Das OLG Oldenburg hat mit wohl wegweisenden Entscheidung klargestellt, dass Erben uneingeschränkten Zugriff auf Social-Media-Konten von Verstorbenen erhalten können. Ihnen stehen nicht nur passive Leserechte, sondern auch aktive Nutzungsrechte zu. Damit erweitert das OLG den bisherigen rechtlichen Rahmen, den der BGH vorgegeben hat.

Alphonso Williams, Von CHR!S, CC BY-SA 4.0

2017 eroberte Alphonso Williams die Herzen des deutschen Publikums, als er mit seiner unterhaltsamen Art die Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ gewinnen konnte. Zwei Jahre später verstarb er leider. Nun musste gerichtlich geklärt werden, wie mit dem Instagram-Konto des Casting-Siegers verfahren wird. Haben Erben einen Anspruch darauf, das Konto eines Verstorbenen weiterhin aktiv zu nutzen?

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg bejahte nun diese Frage. Nach Überzeugung des OLG haben Erben einen Anspruch darauf, den vollen Zugriff auf das Instagram-Konto des Erblassers zu bekommen, inklusive aktiver Nutzungsmöglichkeit. Die Witwe sei als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der Gesamtrechtsnachfolge eingetreten und das umfasse neben einem passiven Anspruch auch einen Anspruch auf aktive Nutzung (Urt. v. 30.12.2024 – Az. 13 U 116/23). Das Urteil hat einen enormen Stellenwert, da es bislang noch keine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage gibt, ob Erben auch den uneingeschränkten Zugang, also die Nutzung eines Kontos, erben.

Witwe von DSDS-Gewinner klagte gegen Meta

Instagram versetzt die Konten Verstorbener Nutzer für gewöhnlich in einen Gedenkzustand. Auf dem Profil der verstorbenen Person wird dann vor dem Namen „In Erinnerung an“ angezeigt und eine Anmeldung ist nicht mehr möglich. Sobald sich ein Profil im Gedenkzustand befindet, ist das Konto gesperrt und niemand kann Änderungen an den bestehenden Beiträgen oder Informationen vornehmen.

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Nach Williams Tod im Jahr 2019 hatte die Witwe und Alleinerbin seinen Instagram-Account weiterhin genutzt, bis Meta im Jahr 2022 von seinem Tod erfuhr und den Account in den Gedenkzustand versetzte. Die Ehefrau begann daraufhin ihre Versuche, wieder Zugang zum Account zu erlangen. Schlussendlich leitete sie rechtliche Schritte ein und klagte gegen Meta.

Das Landgericht (LG) Oldenburg entschied in erster Instanz, dass sie zumindest Leserechte für den Account erhalten solle. Dennoch war dies nur ein teilweiser Erfolg, weshalb sie in Berufung ging.

Eltern kriegen kompletten Social Media-Zugriff (Urt. v. 12.07.2018 – Az. III ZR 183/17)

Erben erhalten auch aktive Nutzungsrechte

Die Richter am OLG gewährten der Erbin nun uneingeschränkten Zugang, also nicht einen passiven, sondern auch eine solchen, dass eine aktive Nutzung des Accounts möglich ist. Das Gericht sah die Witwe als Erbin ihres Mannes in das Vertragsverhältnis mit Meta über die sogenannte Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB eingetreten. Dabei berief sich das OLG auf ein Grundsatzurteil des BGH aus dem Jahr 2018 (Urt. v. 12.07.2018 – Az. III ZR 183/17), das feststellt, dass der Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar ist.

Mit der Erbenstellung übernehme die Ehefrau nach Ansicht des OLG alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen. Dies umfasse nicht nur das passive Recht auf einen lesenden Zugriff, sondern darüber hinaus auch einen Anspruch auf die aktive Nutzung des Accounts.

Entgegen der Argumentation von Meta sah das OLG in der Gewährung auch aktiver Nutzungsrechte keinen Konflikt zur Rechtsprechung des BGH. Der BGH habe in seiner Grundsatzentscheidung seinerzeit diese Frage ausdrücklich offengelassen, da es in dem damaligen Fall lediglich um die Bereitstellung der Inhalte zur Einsicht durch die Erben, nicht um die aktive Nutzung des Kontos gegangen sei. Auch aus einem weiteren BGH-Beschluss aus dem Jahr 2020 lasse sich nichts Gegenteiliges ableiten, da auch dort die Frage der aktiven Nutzung nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei (BGH, Beschl. v. 20.08.2020, Az. III ZB 30/20).

Nach Überzeugung des OLG seien die von Meta erbrachten Leistungen nicht als höchstpersönlich anzusehen. Meta sei lediglich zur Bereitstellung technischer Leistungen verpflichtet, etwa zur Bereitstellung der Plattform und zur Veröffentlichung von Inhalten, ohne dass dabei ein persönlicher Bezug zu den ursprünglichen Vertragspartnern erforderlich sei. Diese Leistungen könnten daher problemlos auch gegenüber den Erben erbracht werden.

Metas Leistungen nicht höchstpersönlicher Natur

Das Gleiche gelte für die Pflichten des Kontoinhabers. Der BGH habe bereits klargestellt, dass diese nicht höchstpersönlicher Natur seien. Zudem lasse Meta selbst bei der Kontoeröffnung eine Vertretung zu, sofern der zukünftige Kontoinhaber vorher ausdrücklich eingewilligt habe. Dies widerspreche der Annahme einer Höchstpersönlichkeit.

Eine mögliche Einschränkung könne lediglich darin liegen, dass der Vertrag auf den ursprünglichen Kontoinhaber zugeschnitten sei, da nur dieser Inhalte veröffentlichen und Nachrichten schreiben dürfe. Das OLG sah darin nun jedoch keinen Unterschied zu anderen Vertragsverhältnissen, in denen ausschließlich eine Vertragspartei berechtigt und verpflichtet werde. Die Leistungen von Meta seien nicht derart auf eine bestimmte Person zugeschnitten, dass ein Wechsel des Nutzers die wesentliche Natur der Leistung verändern würde. Meta stelle vielmehr unabhängig von der Person des Kontoinhabers stets denselben technischen Rahmen zur Verfügung.

Das LG hatte als Vorinstanz die Entscheidung, der Erbin lediglich lesenden Zugriff auf den Instagram-Account zu gewähren, mit der Rechtsprechung des BGH zum Girovertrag begründet. Der BGH hatte dazu festgestellt, dass bei einem Girovertrag die Vertrauensbeziehung zwischen dem Kreditinstitut und dem Kontoinhaber eine entscheidende Rolle spiele. Das OLG hingegen hielt diese Übertragung für unzutreffend. Es argumentierte, dass die Grundsätze des Girovertrags auf die Beziehung zwischen Meta und dem Verstorbenen nicht anwendbar seien, da es hier an einer Vertrauensbeziehung fehle. Ein Instagram-Account beinhalte keine an Meta anvertrauten Vermögenswerte – die Vertrags-beziehung sei außerdem weder durch besonderes Vertrauen noch durch die Kreditwürdigkeit des Kontoinhabers geprägt.

Die Revision ist zugelassen.