Zum Thema Filesharing hat das Oberlandesgericht Köln am 21.10.2008 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).

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Konkret hat das Oberlandesgericht Köln folgendes entschieden:

1.) Der Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2.9.2008 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens und zur endgültigen Entscheidung über den Gestattungsantrag an das Landgericht zurückverwiesen.

2.) Der weiteren Beteiligten und Beschwerdeführerin wird es bis zum Abschluss des Verfahrens untersagt, die Daten zu löschen, aus denen sich ergibt, welchen Kunden unter welcher Anschrift die in Anlage ASt 8 genannten IP-Adressen zu den dort genannten Zeitpunkten zugeordnet waren.

3.) Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Parteien jeweils selbst. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

4.) Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 1.500 EUR.

G R Ü N D E

I.

Die Antragstellerin ist nach ihrem Vortrag Inhaberin des Rechts, den Tonträger „H“ des Künstlers P.M. über dezentrale Computernetzwerke auszuwerten und in solchen öffentlich zugänglich zu machen.

Die Beschwerdeführerin ist ein Internet-Provider. Sie vergibt an ihre Kunden für die Nutzung des Internets IP-Adressen, die bei jedem neuen Zugang zum Internet, spätestens aber nach Ablauf von 24 Stunden neu vergeben werden (sog. dynamische IP-Adressen).

Die Antragstellerin trägt vor, sie habe festgestellt, dass das Werk „H“ als Teil der Musikalben „T“ des Künstlers P.M. oder des Kopplungstonträgers „U“ von IP-Adressen aus, die die Beschwerdeführerin vergeben habe, in sog. Internet-Tauschbörsen angeboten worden sei.

Die Antragstellerin hat beim Landgericht Köln sinngemäß beantragt, der Beschwerdeführerin zu gestatten, ihr Auskunft über Namen und Anschriften der Kunden zu erteilen, denen zu den aus Anlage ASt 8 ersichtlichen Zeitpunkten die ebenfalls dort aufgeführten IP-Adressen zugewiesen waren. Das Landgericht hat ohne Anhörung der Beschwerdeführerin am 2.9.2008 eine einstweilige Anordnung erlassen, mit der es dem Antrag vollinhaltlich stattgegeben und die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt hat. Gegen diesen Beschluss hat die Beschwerdeführerin „sofortige Beschwerde“ eingelegt, mit der sie begehrt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Die Beschwerde ist statthaft.

Dies folgt allerdings nicht aus § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG. Dieser eröffnet die sofortige Beschwerde gegen eine Anordnung, mit der die Zulässigkeit der Datenübermittlung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG ausgesprochen wird. Diese Anordnung schließt das Verfahren vor dem Landgericht ab. Eine solche Entscheidung stellt der angefochtene Beschluss nicht dar. Mit diesem hat das Landgericht lediglich vorläufig über die Anordnung entschieden, indem es, wie es im Rubrum formuliert hat, in einem „einstweiligen Anordnungsverfahren“ entschieden und lediglich eine „einstweilige Anordnung“ erlassen hat. Dass es sich lediglich um eine vorläufige Entscheidung handelt, zeigt sich auch in der Begründung der Entscheidung. Dort hat das Landgericht ausgeführt, die Zulässigkeit „einstweiliger oder vorläufiger Anordnungen“ sei auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anerkannt. Die Praxis der weiteren Beteiligten, die Verkehrsdaten ihrer Kunden nach sieben Tagen zu löschen, mache die Sache eilbedürftig; daher könne davon abgesehen werden, der weiteren Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Das macht die Anordnung objektiv – und das ist für die Frage des Rechtsbehelfs entscheidend – zu einer bloßen Interimsbestimmung. Angesichts dessen, dass mit der nach § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG statthaften sofortigen Beschwerde neues tatsächliches Vorbringen nicht zugelassen ist (Satz 7), würden zudem sonst die Rechte der weiteren Beteiligten unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG beschnitten.

