Eine Frage, auf die noch immer keine endgültige Antwort gefunden wurde – zumindest in der Stadt Bremen: Wer trägt die entstehenden Polizeikosten, die bei einem sogenannten Hochrisikospiel anfallen? Nach einem Spiel im Jahre 2015 wollte die Stadt Bremen, dass die DFL für das Polizeiaufgebot aufkommt. Nach einem langen hin und her wird nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Die Bundesliga-Saison 2023/2024 kommt zu einem Ende. Und auch wenn der FC Schalke 04 letztes Jahr abgestiegen ist und somit aktuell nicht in der ersten Bundesliga spielt, beschäftigt die Behörden noch ein Vorfall, der mit einem Spiel aus eben der ersten Bundesliga in Zusammenhang steht. Letztes Jahr trafen gegen Ende der Saison die Schalker auf die Eintracht aus Frankfurt. Die Ereignisse nach dem Spiel, welches mit einem 2:2 Unentschieden endete, sind auch heute noch ein Fall für die Medien und die Justiz.
Vor ein paar Tagen veröffentlichte die Polizei aus Gelsenkirchen Fahndungsfotos von insgesamt 69 Gewalttätern, die an Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem Spiel zwischen Schalke und Frankfurt beteiligt waren. Die Unruhen ereigneten sich im Mai 2023 und führten zu leichten Verletzungen einer Mitarbeiterin des Deutschen Roten Kreuzes und mehrerer Polizeibeamter. Doch nicht nur die Mitarbeiterin und die Polizeibeamte sind verletzt worden: Mindestens 18 weitere Personen wurden ebenfalls verletzt. Bei diesen weiteren Verletzten handelte es sich überwiegend um unbeteiligte Zuschauer. Dabei wurden ein Mann und eine Frau so schwer verletzt, dass eine Operation im Krankenhaus notwendig wurde. Letztlich wurden von der Staatsanwaltschaft mehr als 200 Verfahren wegen verschiedenen Straftaten eingeleitet. Darunter fielen neben Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung und dem tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte auch Verfahren wegen Beleidigung und schwerem Landfriedensbruchs.
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Hohe Kosten infolge der Einsätze
Solche Vorfälle sind glücklicherweise nicht die Norm in Deutschland – trotzdem stellen Ausschreitungen wie diese aber auch keinen Einzelfall dar. Es kommt immer wieder vor, dass Fans anlässlich von Bundesligaspielen in Innenstädten randalieren. Auch dass beispielsweise Bahnhöfe verwüstet und Straßenbahnen beschädigt werden, ist keine Seltenheit. Leider kommt es dabei auch immer wieder zu Verletzungen.
Eine besondere Gefahr sind die sogenannten Hochrisikospiele. Bei Hochrisikospielen kommen immer wieder mehr als hundert Polizisten aus sogar benachbarten Bundesländern und von der Bundespolizei zum Einsatz, um Ausschreitungen zu vermeiden. Hochrisikospiele sind Spiele, bei denen die Polizei aufgrund früherer Erfahrungen mit den jeweiligen Fangruppen ein besonders hohes Gewaltpotenzial annimmt. Für Einsätze mit derart großem Aufgebot entstehen enorme Kosten: Die Beamten müssen bezahlt werden, außerdem wird nicht selten auch die Unterbringung in einer Unterkunft nötig, zudem erhalten die Polizisten auch eine Verpflegung. So summieren sich die Ausgaben schnell auf sechsstellige Beträge. Das Problem: Die hohen Kosten werden von den Steuerzahlern getragen und finanzieren letztlich ein privates Event.
Bremen will Veranstalter zur Kasse bitten
Eben diesen Umstand empfand die Stadt Bremen, in der der Bundesligaverein SV Werder Bremen beheimatet ist, als ungerecht. Die Stadt hat einen Gebührentatbestand eingeführt, demzufolge bei sogenannten „gewinnorientierten Veranstaltungen“ mit mehr als 5.000 Teilnehmenden die zusätzlichen Polizeikosten vom Veranstalter oder von der Veranstalterin getragen werden müssen. Dies soll auch dann gelten, wenn es bei diesen Veranstaltungen erfahrungsgemäß zu erwartenden Gewalthandlungen kommt. Zwar ist dieser Tatbestand offen gefasst. Dennoch ist unzweifelhaft, dass die Regelung speziell auf Fußballspiele abzielt.
Das erste Mal, dass die Regelung Anwendung gefunden hat, war das bekannte „Nord-Derby“ zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV. Damals, im April 2015, kamen rund 1.000 Beamte zum Einsatz. Die Stadt Bremen erließ daraufhin einen Gebührenbescheid in Höhe von etwa 425.000 Euro. Die DFL die sich gemeinsam mit ihren Tochtergesellschaften um die Organisation und Vermarktung des deutschen Profifußballs kümmert, legte dagegen gerichtlich Einspruch ein, unterlag jedoch in letzter Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht. Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ran und darf sich nun mit der Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil aus Leipzig und gegen den Gebührentatbestand befassen (1 BvR 548/22).
