Zum Thema Filesharing hat das Landgericht Köln am 30.04.2009 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).
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Konkret hat das Landgericht Köln folgendes entschieden:
1) Auf den Antrag vom 14.04.2009 wird der Beteiligten gestattet, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG Auskunft zu erteilen über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die in der
Anlage ASt 1
aufgeführten IP-Adressen im Hinblick auf die Filme A, B, C, D, „E zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren.
2) Der Antrag, der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG Auskunft zu erteilen über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die in der
Anlage ASt 1
im Hinblick auf die Filme „F, „G“ aufgeführten IP-Adressen mit den lfd. Nrn. 1, 2, 3, 10, 16, 18, 19, 26, 29, 30, 33, 37, 38, 39, 47, 52, 60, 78, 83, 84, 87, 82, 94, 106, 108, 110 und 113 zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren, wird abgelehnt.
3) Eine Entscheidung über die Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 15.04.2009 erfolgt nach Rechtskraft dieses Beschlusses.
4) Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
G r ü n d e:
1) Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Köln gem. §§ 101 Abs. 9 S. 2 i.V.m. 105 Abs. 2 UrhG zuständig.
2) Der Antrag ist auch teilweise begründet. Die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG liegen insoweit vor.
Die Kammer sieht dabei von weiteren Ermittlungen ab, da nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 101 Abs. 9 UrhG auszugehen ist und im Rahmen weiterer Ermittlungen (§ 12 FGG) nichts Sachdienliches mehr zu erwarten ist (vgl. Bumiller/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 8. Aufl., § 12 Rn. 42 f). Im Einzelnen gilt Folgendes:
Die Antragstellerseite ist aktivlegitimiert, weil sie Inhaberin des Urheberrechts bzw. eines anderen nach dem UrhG geschützten Rechts an dem Werk
A, B, C, D, E
ist.
Durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen des geschützten Werks zu den aus der Anlage ersichtlichen Zeitpunkten über eine sog. Tauschbörse liegt zudem eine Rechtsverletzung i.S.v. § 19a UrhG vor. Diese Verletzung geschah des weiteren in gewerblichem Ausmaß gem. § 101 Abs. 1 S. 1, 2 UrhG. Dass auch für die Rechtsverletzung ein gewerbliches Ausmaß zu fordern ist, folgt in systematisch-teleologischer Hinsicht aus dem Umstand, dass § 101 Abs. 2 UrhG der Durchsetzung des Anspruchs aus § 101 Abs. 1 UrhG dient und in Anknüpfung an dessen Voraussetzungen den Kreis der zur Auskunft Verpflichteten erweitert („unbeschadet von Abs. 1 auch“). Hierfür spricht auch die Gesetzesgenese (vgl. Erwägungsgrund 14 der RiLi 2004/48 EG v. 29.04.2004, Abl. L 195/16 v. 02.06.2004; Referentenentwurf „Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums“ v. 03.01.06, S. 78, zu § 140b PatG nF; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 16/5048, S. 49 zu der Fassung „im geschäftlichen Verkehr“; ebenso: OLG Köln, Beschl. v. 21.10.2008 – 6 Wx 2/08).
Das gewerbliche Ausmaß ergibt sich vorliegend aus der Schwere der Rechtsverletzung, da eine umfangreiche Datei in Form eines Films unmittelbar nach Veröffentlichung in Deutschland öffentlich zugänglich gemacht wurde (vgl. zu diesen Erwägungen auch die Beschlussempfehlung, BT-Drs. 16/8783, S. 57, 63). Die Regelung des § 101 Abs. 1 S. 2 UrhG verdeutlicht dabei den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, für die Bestimmung des „gewerblichen Ausmaßes“ im Einzelfall neben der Anzahl zuzuordnender Rechtsverletzungen auch die Auswirkungen einer einzelnen Verletzungshandlung auf den Rechteinhaber zu berücksichtigen.
Die Rechtsverletzung erfolgte zudem „offensichtlich“ im Sinne von § 101 Abs. 2, 7 UrhG. Offensichtlich ist eine Rechtsverletzung dann, wenn – wie vorliegend – eine ungerechtfertigte Belastung des Dritten ausgeschlossen erscheint, wobei Zweifel in tatsächlicher, aber auch in rechtlicher Hinsicht die Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung ausschließen würden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drs. 16/5048, S. 39).
