Zum Thema Filesharing hat das Landgericht Köln am 20.10.2008 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).

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Konkret hat das Landgericht Köln folgendes entschieden:

Der Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

G r ü n d e :

I.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 15.10.2007 hat die Antragstellerin, eines der führenden deutschen Tonträgerunternehmen, unter Berufung auf Exklusivverträge mit einer Vielzahl namhafter Künstler bei der Staatsanwaltschaft Köln Strafantrag gegen eine Vielzahl unbekannter Personen wegen unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in sogenannten Tauschbörsen sowie wegen aller sonstigen rechtlichen Gesichtspunkte gestellt.

In der Anzeige heißt es, die Anzeigenerstatterin habe in Erfahrung gebracht, dass die noch unbekannten Tatverdächtigen im Zeitraum

vom: 11.10.2007 07:15:07 (MESZ)

bis: 15.10.2007 01:59:45 (MESZ)

eine Vielzahl von Werken der Anzeigenerstatterin über die Tauschbörse M einer unbeschränkten Anzahl dritter Personen zum Herunterladen (Download) über das Internet bereitgestellt haben.

Mit der Anzeige verfolgt die Antragstellerin das Ziel, dass die Staatsanwaltschaft durch Anfragen beim Provider klärt, von welchem konkreten Festnetzanschluss die (dynamische) IP-Adresse verwendet wurde und ihr das Ergebnis offenlegt. Gegen den Anschlussinhaber möchte sie sodann zivilrechtlich vorgehen.

Die Staatsanwaltschaft Köln hat auf die Anzeige hin verschiedene Provider um Übermittlung der Nutzerdaten zu den übermittelten IP-Adresse und sonstigen Daten gebeten und Namen und Anschrift der Inhaber erhalten, von deren Festnetzanschluss aus die fraglichen Zugriff stattgefunden haben (sollen). Anschließend hat die Staatsanwaltschaft Köln ein Einzelverfahren eingeleitet und das Verfahren nach § 170 II StPO eingestellt.

Mit Anwaltsschrift hat die Anzeigenerstatterin Akteneinsicht beantragt. Die Staatsanwaltschaft Köln hat keine Akteneinsicht gewährt, sondern den Antrag dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

In der Sache kann das Begehren der Antragstellerin auf Akteneinsicht keinen Erfolg haben.

Nach § 406e I StPO kann der Verletzte einer Straftat über einen Rechtsanwalt Einsicht in die Strafakten nehmen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein berechtigtes Interesse besteht insbesondere, wenn die Akteneinsicht der Prüfung der Frage dient, ob gegen den Beschuldigten bürgerlich-rechtliche Ansprüche geltend gemacht werden können. Grundsätzlich muss das Interesse „dargelegt“ werden. Einer Glaubhaftmachung bedarf es hingegen nicht. Sofern der Verletzte nach § 395 StPO berechtigt ist, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen – so wie vorliegend die Antragstellerin -, bedarf es der Darlegung eines berechtigten Interesses nicht – auch nicht im Vorverfahren (Meyer-Goßner § 406a Rn. 3). Gleichwohl ist die Akteneinsicht auch in dem zuletzt genannten Fall nach § 406e II 1 StPO zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. Das Abwägungsgebot des § 406e II StPO gilt auch für Nebenklageberechtigte (Meyer-Goßner § 406e Rn 6); letztere sind nach der eindeutigen gesetzlichen Anordnung gegenüber sonstigen Verletzten lediglich insoweit privilegiert, als ihr berechtigtes Interesse zunächst einmal auch ohne nähere Darlegung vermutet wird.

Bei der nach § 406e II StPO gebotenen Interessenabwägung stehen jedenfalls derzeit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten bzw. Dritter der Gewährung von Akteneinsicht entgegen. Insoweit schließt sich die Kammer den Entscheidungen des Landgerichts München vom 12.3.2008 (5 Qs 19/08) sowie des Landgerichts Saarbrücken vom 28.1.2008 (5 (3) Qs 349/07) an. Insbesondere die Erwägungen des Landgerichts München hält die Kammer für stichhaltig; sie sind nach hiesiger Einschätzung auch nicht auf die Fallkonstellation beschränkt, dass das eingestellte „Tauschobjekt“ ein pornographisches Werk ist.

