer weitergehenden Löschungspflicht wird jedoch vor allem im Zusammenhang mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) immer häufiger geführt.

Künast fordert außerdem die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung von Facebook und die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 €.

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Einführung von Uploadfiltern

Sollte Facebook zukünftig zu einer weitergehenden Löschung verpflichtet werden, könnte die Plattform sich für den Einsatz eines Uploadfilters entscheiden, um zu verhindern, dass gemeldete Beiträge erneut hochgeladen werden. Dabei besteht die Gefahr, dass auch Beiträge blockiert werden, die sich kritisch mit der Thematik auseinandersetzen oder gar über Falschzitate aufklären wollen.

Dies könnte zu einer sehr starken Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit führen. Deswegen muss Facebook weiterhin eine manuelle Kontrolle der Ergebnisse durchführen und darf sich nicht auf eine technische Überprüfung beschränken.

Es bleibt abzuwarten, wie das LG Frankfurt am Main über die Klage entscheidet und welche Auswirkungen das Ergebnis künftig auf die Löschungspraxis von Facebook hat. Wir halten Sie über alle aktuellen Entwicklungen in dem Verfahren auf dem Laufenden.

lrö