Die Statthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich nach alledem aus den allgemeinen Grundsätzen des FGG-Verfahrens (vgl. Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl., § 19 Rdn. 8).

b) Die Beschwerdeführerin ist beschwerdebefugt; insbesondere fehlt es ihr nicht an der erforderlichen Beschwer.

aa) Es fehlt nicht deshalb an einer Beschwer der Beschwerdeführerin, weil ihr mit der Anordnung lediglich die Datenübermittlung gestattet würde, die bloße Erlaubnis eines Handelns die Beschwerdeführerin aber nicht in ihren Rechten verletzen könnte.

Die Gestattung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG schafft die datenschutzrechtliche Grundlage dafür, dass die Beschwerdeführerin berechtigt ist, die von der Antragstellerin begehrten Daten nicht zu löschen. Dass § 101 Abs. 9 UrhG nach dem Willen des Gesetzgebers auch eine datenschutzrechtliche Erlaubnis enthält, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift § 140b PatG (BT-Drucks. 16/5048, S. 40). § 140b Abs. 9 Satz 9 PatG und der gleichlautende 101 Abs. 9 Satz 9 UrhG sollen danach klarstellen, dass die einschlägigen Datenschutzregelungen nur außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften uneingeschränkt gelten. Zugleich bewirkt die Gestattung, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr sanktionslos die Daten löschen kann, weil sie sich in diesem Fall nach §§ 280 I, 281 BGB i.V.m. § 101 Abs. 2 UrhG schadensersatzpflichtig machen würde. Dadurch ist die Beschwerdeführerin im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG in ihren Rechten beeinträchtigt.

Zudem hat die Beschwerdeführerin ein eigenes Interesse daran, dass sie die Verkehrsdaten ihrer Kunden nur im Rahmen der geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen herausgeben darf. Denn die Marktstellung der Beschwerdeführerin kann durch das Vertrauen ihrer Kunden in einen gesetzmäßigen Umgang der Beschwerdeführerin mit Kundendaten beeinflusst werden. Auch deshalb ist die Beschwerdeführerin – zumal angesichts ihrer Sachkunde – aus eigenem Recht berufen, auf Fehler einer getroffenen Entscheidung hinzuweisen (vgl. zur vergleichbaren Problematik der Beteiligung von Sozialversicherungsträgern am Verfahren über den Versorgungsausgleich BGH, Beschl. v. 15. März 1989 – IVb ZB 213/87, NJW 1989, 1994).

bb) Die Beschwer ist hier auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Anordnung nur vorläufig ist und vom Landgericht jederzeit abgeändert werden könnte. Denn es bestehen auch Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht eine abschließende Entscheidung treffen wollte. Angesichts der sich daraus ergebenden Unklarheit muss der Beschwerdeführerin die Möglichkeit offenstehen, den möglichen Anschein einer abschließenden Entscheidung zu beseitigen.

Dafür, dass das Landgericht eine das Verfahren abschließende Entscheidung treffen wollte, spricht insbesondere, dass das Landgericht eine Kostenentscheidung getroffen hat, für die im Rahmen einer lediglich vorläufigen Anordnung kein Raum gewesen wäre, und den Streitwert festgesetzt hat. Vor allem aber hätte das Landgericht der Beschwerdeführerin anlässlich der Bekanntmachung des Beschlusses Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen und das Verfahren dann fortsetzen müssen, wenn es nur eine Zwischenregelung hätte treffen wollen.

2. Die Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung kann bereits deshalb keinen Bestand haben, weil sie die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rdn. 31). Aus dem Wesen einstweiliger Anordnungen folgt, dass durch sie nicht bereits die Entscheidung in der Hauptsache getroffen werden darf. Auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung wäre die Beschwerdeführerin berechtigt und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 101 Abs. 2 UrhG auch verpflichtet, die von der Antragstellerin begehrte Auskunft zu erteilen. Das weitere Verfahren gemäß § 101 Abs. 9 UrhG würde auf diese Weise hinfällig und der damit bezweckte Schutz der datenschutzrechtlichen Interessen des am Verfahren unbeteiligten Kunden der Beschwerdeführerin könnte nicht erreicht werden.

