Zum Thema Filesharing hat das Oberlandesgericht Köln am 01.02.2011 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).
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Konkret hat das Oberlandesgericht Köln folgendes entschieden:
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.
G r ü n d e
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes pornografischer Schriften zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt. Zugleich hat es die „im Zusammenhang mit diesem Verfahren sichergestellten Gegenstände“ eingezogen.
Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten verworfen.
Zum Schuldspruch hat die Strafkammer festgestellt:
„Der Angeklagte ist pädophil veranlagt und war Mitglied einer Tauschbörse, über die er aus dem Internet pornographisches. Material bezogen hat. Er zog im Juni/Juli 2005 in die Wohnung der Frau B. C., B.-Straße 4, XXXXX C., ein. Dort bezog er ein separates Zimmer, welches ihm zur alleinigen Nutzung zur Verfügung stand.
In dem Verfahren 201 Js 78/06 Staatsanwaltschaft Aachen wurde aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Aachen vom 13. Januar 2006 die Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen gemäß §§ 102, 105 StPO angeordnet, weil zu vermuten war, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, nämlich Computern, Speichermedien, CD’s, einer Videokamera und DVD’s führen wird. Hintergrund hierfür war der Umstand, dass der Angeklagte aufgrund einer Strafanzeige des Jugendamtes der Stadt Aachen in den Verdacht geraten war, sich wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern strafbar gemacht zu haben.
Der Zeuge KOK S. führte am 16. Januar 2006 die Durchsuchung durch. In dem von dem Angeklagten bewohnten Zimmer konnte unter anderem ein Computer sichergestellt und ausgewertet werden. Hierbei wurde festgestellt, dass auf dem Rechner Midi-Tower „No Name“ unter anderem das Filesharing-Programm „eMule“ installiert war. Dabei handelt es sich um ein Programm, das es dem Benutzer ermöglicht, von anderen Mitgliedern des Filesharing-Netzwerkes Daten herunterzuladen bzw. selbst Dateien für den „upload“ durch andere Nutzer bereitzustellen.
Der Zeuge S. entdeckte bei einer Überprüfung der Festplatte acht kinderpornografische Darstellungen. Die Darstellungen sind pornografisch, weil sie Sexualität in drastischer Direktheit darstellen und dazu angetan sind, den Sexualtrieb aufzustacheln. Die Darstellungen enthalten sexuelle Handlungen von einem Jungen unter 14 Jahren, die ein tatsächliches oder ein wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die bei den Akten befindlichen Abbildungen (BI. 47 ff., 145 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Zeuge KOK S. entdeckte die kinderpornografischen Bilddateien im Verzeichnis „f.de“, dort unter der Datei „U.“. Hierbei handelt es sich um eine versteckte Datei, die von dem Betriebssystem des Computers automatisch generiert wird. Sie enthält eine verkleinerte Miniaturansicht („Thumbnail“) der Bild- oder Filmdateien, die zu einem früheren Zeitpunkt aus dem Internet heruntergeladen wurden, inzwischen aber schon wieder gelöscht worden sein können. Der Angeklagte hatte die auf BI. 47 d. A. befindlichen, dort mit den Ziffern 1 bis 8 nummerierten Bilder, zu folgenden Zeiten über das Filesharing-Netzwerk „eMule“ aus dem Internet heruntergeladen, wobei er einen kinderpornographischen Inhalt zumindest billigend in Kauf genommen hat:
Nr. 1: 09. März 2005,
Nr. 2: 09. März 2005,
Nr. 3: 08. März 2005,
Nr. 4: 08. März 2005,
Nr. 5: 07. März 2005,
Nr. 6: 09. März 2005,
Nr. 7: 08. März 2005,
Nr. 8: 08. März 2005.
Beim Download durch den Angeklagten aus dem Internet hatten die Dateien folgende Namen:
Nrn. 1, 2, 3, 4 und 6: K. E. ,
Nr. 7: K. E. X.,
Nrn. 5 und 8: K. E. Y.
Auf die auf BI. 47 d. A. befindlichen, dort unter Ziffer 1 bis 8 dargestellten Dateien, wurde von dem Angeklagten in der Folgezeit an unterschiedlichen Tagen, nämlich dem 07. März 2005, 08. März 2005, 09. März 2005, 10. März 2005, 12. März 2005, 13. März 2005, 14. März 2005, 15. März 2005 und 26. April 2005, zu völlig unterschiedlichen Zeiten, insbesondere auch zur Nachtzeit, Zugriff genommen.
Darüber hinaus befanden sich weitere Thumbs-Dateien auf der Festplatte des Angeklagten, die aufgrund ihres Titels einen kinderpornografischen Inhalt nahelegen, so u.a. die Datei: „XY.“
Zur Beweiswürdigung heißt es im Berufungsurteil:
„Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Angaben des Angeklagten, soweit ihnen gefolgt werden konnte, im Übrigen auf den Bekundungen der Zeugen S. und U.
Der Angeklagte hat von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch gemacht.
Die Thumbs-Dateien, die eine Miniaturansicht der kinderpornografischen Darstellungen enthalten, befinden sich in der Akte (vgl. BI. 47 ff. d. A.). Hierzu hat der Zeuge S. nachvollziehbar und glaubhaft bekundet, er habe den entsprechenden Ausdruck erstellt, nachdem er das Zimmer durchsucht habe, welches der Angeklagte in der Wohnung der Frau C. bewohnt, habe. Dort sei der Rechner sichergestellt und von dem Kollegen I. und ihm ausgewertet worden. Er habe anschließend die Bilder, die seiner Ansicht einen kinderpornografischen Inhalt hatten, mit den Ziffern 1 bis 8 nummeriert.
