Der Wettskandal von 2005 gilt auch heute noch als einer der größten Skandale im deutschen Profifußball. Und auch heute noch beschäftigen sich Gerichte mit den Geschehnissen von damals. Ein ehemaliger Schiedsrichter zog nun vor Gericht, weil ihm Äußerungen aus einem Gutachten, das der DFB damals von einem Gutachter hat anfertigen lassen, missfielen. Das OLG Frankfurt fälle nun ein Urteil.
Äußerungen aus einem Gutachten sind hinzunehmen, sofern der Gutachter nicht die Verletzung des Persönlichkeitsrechts in Kauf nimmt. Das entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, nachdem ein ehemaliger Schiedsrichter vor Gericht Unterlassung verlangte. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass das Recht des Gutachters auf freie Meinungsäußerung überwiegt, sofern er nicht grob sorgfaltswidrig vorgeht (Urt. v. 30.11.2023 – Az. 16 U 206/21).
Kaum eine Schlagzeile schlug im deutschen Profifußball derartig hohe Wellen wie der Schiedsrichterskandal. Und auch heute noch scheint das Thema noch nicht in allen Belangen aufgearbeitet zu sein, denn ein ehemaliger Schiedsrichter suchte nun nochmal den Weg zum Gericht. Aber der Reihe nach: Im Jahr 2005 machte ein ehemalige DFB-Schiedsrichter öffentlich, dass einzelne Schiedsrichter von Profifußballspielen gegen Bezahlung das Ergebnis von Bundesligaspielen absichtlich manipuliert hätten, um Fußballwettergebnisse zu beeinflussen. Im Jahr 2017 äußerte er sich in einem Interview erneut zu dem Skandal und nannte dabei aus seiner Sicht die vermeintlich Verantwortlichen namentlich. In Reaktion darauf beauftragte der DFB einen privaten Gutachter mit der internen Untersuchung der Vorwürfe.
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Der Gutachter kam zu dem Schluss, dass die Anschuldigungen nicht zutreffen würden. Der Ex-Schiri behauptete jedoch, dass der Sachverständige in seinem Bericht Zeugenaussagen unvollständig, falsch oder sinnentstellend wiedergegeben habe, was zu unhaltbaren Anschuldigungen gegen ihn geführt hätte. Daraufhin entschied sich der Ex-Schiedsrichter, rechtliche Schritte einzuleiten und zog vor Gericht. In der Klage verlangte er eine Unterlassung sowie eine Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro. Diese Forderungen wurden jedoch von dem Landgericht Gericht abgewiesen.
Gutachten als Werturteil
Das OLG hat die Klage des ehemaligen Schiedsrichters nun ebenfalls abgewiesen. Die Begründung lautet, dass Schlussfolgerungen und Ergebnisse, die in einem privaten Gutachten enthalten sind, grundsätzlich dem sogenannten Sachverständigenprivileg unterliegen würden. Somit seien sie als Werturteil einzustufen, selbst wenn die Schlussfolgerung äußerlich in die Form einer Tatsachenbehauptung gekleidet sei. Die Ausführungen der OLG beruhen darauf, dass es die spezifische Aufgabe eines Gutachters sei, aufgrund seiner Sachkunde zu bestimmten Tatsachen Stellung zu nehmen, diese zu untersuchen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Frankfurter Richter betonten somit die geschützte Stellung von Gutachten und ordnet sie als Werturteile ein.
Recht des Gutachters auf freie Meinungsäußerung überwiegt
Das OLG entschied, dass soweit die Äußerungen die Berufsehre der Schiris verletzten, dies nicht als schwerwiegender Verstoß einzustufen sei. Begründet wurde diese Einschätzung damit, dass das Gutachten nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei und der ehemalige Schiedsrichter selbst durch seine Aussagen die Diskussion über die Arbeitsweise der Schiedsrichter eröffnet habe. Außerdem argumentierte das OLG, würde letztendlich das Recht des Gutachters auf freie Meinungsäußerung und Berufsfreiheit überwiegen. Das Schutzinteresse des ehemaligen Schiedsrichters sei nur dann vorrangig, wenn der Gutachter methodisch grob sorgfaltswidrig vorgegangen wäre und so die Verletzung von Persönlichkeitsrechten in Kauf genommen hätte. Nach Ansicht des Gerichts war dies jedoch nicht der Fall.
Das Sprichwort: „Das Spiel ist erst vorbei, wenn der Schiedsrichter pfeift“ hat dem ehemaligen Schiri hier nicht geholfen. Das OLG Frankfurt besiegelte die Schlappe – der Forderung auf Unterlassung muss der Gutachter also nicht nachkommen, eine Entschädigung wird es für den ehemaligen Schiedsrichter auch nicht geben. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Es besteht also noch die Möglichkeit, mit einer Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision zu beantragen.
agr