Die DFL ist der Ansicht, die Norm in § 4 Absatz 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes (BremGebBeitrG) sei verfassungswidrig und sieht sich vor allem in ihrer Berufsfreiheit gemäß Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt, da es an einer gesetzlichen Grundlage für den Eingriff fehle. Darüber hinaus werde die DFL durch die gerichtlichen Entscheidungen und die Anwendung der Norm im konkreten Fall in ihrem Gleichheitsgrundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 GG verletzt. Außerdem liege laut der DFL auch eine Verletzung ihres Rechts auf effektiven Rechtsschutz gemäß Artikel 19 Absatz 4 GG vor. Begründet wird diese Ansicht damit, dass die Gerichte die Auswahlentscheidung der Bremer Behörden nicht auf Ermessensfehler überprüft hätten. Schließlich hätten die Behörden statt der DFL auch den Verein SV Werder Bremen als Veranstalter zur Gebührenzahlung heranziehen können.
Ausschreitungen auch in den Innenstädten
Die DFL sieht sich für die Kosten als nicht verantwortlich an und ist der Ansicht, dass die randalierenden Anhänger das Problem seien und nicht das veranstaltete Spiel als solches. Darüber hinaus sei es üblicherweise eine öffentliche Aufgabe, Gefahrensituationen polizeilich zu bewältigen. Schließlich werden für solche Einsätze (auch von der DFL) Steuern gezahlt.
Um separate Gebühren dafür erheben zu können, dass der Staat im Rahmen seiner Pflichten handelt, gebe es daher natürlich bestimmte Hürden. Wie bereits vom BVerwG ausgeführt, müsse zwischen der staatlichen Leistung und dem Gebührenschuldner eine besondere Verbindung bestehen, aufgrund derer ihm die Amtshandlung individuell zugerechnet werden könne. Die Zurechenbarkeit sei daher die Grundlage dafür, dass die Kosten nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern durch Gebühren finanziert würden.
Das BVerwG ordnete die Kosten für den Polizeieinsatz beim Hochrisikospiel zwischen Bremen und Hamburg der DFL zu, weil ein besonderer Aufwand vorgelegen habe, der durch die Veranstaltung eines Hochrisikospiel, das zudem auf Gewinn ausgerichtet ist, nach polizeilicher Lagebeurteilung erforderlich wurde. Der Senat führte in seiner damaligen Entscheidung außerdem aus, dass die DFL aus der polizeilichen Absicherung ihrer Veranstaltung einen wirtschaftlichen Vorteil ziehe, da sie als Veranstalterin für die Sicherheit der Veranstaltung verantwortlich sei. Daher sei es gerechtfertigt, der DFL auch die entsprechenden Kosten aufzuerlegen. Dies scheint zunächst plausibel, offenbart jedoch auch eine gewisse Lücke: Viele der Ausschreitungen, für die Polizeikräfte eingesetzt werden, finden nicht im Stadion oder dessen unmittelbarer Umgebung statt. So passieren Ausschreitungen auch häufig in beispielsweise den Innenstädten. Es erscheint zumindest fragwürdig, ob die DFL darauf angewiesen ist, dass die Polizei auch dort ihre Veranstaltung absichert, wie es vom BVerwG angenommen wird.
Vereine als Teil der Liga nicht selbst verantwortlich
Das BVerwG wies den Einwand der DFL zurück, den Heim-Verein SV Werder Bremen als Ausrichter zu berücksichtigen. Es betonte, die DFL sei Mitveranstalterin und Teil eines konzernähnlich strukturierten Ligaverbands, dem auch der Fußballverein SV Werder Bremen angehöre. Daher könne man erwarten, dass die DFL für einen angemessenen internen Ausgleich sorgt.
Der DFL nach sei der Gebührentatbestands außerdem zu unbestimmt, besonders da die Höhe der entstehenden Kosten sei nicht vorhersehbar. Dies wurde insbesondere vom VG Bremen diskutiert, das der DFL in erster Instanz Recht gab. Die Höhe der Gebühr wird nicht direkt durch das Gesetz festgelegt, sondern durch die Kostenverordnung des Landes Bremen. Dadurch sei für die Gebührenschuldnerin nicht klar, welche Kosten auf sie zukommen.
Losgelöst von allen juristischen Diskussionen schwingt noch die Frage der Gerechtigkeit mit – was auch das BVerwG betonte. Auf der einen Seite steht der mächtige Profifußball, der jährlich über fünf Milliarden Euro umsetzt, auf der anderen die Allgemeinheit, die letztendlich die Kosten trägt. Egal wie die juristische Entscheidung ausfällt – die Frage der Gerechtigkeit regt in solchen Fällen zum Nachdenken an.
agr