Ein Ausnahmefall, in dem eine Vorwegnahme der Hauptsache zulässig wäre, liegt auch im Hinblick auf die Praxis der Beschwerdeführerin, die Verkehrsdaten ihrer Kunden nach sieben Tagen zu löschen, bereits deshalb nicht vor, weil auf andere Weise verhindert werden kann, dass der Beschwerdeführerin die Erfüllung des Auskunftsanspruchs der Antragstellerin unmöglich wird. Hierzu ist es ausreichend, dass – wie vom Senat angeordnet und nachfolgend im Einzelnen begründet – der Beschwerdeführerin einstweilen die Löschung der Daten untersagt wird.

3. Keinen Erfolg hat die Beschwerde, soweit sie die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin erstrebt (dazu a). Vielmehr ist es veranlasst, der Beschwerdeführerin einstweilen zu untersagen, die im Tenor bezeichneten Daten zu löschen (dazu b).

a) Der Antrag der Antragstellerin kann nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht zurückgewiesen werden, denn er ist nicht ohne Aussicht auf Erfolg. Die Antragstellerin hat überzeugend dargelegt, dass die rechtlichen Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs nach § 101 Abs. 2 UrhG und damit für die Anordnung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG erfüllt sind.

aa) Die Klägerin ist ausweislich des von ihr vorgelegten Vertrages (Bl. 30 ff. d.A.) Inhaberin der Rechte, deren Verletzung sie in diesem Verfahren geltend macht. Nach diesem Vertrag verfügt sie über das ausschließliche Recht, das Werk „H“ über dezentrale Computernetzwerke, sog. Peer-2-Peer Netzwerke bzw. Internettauschbörsen wie zum Beispiel e-Donkey, Kazaa, BitTorrent u.a., öffentlich zugänglich zu machen. Die Beschränkung der erlaubten Nutzung auf eine bestimmte Nutzungsart steht der Ausschließlichkeit des Nutzungsrechts nicht entgegen (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 31 Rdn. 5). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es auch unerheblich, dass die Antragstellerin ihr Recht nicht selbst positiv, also durch eigene Benutzung, nutzen will. Die Berechtigung umfasst auch das negative Verbotsrecht (vgl. Dreier/Schulze, aaO., Rdn. 56), in dessen Ausübung die Antragstellerin hier handelt.

Der Rechtsverfolgung steht das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht entgegen. Gemäß § 2 Abs. 1 RDG setzt das Vorliegen einer Rechtsdienstleistung eine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten voraus; nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG kann auch die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen eine Rechtsdienstleistung sein. Diese Voraussetzungen erfüllt die Tätigkeit der Antragstellerin selbst dann nicht, wenn man die Übertragung des Urheberrechts an dem Titel „H“ für den Bereich der Veröffentlichung in dezentralen Computernetzwerken mit der Abtretung einer Forderung gleichsetzen wollte. Die Antragstellerin geht aus ihrem eigenen Recht an dem Werk „H“ vor. Dieses Recht ist ihr nicht zur Geltendmachung auf fremde Rechnung übertragen worden. Zwar vergütet naturgemäß die Antragstellerin den ursprünglichen Rechtsinhaber für die Übertragung der ihr eingeräumten Rechte. Die Antragstellerin ist jedoch frei darin, wie und in welchem Umfang sie die ihr eingeräumten Rechte geltend macht, und trägt nach Ziff. 4 des Vertrages das wirtschaftliche Risiko der Auswertung der ihr eingeräumten Rechte. Sie handelt daher nicht auf fremde Rechnung.