Die Beteiligte ist für die begehrte Auskunft zudem passivlegitimiert gem. § 101 Abs. 2 UrhG. Sie erbringt als sog. Accessprovider in gewerblichem Ausmaß Dienstleistungen, welche für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzt wurden. Dass die streitgegenständlichen IP-Adressen der Beteiligten zuzuordnen sind, ergibt sich aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung. Eine Berechtigung zur Zeugnisverweigerung ist nicht ersichtlich. Weder die Auskunftserteilung noch die hier getroffene Anordnung erscheinen der Kammer als unverhältnismäßig, § 101 Abs. 4 UrhG.
Die Beteiligte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
3) Im Übrigen ist der Antrag jedoch unbegründet.
Zwar liegt durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen zu den aus der Anlage zum Antrag ersichtlichen Zeitpunkten über eine sog. Tauschbörse auch eine Rechtsverletzung i.S.v. § 19a UrhG an den Filmen
„F“ und „G“
vor.
Diese Verletzung geschah jedoch nicht „in gewerblichem Ausmaß“ gem. § 101 Abs. 1 S. 1, 2 UrhG.
Das gewerbliche Ausmaß ergibt sich vorliegend weder aus der Schwere noch aus der Anzahl der Rechtsverletzungen.
Dafür, dass eine Vielzahl von Rechtsverletzungen durch eine einzelne Person begangen wurde, ist nichts ersichtlich.
Ebenso wenig liegt eine „schwere“ Rechtsverletzung im Sinne von § 101 Abs. 1 S. 2 UrhG vor.
Die Regelung des § 101 Abs. 1 S. 2 UrhG verdeutlicht dabei – wie bereits ausgeführt – den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, für die Bestimmung des „gewerblichen Ausmaßes“ im Einzelfall neben der Anzahl zuzuordnender Rechtsverletzungen auch die Auswirkungen einer einzelnen Verletzungshandlung auf den Rechteinhaber zu berücksichtigen. Hiernach soll ein „schwere“ Rechtsverletzung beispielsweise dann vorliegen, wenn eine besonders umfangreiche Datei wie ein vollständiger Kinofilm, ein Musikalbum oder ein Hörbuch unmittelbar vor oder nach Veröffentlichung in Deutschland öffentlich zugänglich gemacht wurde (vgl. zu diesen Erwägungen die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags, BT-Drs. 16/8783, S. 57, 63). Denn innerhalb dieser besonders marktrelevanten Phase wird das Interesse des Rechteinhabers an der ungestörten kommerziellen Verwertung der ihm zustehenden Rechte durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen offensichtlich massiv geschädigt (vgl. insoweit auch OLG Köln, Beschl. v. 09.02.2009 – 6 W 182/08: „relevante Verkaufs- bzw. Verwertungsphase“). Zugleich macht diese beispielhafte Aufzählung jedoch deutlich, dass lediglich eine qualifizierte Rechtsverletzung von erheblicher Bedeutung ein „gewerbliches Ausmaß“ im Sinne von § 101 Abs. 9 UrhG annehmen kann.
Nach Auffassung der Kammer genügt das öffentliche Zugänglichmachen eines urheberrechtlich geschützten Werkes durch sog. „file-sharing“ für die Feststellung einer Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß allein noch nicht. Zwar ist keine wirtschaftliche Betätigung des Verletzers mit Gewinnerzielungsabsicht nach herkömmlichem handelsrechtlichem Verständnis zu fordern. Denn der im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch enthaltene und eine solche Lesart nahelegende engere Begriff des Handelns „im geschäftlichen Verkehr“ (vgl. BT-Drs. 16/5048, S. 49, 44) wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens bewusst fallengelassen (vgl. insoweit die Stellungnahme der CDU/CSU-Fraktion zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags, BT-Drs. 16/8783, S. 57; OLG Köln, Beschl. v. 09.02.2009 – 6 W 182/08). Allein durch die Wahl einer „Tauschbörse“ wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass es sich um eine in gutem Glauben vorgenommene Handlung eines Endverbrauchers (vgl. insoweit Erwägungsgrund 14 der RiLi 2004/48 EG v. 29.04.2004, Abl. L 195/16 v. 02.06.2004) handelt (ebenso: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.10.2008 – 3 W 184/08; a. A. wohl: LG Oldenburg, MMR 2008, 832; vgl. insoweit auch die Kritik des Rechtsausschusses des Bundesrates gegenüber der Gesetzesfassung bei BR-Drs. 279/1/08, S. 3 f.; die entsprechende Empfehlung wurde durch den Bundesrat hingegen nicht beschlossen, BR-Drs. 279/08).