Die Offenlegung der Identität des von der Staatsanwaltschaft ermittelten Anschlussinhabers würde in dessen Persönlichkeitsrechte und ggfls. in die Persönlichkeitsrechte aller Mitbenutzer des Anschlusses/Rechners eingreifen. Insbesondere der Anschlussinhaber muss damit rechnen, in einem standardisierten Verfahren mit zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen konfrontiert zu werden. Auch sofern er – etwa um die Auseinandersetzung rasch zu beenden – eine entsprechende Unterlassungserklärung abgibt, muss er davon ausgehen, auf Zahlung von anwaltlichen Abmahnkosten in Anspruch genommen zu werden. Kostenvolumina von ca. 500 EUR sind nach der Erfahrung der Kammer insoweit realistisch.

Diesen absehbaren Folgen einer Akteneinsicht stehen Interessen der Antragstellerin gegenüber, deren Berechtigung bei näherer Prüfung aus folgenden Gründen ein geringeres Gewicht beizumessen ist.

Die von der Antragstellerin mitgeteilten Tatsachen begründen von Anfang an nur einen sehr vagen Anfangsverdacht gegen den zu ermittelnden Inhaber des Festnetzanschlusses, von dem aus ein geschütztes Werk – oder ein Bruchstück hiervon – „downgeloadet“ und sogleich – praktisch zeitgleich – zum „Upload“ angeboten worden sein soll. Deshalb ist auch die Berechtigung zivilrechtlicher Ansprüche, auf die es der Antragstellerin ankommt, und von deren Begründetheit sie ohne weiteres ausgeht, grundsätzlich kritisch zu sehen. Die Ursachen hierfür liegen aus Sicht der Kammer vor allem in den wenig transparenten technischen Abläufen begründet, die den illegalen Tausch urheberrechtlich geschützter Werke – aber auch den Maßnahmen der Rechteinhaber zur Feststellung der Täter zugrunde liegen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass Rechteinhaber gegenüber Tauschbörsen sehr vulnerabel sind und die Anzahl der Rechtsverletzungen sicher in der Summe auch hoch ist. Leider ist die Zuordnung konkreter Verstöße zu konkreten Personen besonders schwierig und zeichnet sich durch eine extrem unbefriedigende Intransparenz der Geschehensabläufe aus.

Bereits die Zuverlässigkeit der Ermittlung der dynamischen IP-Adressen, unter denen die Urheberrechtsverletzungen begangen worden sein sollen, stellt sich der Kammer als kaum evaluierbar dar. Ausgangspunkt der Probleme ist die eine Zuordnung extrem erschwerende Internetpraxis, dass die IP-Adresse einem bestimmten Provider zugeordnet ist und dieser sie „dynamisch“ – also bei jeder Internetanwahl eines seiner Klienten aufs neue – vergibt. Dadurch ist die IP-Adresse nicht einem bestimmten Nutzer zugeordnet, sondern wird nacheinander einer unüberschaubaren Vielzahl von Nutzern – jeweils vorübergehend – zugeordnet. Die Zuordnung zu einem konkreten Festnetzanschluss hängt demzufolge davon ab, den genauen Zeitpunkt der Einwahl ins System (login) und die Dauer der Sitzung zuverlässig zu ermitteln.

Auf welche Weise die Antragstellerin vorliegend die Verbindung zwischen einer konkreten IP-Adresse, einen genauen Zeitpunkt und dem „Hashwert“ eines ihrer Werke hergestellt hat, lässt sich ihrer Anzeige und auch allen weiteren Schriftsätzen nicht entnehmen. In der Anzeige heißt es lediglich, die Antragstellerin habe es „in Erfahrung“ gebracht. Diese Angabe ist dünn und wird durch das Konvolut von „Tatnachweisen“ auch nicht wesentlich aufgewertet. Der einzelne Tatnachweis – in einer PDF-Datei übermittelt – enthält bei nüchterner Betrachtung nicht viel mehr als die Behauptung, zu einer bestimmten sekundengenau definierten Zeit habe jemand unter einer konkreten IP-Adresse eine Datei mit einem bestimmten Hashwert angefordert beziehungsweise downgeloadet. Wie lange der Vorgang lief und ob und in welchem Umfang tatsächlich Daten geflossen sind, kann der „Tatnachweis“ nicht vermitteln. Das technische Verfahren zur Gewinnung der übermittelten Informationen und die konkreten natürlichen Personen, die für diese Angaben ggfls. als Belastungszeugen gerade stehen könnten, sind nicht nachvollziehbar dargelegt.