Aus den gleichen Gründen bedarf die Antragstellerin auch nicht einer Erlaubnis nach

§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (UrhWG). Auch diese Erlaubnispflicht bestünde nur dann, wenn die Antragstellerin für Rechnung Dritter tätig würde, was aus den dargelegten Gründen jedoch nicht der Fall ist.

bb) Die Antragstellerin macht eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß geltend.

(1) Nach dem Akteninhalt kann davon ausgegangen werden, dass unter Verwendung der im Tenor genannten IP-Adressen das Werk „H“ unberechtigt in einer Internet-Tauschbörse zum Erwerb zur Verfügung gestellt worden ist. Damit ist in das Urheberrecht der Antragstellerin gemäß § 19a UrhG, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist, verletzt worden.

(2) Der Anordnung steht nicht entgegen, dass die IP-Adressen möglicherweise Internet-Anschlüssen zugeordnet waren, deren Inhaber nicht selbst Störer im Sinne des Urheberrechts sind.

Diese Möglichkeit besteht zunächst im Hinblick auf öffentlich zugängliche Internet-Anschlüsse (Hot Spots, Internet-Cafes u.ä.). Das Gesetz setzt allerdings lediglich voraus, dass eine offensichtliche Rechtsverletzung vorliegt, und nicht auch, dass diese Rechtsverletzung offensichtlich von einer bestimmten Person begangen worden ist. Das Anliegen des Gesetzgebers würde leerlaufen, wenn die Gestattung der Auskunft aufgrund dieser Möglichkeit, die nie auszuschließen ist, solange die Auskunft nicht erteilt ist, abzulehnen wäre. Schließlich ergeben sich hieraus auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Person, der diese IP-Adresse zugeordnet war. Denn zum einen ist der Eingriff in die geschützten Rechte durch die Mitteilung der IP-Adresse, die zu einem bestimmten Zeitpunkt einem Anschlussinhaber zugewiesen war, gering. Weil diese Adresse dem Anschlussinhaber dynamisch, nach der Praxis der Beschwerdeführerin also maximal für einen Zeitraum von 24 Stunden, zugewiesen worden ist, sind die Verwendungsmöglichkeiten für diese Information sehr beschränkt. Zum anderen macht derjenige, der seinen Anschluss der Öffentlichkeit zugänglich macht, auch die ihm für diesen Zeitraum zugewiesene IP-Adresse öffentlich, so dass sein Schutzbedürfnis ohnehin als gering zu veranschlagen ist.

Auch die Möglichkeit der unbefugten Benutzung eines (nicht öffentlich zugänglichen) Internetanschlusses durch den Rechtsverletzer steht der Anordnung nicht entgegen. Auch in diesem Fall ist der Anschlussinhaber zwar möglicherweise nicht Störer im Sinne des Urheberrechts. Auch insofern gilt allerdings, dass der gesetzliche Zweck, die Verfolgung von Rechtsverletzungen zu ermöglichen, nicht erreicht würde, wenn bereits in diesem Verfahrensstadium geprüft werden müsste, was nicht möglich ist, nämlich ob der bislang unbekannte Anschlussinhaber selbst für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Dieses Anliegen des Gesetzes, das dem Bedürfnis nach einer effektiven Verfolgung der massenhaft begangenen, auch strafrechtlich relevanten Rechtsverletzungen Rechnung trägt, die durch die hierzu zuvörderst berufenen Strafverfolgungsbehörden nicht mehr geleistet werden kann, rechtfertigt es, nicht von vornherein auszuschließen, dass in Ausnahmefällen ein Anschlussinhaber in Anspruch genommen wird, der nicht Störer im Sinne des Urheberrechts ist. Auch insofern ist zu bedenken, dass für die von der Antragstellerin begehrten Daten, nämlich die für einen kurzen Zeitraum dem Anschlussinhaber zugeteilte IP-Adresse, nur wenige Verwendungsmöglichkeiten bestehen und diese Adresse keinen Einblick in die persönlichen Verhältnisse des Anschlussinhabers erlaubt. Dass der Anschlussinhaber sich in einem solchen Fall gegen eine unberechtigte Inanspruchnahme wegen einer Rechtsverletzung zur Wehr setzen muss, ist seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen. Es ist daher gerechtfertigt, dass sein Interesse, gegen diese Inanspruchnahme geschützt zu werden, hinter dem Interesse des Rechtsinhabers an einer effektiven Rechtsverfolgung zurücktreten muss.