Zu berücksichtigen ist dabei zudem, dass im Rahmen der begehrten Drittauskunft eine „offensichtliche“ Rechtsverletzung gem. § 101 Abs. 2, 7 UrhG gegeben sein muss. Offensichtlich ist eine Rechtsverletzung jedoch nur dann, wenn eine ungerechtfertigte Belastung des Dritten ausgeschlossen erscheint, wobei Zweifel in tatsächlicher, aber auch in rechtlicher Hinsicht die Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung ausschließen würden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drs. 16/5048, S. 39). Nach Auffassung der Kammer schließt dies eine Auskunft bzw. eine Gestattung nach § 101 Abs. 9 UrhG auch dann aus, wenn Zweifel an dem Vorliegen einer Rechtsverletzung „im gewerblichen Ausmaß“ bestehen. Denn der mit dem Merkmal der „Offensichtlichkeit“ bezweckte Schutz der hinter der IP-Adresse stehenden Person (vgl. insoweit auch OLG Köln, Beschl. v. 21.10.2008 – 6 Wx 2/08) verlangt auch eine eindeutige Feststellung einer von § 101 Abs. 1 UrhG geforderten qualifizierten Rechtsverletzung.
Ob eine Rechtsverletzung ein „gewerbliches Ausmaß“ erreicht, ist anhand einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Als Indiz ist insoweit u. a., wie die Gesetzesentstehung – wenn auch nicht in abschließender Aufzählung – nahe legt, die zeitliche Nähe der Rechtsverletzung zum Veröffentlichungszeitpunkt des Werks in Deutschland heranzuziehen. Die Kammer geht davon aus, dass ein „unmittelbarer“ Zusammenhang nach Ablauf von 6 Monaten seit dem Veröffentlichungszeitpunkt in der Regel nicht mehr gegeben sein wird, wenngleich sich bei dieser Beurteilung eine starre zeitliche Frist verbietet. Zu berücksichtigen ist bei der Gesamtwürdigung auch, ob das Interesse an dem streitgegenständlichen Werk aufgrund der Eigenart der Vermarktung des Produkts bzw. der jeweiligen Unterhaltungsbranche nur vorübergehender Natur ist (OLG Köln, Beschl. v. 09.02.2009 – 6 W 182/08 zur „Zeitlosigkeit“ klassischer Musik). Des Weiteren sind der Umfang (vgl. BT-Drs. 16/8783, S. 63: besonders umfangreiche Datei wie bspw. ein vollständiger Kinofilm) sowie auch der kommerzielle Erfolg des Werks zu berücksichtigen. Die Kammer sieht insoweit auch in der Platzierung des Werks in einschlägigen Verkaufscharts einen belastbaren Anhaltspunkt für die Frage, ob der Rechteinhaber aktuell Verwertungshandlungen in nennenswertem Umfang vornimmt. Diesbezüglich ist auch der Umstand, dass das Werk nach wie vor zu einem üblichen Verkaufspreis und nicht zu einem Auslaufpreis auf dem Markt angeboten wird, von Bedeutung (OLG Köln, Beschl. v. 09.02.2009 – 6 W 182/08). Schließlich kann auch die Anzahl der von der Antragstellerseite dargelegten Rechtsverletzungen darauf hindeuten, dass das Werk nach wie vor in besonderem Maße nachgefragt wird.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sieht die Kammer vorliegend keine hinreichenden Indizien für eine Rechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß:
Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Antragstellerseite nach wie vor Auswertungshandlungen an dem urheberrechtlich geschützten Werk vornimmt. Das Veröffentlichungsdatum der Filme lag im Zeitpunkt der Verletzungshandlungen jedoch bereits länger als 6 Monate zurück. Aus der von der Antragstellerin als Anlage ASt 7 vorgelegten Stellungnahme des X Erotik e.V. ergibt sich demgegenüber, dass die „heiße Verkaufsphase“ bei Neuheiten nur etwa 6 Monate beträgt. Ob es sich bei den Filmen trotzdem um kommerziell nach wie vor besonders erfolgreiche oder beliebte Werke handelt, ist für die Kammer mit den ihr zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten nicht erkennbar. Auch die Anzahl der von der Antragstellerin dargelegten Rechtsverletzungen hat keinen derart erheblichen Umfang, dass sich hieraus eine besonders große Nachfrage der Filme ableiten ließe.
Die hiernach verbleibenden Zweifel am Vorliegen einer Rechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß gehen zu Lasten der Antragstellerseite. Sie ist für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 101 Abs. 9 UrhG – ungeachtet des hier geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes – materiell beweisbelastet. Die Regeln über die materielle Beweislast gelten auch für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (BayObLG, NJW 1963, 158 ff.; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 12 Anm. 212 ff.).
4) Die Kostenentscheidung folgt aus § 101 Abs. 9 S. 5 UrhG.