Der BGH hat einem Abmahnanwalt Reisekosten für die Fahrt zu einem weit entfernt liegenden Gericht zugesprochen. Die Richter sahen keine Anzeichen für Missbrauch und beriefen sich dabei auf die umstrittene Figur des fliegenden Gerichtsstandes. Trotzdem sollten sich Abmahnanwälte nicht zu früh freuen.
Vorliegend war ein Tauschbörsennutzer von einem Rechteinhaber aus Großbritannien abgemahnt und dann verklagt worden. Obwohl der Abgemahnte in Mecklenburg-Vorpommern wohnte, verklagte ihn der Abmahnanwalt aus Kiel vor dem Amtsgericht München. Nachdem die Parteien einen Vergleich geschlossen hatten, machte der Anwalt im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens die Reisekosten für die Fahrt nach München in Höhe von über 250 Euro geltend.
Sowohl das Amtsgericht München als auch das im Weg der Beschwerde angerufene Landgericht München lehnten die Kostenerstattung mangels Erstattungsfähigkeit ab (vgl. Beschluss des Landgerichtes München vom 22.03.2013 (Az.: 13 T 20183/12). Dabei verwies das Landgericht München darauf, dass der Rechteinhaber zwar grundsätzlich als Kläger ein Wahlrecht bezüglich des örtlichen Gerichtes hat. Dies ergebe sich in Filesharing-Verfahren aus der Rechtsfigur des „fliegenden Gerichtsstandes“ (vgl. § 35 ZPO). Gleichwohl dürfe sich der Abmahnanwalt hierauf nicht berufen, weil die Wahl eines weit entfernten Gerichtsstandes aus prozesstaktischen Gründen rechtsmissbräuchlich sei. Hiergegen legte jedoch der Kläger Rechtsbeschwerde vor dem BGH ein und bekam Recht.
Wahl eines Gerichtes aus prozesstaktischen Gründen ist kein Rechtsmissbrauch
Der Bundesgerichtshof entschied mit Beschluss vom 12.09.2013 (Az. I ZB 39/13), dass die Wahl eines weit entfernten Gerichtes durch den Kläger selbst dann keinen Rechtsmissbrauch darstellen muss, wenn dies lediglich aus prozesstaktischen Gründen geschieht (etwa wegen besserer Erfolgsaussichten). Diese Befugnis ergebe sich aus der Rechtsfigur des fliegenden Gerichtsstandes.
Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes für Neufälle
Diese in unseren Augen bedenkliche Entscheidung gilt allerdings nur für Filesharing-Verfahren, die vor Inkrafttreten des „Anti-Abzock-Gesetzes“ am 09.10.2013 rechtshängig geworden sind. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Wahl des örtlichen Gerichtes wegen Urheberrechtsverletzungen durch die Regelung des § 104a UrhG erheblich eingeschränkt. Hiernach muss in Urheberrechtsstreitigkeiten normalerweise die Klage am Ort des Beklagten eingereicht werden.