(3) Die Rechtsverletzung ist in einem gewerblichen Ausmaß erfolgt.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass ein Anspruch gemäß § 101 Abs. 2 UrhG ein gewerbliches Ausmaß nicht nur hinsichtlich der Tätigkeit des Internet-Providers (die unzweifelhaft vorliegt), sondern auch hinsichtlich der Rechtsverletzung erfordert. § 101 Abs. 2 UrhG erweitert den Anspruch gemäß § 101 Abs. 1 UrhG („auch“) und dient dazu, die Durchsetzung des Anspruchs aus § 101 Abs. 1 UrhG durchzusetzen. Daraus folgt, dass der Auskunftsanspruch gemäß § 101 Abs. 2 UrhG auch an die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 UrhG geknüpft ist.

Die geltend gemachten Rechtsverletzungen haben jeweils für sich ein gewerbliches Ausmaß. Wer ein gesamtes Musikalbum, zudem in der relevanten Verkaufsphase, der Öffentlichkeit zum Erwerb anbietet, tritt wie ein gewerblicher Anbieter auf (vgl. auch die Empfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/8783, S. 50). Er kann und will nicht mehr kontrollieren, in welchem Umfang von seinem Angebot Gebrauch gemacht wird und greift damit in die Rechte des Rechteinhabers in einem Ausmaß ein, das einer gewerblichen Nutzung der fremden Rechte durch den Verletzer entspricht.

Unerheblich ist insofern, dass die Verletzung nur für einen bestimmten Zeitpunkt dargelegt ist und es nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass das Musikalbum nur für einen kurzen Zeitraum in der Internet-Tauschbörde angeboten worden ist. Denn zum einen legt es die Lebenserfahrung nahe, dass derjenige, der mit seinem Angebot an Musiktiteln an einer Internet-Tauschbörse teilnimmt, dies nicht nur für einen kurzen Zeitraum tut. Dies folgt aus dem damit verbundenen und im Regelfall fortdauernden Interesse, seinerseits Musiktitel zu erwerben, sowie dem mit der Teilnahme an der Tauschbörse verbundenen Aufwand (Installation der erforderlichen Software usw.). Zum anderen hat der Verletzer ab dem Zeitpunkt des Angebots die weitere Verbreitung des Musikalbums nicht mehr in der Hand, auch wenn er selbst dieses nur für einen kurzen Zeitraum zur Verfügung stellt. Seine Handlung ist in diesem Fall der unberechtigten Weitergabe des Musikalbums an einen gewerblichen Zwischenhändler vergleichbar, der die Vervielfältigung und weitere Distribution des Musikalbums übernimmt.

Aus den dargelegten Gründen ist es auch unerheblich, ob die im Tenor aufgeführten IP-Adressen nur einem oder – was wahrscheinlicher ist – einer Vielzahl von Anschlussinhabern zuzuordnen ist.

Dass die Antragstellerin nur Rechte an einem Titel auf dem Musikalbum innehat, schließt die Annahme eines gewerblichen Ausmaßes der Rechtsverletzung nicht aus. Es kann insofern dahinstehen, ob auch die Veröffentlichung nur eines Musikstücks eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß darstellen kann. Denn jedenfalls ist es ausreichend, dass die Rechtsverletzung insgesamt, wie dargelegt, in gewerblichem Ausmaß erfolgt ist.

cc) Dass über die Internet-Anschlüsse, denen die fraglichen IP-Adressen zugeordnet sind, eine Rechtsverletzung begangen worden ist, ist offensichtlich im Sinne des § 101 Abs. 2 UrhG.