Die Kammer zweifelt nicht daran, dass die Anzeigenerstatterin nach bestem Wissen und Gewissen ihre Erkenntnisse vortragen möchte. Deren Verlässlichkeit kann das Gericht aber nicht abschätzen. Dass die Zuverlässigkeit der ausgespähten IP-Adressen nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, ergibt sich aus den Angaben der Staatsanwaltschaft Köln in anderen Ermittlungsverfahren. Dort teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass sie schon öfter offensichtliche Mängel bei der IP-Adressen-Auflösung beobachtet habe. So habe sie beispielsweise zunehmend beobachtet, dass bei der Abfrage von IP-Adressen, die Anzeigenerstatter als ermittelt mitgeteilt hätten, Provider rückgemeldet hätten, dass zu dem betreffenden Zeitpunkt zu der konkreten IP-Adresse keine Session gefunden werden könne; dies könne – so folgert die Staatsanwaltschaft zu Recht – nur bedeuten, dass unter den zur Anzeige gebrachten angeblichen Taten auch solche waren, die es nicht gegeben habe. Dies habe man nur zufällig aufdecken können, weil die angeblich benutzte IP-Adresse zum betreffenden Zeitpunkt überhaupt nicht in Benutzung gewesen sei. Ob und wie oft eine mitgeteilte IP-Adresse zur Tatzeit von einem Unbeteiligten anderweitig genutzt worden sei, lasse sich nicht mit Sicherheit sagen; man könne insoweit nur Vermutungen anstellen. Derartige Fehlverknüpfungen sind nach der Erfahrung der Staatsanwaltschaft auch kein seltenes oder vereinzeltes Phänomen. Bei einigen Verfahren habe – so die Staatsanwaltschaft – die Quote der definitiv nicht zuzuordnenden IP-Adressen deutlich über 50% aller angezeigten Fälle gelegen, bei einem besonders eklatanten Anzeigenbeispiel habe die Fehlerquote sogar über 90% betragen. Erklärlich erscheinen solche Zuordnungsprobleme der Kammer etwa durch Schwierigkeiten bei der Zeitnahme – sowohl beim ermittelnden Unternehmen als auch beim Provider.

Auch die Verlässlichkeit der Hashwerte, die nach den Beobachtungen der Staatsanwaltschaft Köln manipuliert werden können und gelegentlich – von Hackern – manipuliert werden, um den Betrieb der Tauschbörse zu stören, ist nicht hundertprozentig gewährleistet. Daraus ergibt sich eine weitere, quantitativ schwer einzuordnende Unsicherheit in der Zuordnung eines bestimmten Festnetzanschluss zu einem bestimmten Werk-Download bzw -Upload.

Hinzu kommt, dass der Anschlussinhaber auch bei fehlerfreier Ausspähung der IP-Adresse grundsätzlich nur als möglicher Täter in Betracht kommt, keinesfalls aber allein durch den Zugriff „seiner“ IP-Adresse auf ein digitales Werk bzw. des Anbietens eines Werks hierüber bereits überführt werden könnte. Neben der Existenz von „Mitnutzern“ innerhalb der Familie oder Wohngemeinschaft ist stets auch eine missbräuchliche Benutzung des Anschlusses/Rechners durch externe Dritte – etwa durch die anonyme Einschleusung von versteckt arbeitenden Programmen auf den Computer des Anschlussinhabers oder durch unbefugte Einwahl externer Personen in Funknetze – als eine realistische Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Es muss generell bezweifelt werden, dass die Mehrheit der privaten Internetnutzer auf ihren Rechnern die erforderlichen technischen Abwehrsysteme installiert hat beziehungsweise die technischen Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt, den eigenen Rechner in angemessener Weise zu schützen. Die Folgerung, der illegale Tauschvorgang müsse zwangsläufig von jemandem aus dem Haushalt des Anschlussinhabers an dessen Rechner vorsätzlich ausgelöst worden sein – wofür der Anschlussinhaber verantwortlich gemacht werden könne – , ist nicht zwingend.

