Die FIFA hat im Streit um Transferregelungen eine massive Niederlage einstecken müssen. Geklagt hatte der Ex-Profi Lassana Diarra. Ob das Urteil eine ähnliche Tragweite erreichen wird, wie einst das berühmte Bosman-Urteil, wird sich zeigen. Das Potenzial dazu hat es.
Im Streit um Transferregeln der FIFA für Fußballspieler hat der Verband vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Niederlage erlitten. Bestimmte Vorschriften verstoßen gegen EU-Recht, wie der EuGH nun entschied. Die vom EU-Recht gewährte Freizügigkeit der Spieler und der Wettbewerb zwischen den Vereinen würden laut EuGH durch die Regeln eingeschränkt (EuGH, Urteil vom 04.10.2024, Rechtssache C-650/22).
Diarra klagte gegen drastische FIFA-Regelungen
Der ehemaliger französische Fußballprofi Lassana Diarra klagte gegen erlassene Bestimmungen der FIFA und machte geltend, diese hätten seinerzeit seine Verpflichtung durch den belgischen Fußballverein Charleroi behindert. Die fraglichen Bestimmungen finden sich im „FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern“ (RSTS).
2013 hatte Diarra einen Vertrag bei Lokomotive Moskau unterschrieben. Diesen kündigte er jedoch nach nur einem Jahr einseitig. Dies tat er jedoch „ohne triftigen Grund“, wie später das Internationale Sportschiedsgericht (CAS) entschied. Der Plan Diarras, zum belgischen Klub Charleroi zu wechseln, scheiterte, da der Klub massive Sanktionen fürchtete.
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Die FIFA-Regelungen bestimmen nämlich u.a., dass wenn ein Verein der Ansicht ist, dass einer seiner Spieler seinen Arbeitsvertrag vorzeitig ohne „triftigen Grund“ aufgelöst hat, Spieler und jeder Verein, der ihn verpflichten möchte, gesamtschuldnerisch für die Zahlung einer Entschädigung an den ehemaligen Verein haften müssen. In Diarras Fall betrug die Entschädigungssumme über 10 Millionen Euro. Weitaus drastischer noch: Dem neuen Verein kann ein Verbot der Verpflichtung neuer Spieler für zwei Wechselperioden, also für ein ganzes Jahr drohen.
Dagegen klagte Diarra vor einem Gericht in Mons und erklärte, die drastischen Regelungen hätten einen Wechsel für ihn unmöglich gemacht. Das Gericht fragte daraufhin den EuGH, ob die Bestimmungen mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und dem Wettbewerbsrecht vereinbar seien.
EuGH nimmt FIFA-Regelungen auseinander
Beides bejahte der EuGH nun. Die FIFA-Regelungen schießen deutlich über das Ziel hinaus und belasten Spieler und Verein massiv.
So seien die fraglichen Bestimmungen geeignet, die Freizügigkeit von Profifußballern zu behindern, die zu einem neuen Verein in einem anderen Mitgliedstaat wechseln wollen. Diese Bestimmungen würden Spieler und die Vereine, die sie einstellen möchten, mit erheblichen rechtlichen, unvorhersehbaren und potenziell sehr großen finanziellen sowie ausgeprägten sportlichen Risiken belasten, so der EuGH. Dies verhindere im Ergebnis Transfers.
Zwar könnten manche Beschränkungen gerechtfertigt sein, um einen gewissen Grad an Beständigkeit in den Mannschaften zu gewährleisten. Im Fall Diarra jedoch würden die Bestimmungen gleich mehrfach über das hinauszugehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei.
Im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht urteilte der EuGH, dass die beanstandeten Bestimmungen den grenzüberschreitenden Wettbewerb beschränken bzw. gar verhindern könnten. Dies gelte vor allem dann, wenn Spieler, die bei einem anderen Verein unter Vertrag stehen oder denen vorgeworfen wird, ihren Vertrag ohne triftigen Grund aufgelöst zu haben, einseitig verpflichtet würden. Da der Wettbewerb um ausgebildete Spieler eine wesentliche Rolle im professionellen Fußball spiele, würden Bestimmungen, die dies allgemein beschränken, einem kartellrechtswidrigen Abwerbeverbot ähneln.
Nun ist es Aufgabe des belgischen Gerichts, dies im Falle Diarras abschließend zu klären.
Klar indes scheint, dass die FIFA ihre bestehenden Bestimmungen deutlich abändern muss. Schon einmal veränderte der EuGH den Weltfußball. Mit seinem historischen Bosman-Urteil durften nach Vertragsende keine Ablösesummen mehr von den Profis verlangt werden. Ob nach dem neuen Urteil Spieler künftig wechseln dürfen, wann immer sie wollen, bleibt indes zunächst abzuwarten.
tsp