Das Erfordernis der Offensichtlichkeit in § 101 Abs. 2 UrhG bezieht sich neben der Rechtsverletzung auch auf die Zuordnung dieser Verletzung zu den begehrten Verkehrsdaten. Nach der Gesetzesbegründung soll durch dieses Tatbestandsmerkmal gewährleistet werden, dass ein Auskunftsanspruch nur dann zuerkannt wird, wenn eine ungerechtfertigte Belastung des Auskunftsschuldners ausgeschlossen erscheint; zugleich sei unter diesen Voraussetzungen auch der Verletzer nicht mehr schutzwürdig (BT-Drucks. 16/5048, S. 39). Der Schutz des unbekannten Dritten, dem das gesamte Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG dient, erfordert es daher, dass auch die Zuordnung der Rechtsverletzung zu den verfahrensgegenständlichen Verkehrsdaten dem Maßstab der Offensichtlichkeit gerecht wird.

Nach dem Akteninhalt bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächlichen Angaben der Antragstellerin unrichtig wären. Die Antragstellerin hat dargelegt, dass die von ihr zum Auffinden der Rechtsverletzungen eingesetzte Software zuverlässig arbeitet, die Parameter der aufzufindenden Dateien zutreffend ermittelt worden sind, die Software ordnungsgemäß in Betrieb gesetzt worden ist und zum Auffinden der im Tenor genannten IP-Adressen zu den dort bezeichneten Zeitpunkten geführt hat. Anlass, an dieser Darstellung zu zweifeln, besteht auch unter Berücksichtigung des sachkundigen Vortrags der Beschwerdeführerin nicht.

dd) § 96 TKG steht der Zulässigkeit der Auskunftserteilung durch die Beschwerdeführerin nicht entgegen. Wie bereits ausgeführt, bildet § 101 Abs. 9 UrhG hierfür die datenschutzrechtlich erforderliche Erlaubnis für die Auskunftserteilung.

ee) Eine einstweilige Anordnung muss auch nicht deshalb unterbleiben, weil die Antragstellerin keine weiteren Beweismittel für das Hauptsacheverfahren angeboten hat. Das Landgericht wird erwägen, ob unbedingter Anlass für eine weitere Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen besteht (§ 12 FGG). Bei dieser Prüfung kann es auch die eidesstattlichen Versicherungen der Zeugen würdigen (vgl. Jansen/Briesemeister, aaO., § 12 Rdn. 56).

b) Der Senat hält den Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, dass der Beschwerdeführerin die Löschung der von der Antragstellerin begehrten Verkehrsdaten untersagt wird, für zulässig und sachlich geboten.

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit einstweilige und vorläufige Anordnungen zulässig sind (vgl. auch Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FGG, 15. Auflage, § 19 Rdn. 30).

Eine endgültige Entscheidung kommt im derzeitigen Verfahrensstadium aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht. Die Beschwerdeführerin hält sich aber nur auf der Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG für befugt, von einer Löschung der fraglichen Daten abzusehen. Zur Sicherung eines rechtlich geordneten Zustands und um die Durchführung des Verfahrens zu ermöglichen, ist daher eine Entscheidung erforderlich, die es der Beschwerdeführerin gestattet, die fraglichen Daten nicht zu löschen, ohne ihr zugleich die Erteilung der Auskunft zu erlauben. Diese Entscheidung kann nur in der vorläufigen Anordnung bestehen, die Löschung der Daten zu untersagen. Dadurch wird im Vergleich zur Auskunftserteilung in geringem Umfang in die datenschutzrechtlich geschützten Rechte des Kunden der Beschwerdeführerin eingegriffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.3.2008 – 1 BvR 256/08 Rdn. 148 ff., bei juris). § 101 Abs. 9 UrhG kann daher dahin verstanden werden, dass er auch die Befugnis enthält, die Speicherung der fraglichen Daten anzuordnen.