Dies alles macht es rechtlich zweifelhaft, aus einer vereinzelten Verknüpfung zwischen einer bestimmten IP-Adresse und dem Hashwert eines einzelnen geschützten Werks eine (zivilrechtliche) Störerhaftung eines konkreten Anschlussinhabers herleiten zu wollen, solange nicht weitere Faktoren hinzutreten – wie etwa der Umstand, dass erkennbar erhebliche Datenmengen zum Upload angeboten wurden – oder zusätzliche Ermittlungsergebnisse (beispielsweise über Vortaten) vorliegen, die ein zufälliges, singuläres „Hineingeraten“ eines technisch nicht versierten Internetnutzers in eine Tauschbörse, bei der der Vorsatz für die Begehung eines urheberrechtlichen Verstoßes nicht angenommen werden könnte, unwahrscheinlich erscheinen lassen. Dies dürfte aus Sicht der Kammer auch einer der Gründe für die Entscheidung der Generalstaatsanwälte von Düsseldorf, Hamm und Köln sein, die Ermittlung von Verstößen nach §§ 106, 108 UrhG davon abhängig zu machen, dass Anzeichen für Urheberrechtsverletzungen im „gewerblichen Ausmaß“ vorliegen mit Werten der angebotenen Werke ab 3.000 EUR aufwärts. Tauschaktionen in geringerem Umfang, die vielleicht auch noch abgebrochen wurden – was die von der Antragstellerin ermittelten Daten nicht erkennbar machen -, würden den Nachweis ungewiss machen, dass der Täter das erforderliche technische Wissen und Bewusstsein hatte, bereits beim Download-Vorgang selbst die Daten (partiell) weiter „anzubieten“ – was für die Annahme einer vorsätzlichen Urheberrechtsverletzung wesentlich wäre.

Die geschilderten Schwächen des Tatverdachts gegen die ermittelten Anschlussinhaber, denen jeweils nur wenige Tauschzugriffe in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum zugeordnet werden könnten, sprechen aus Sicht der Kammer erheblich gegen die Gewährung von Akteneinsicht. Die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Abwägung ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden. Daran kann die generell sehr schwierige Beweislage, in der auch seriöse Anbieter wie die Antragstellerin sich durch die technischen Eigenheiten des Internets befinden, letztlich nichts ändern. Die von § 406e II StPO verlangte Interessenabwägung muss die individuellen Rechtsgüter der betroffenen Personen zueinander in Beziehung setzen. Der Gedanke, dass die Rechteinhaber derzeit nur wenig gute Möglichkeiten haben, sich gegen illegale Tauschaktion nachhaltig zu schützen, kann nicht dazu führen, eine Abmahnungspraxis, die ihrerseits Bedenken begegnet, allein deshalb aufzuwerten, weil eine bessere Eingrenzung der verfolgungswürdigen Personen, beispielsweise auf gewerbliche und multiple Rechtsbrecher, derzeit technisch schwierig ist. Dies gilt umso mehr, als die gemeinhin reklamierten „Millionenschäden“ durch Tauschbörsen zumeist auf der hypothetischen Annahme beruhen, die getauschten Dateien würden bei Unterbindung des Datentausches käuflich erworben. Dies dürfte indes aus wirtschaftlichen Gründen wenig realistisch sein. Vielmehr ist anzunehmen, dass durch den kostenlosen Tausch von urheberrechtlich geschützten Werken ein „Konsum“ generiert wird, der unter kommerziellen Bedingungen ansonsten schlicht unterbleiben würde.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus §§ 406e IV 2, 161a III 3, 464, 473 I StPO.