Die von dem Zeugen S. beschriebenen Dateien sind mit den in der Akte befindlichen Ausdrucken identisch, die der Zeuge U. aufgrund einer zweiten Auswertung der sichergestellten Festplatte erstellt hat. Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, dass er die Dateien im „eMule-J.-Programm“ auf der Festplatte vorgefunden hat. Hierbei handelt es nach den fachkundigen Angaben des Zeugen um eine Internet-Tauschbörse. Der Zeuge hat nachvollziehbar angegeben, dass er die Bilder extrahiert und so bearbeitet hat, dass man sie erkennen und anschauen konnte.
Hiernach steht fest, dass der Angeklagte im März 2005 auf der Festplatte seines Computers jedenfalls acht kinderpornografische Darstellungen besessen hat.
Hinsichtlich des Besitzes hatte der Angeklagte auch Vorsatz. Nach den fachkundigen und nachvollziehbaren Erläuterungen des Zeugen U., an dessen Richtigkeit zu zweifeln für die Kammer kein Zweifel besteht, können die Thumbs-Dateien nur durch einen Zugriff auf die Original-Datei auf dem Rechner des Angeklagten entstanden sein. Das ergibt sich nach den Angaben des Zeugen daraus, dass zwischen dem Inhalt der Thumbs-Datei und dem Inhalt der „eMule-J.-Datei“ Übereinstimmung besteht. Der Angeklagte kann die Bilder daher zur sicheren Überzeugung der Kammer nur über die Tauschbörse „eMule“ auf seinen Rechner heruntergeladen haben. Aufgrund der Titel der Dateien, die im Einzelnen oben unter Ziffer III. wiedergegeben worden sind, musste der Angeklagte damit rechnen, dass es sich bei den heruntergeladenen Dateien um kinderpornografische Darstellungen handelte. Er hat dies zumindest billigend in Kauf genommen.
Bei einer Gesamtschau aller Beweismittel liegt es auch fern, dass Außenstehende den PC des Angeklagten von diesem unbemerkt benutzt haben. Die Möglichkeit mag theoretisch bestehen, sie ist jedoch als so unwahrscheinlich zu bewerten, dass sie nach Auffassung der Kammer vernachlässigt werden kann. Die in der Akte befindlichen ausgedruckten Dateien enthalten das Datum des Zugriffs auf die Original-Dätei, wie der Zeuge U. ebenfalls in sach- und fachkundiger Art und Weise dargelegt hat. Die Einsichtnahme hat ergeben, dass auf die Dateien an völlig unterschiedlichen Tagen und zu völlig unterschiedlichen Uhrzeiten, insbesondere auch zur Nachtzeit, Zugriff genommen wurde. Bei dieser Sachlage sprechen alle Hinweise dafür, dass der Angeklagte als Eigentümer ‚ und Hauptnutzer des Rechners – und nicht etwa ein unbekannter Dritter – die Bilddateien aus dem Internet heruntergeladen und von ihrem Inhalt Kenntnis genommen hat. Auf die ~~ Frage, ob weitere Personen den Computer des Angeklagten genutzt haben, während er bei Frau C. gewohnt hat, kommt es nicht an, da feststeht, dass der Angeklagte bereits vor seinem Einzug im Juni/Juli 2005 Zugriff auf die in Rede stehenden Dateiengenommen hatte.“
Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Der Schuldspruch hält der Überprüfung aufgrund der Sachrüge nicht stand.
1.
Die Feststellungen sind materiell-rechtlich unvollständig.
Die Strafkammer hat zu den Tatbestandsmerkmalen des § 184 b Abs. 4 S. 1 StGB keine zureichenden Feststellungen getroffen, sondern im Wesentlichen nur die Rechtsbegriffe dieser Norm wiedergegeben, ohne sie durch entsprechende tatsächliche Feststellungen auszufüllen (vgl. zu diesem Erfordernis: § 267 Abs. 1 StPO; SenE v. 22.07.2005 – 82 Ss 6/05 – mit Nachweisen = VRS 109, 277 = NStZ-RR 2005, 378 = StraFo 2006, 28 = wistra 2005, 440; Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 267 Rn. 5). Nur bei ganz einfachen Rechtsbegriffen, die allgemein geläufig sind, kann eine solche Auflösung in konkrete Tatsachen entbehrlich sein (SenE a.a.O.). Bei den Tatbestandsmerkmalen des § 184 b Abs. 1 S. 1 StGB handelt es sich indes nicht um solche – allgemein bekannten und verständlichen – Rechtsbegriffe (vgl. BGH, Beschluss v. 25.07.2007 – 2 StR 279/07 -; Meyer-Goßner a.a.O. § 267 Rn. 3)
Kinderpornografisch sind Schriften, wenn sie eine sexuelle Handlung von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben (Legaldefinition in § 284 b Abs. 1 StGB).
Das Landgericht stellt fest:
„Die Darstellungen sind pornografisch, weil sie Sexualität in drastischer Direktheit darstellen und dazu angetan sind, den Sexualtrieb aufzustacheln. Die Darstellungen enthalten sexuelle Handlungen von einem Jungen unter 14 Jahren, die ein tatsächliches oder ein wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.“
ohne die sexuellen Handlungen auch nur ansatzweise näher zu beschreiben. Schon deshalb ist auch die Wertung, es werde ein tatsächliches oder ein wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergegeben, nicht nachvollziehbar.
Eine Beschreibung der sexuellen Handlungen wird auch in der Beweiswürdigung nicht etwa nachgeholt.
Eine nachvollziehbare Beschreibung der sexuellen Handlungen erübrigte sich schließlich nicht dadurch, dass es in den Feststellungen heißt:
„Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die bei den Akten befindlichen Abbildungen (BI. 47 ff., 145 ff. d. A.) Bezug genommen.“
Dabei handelt es sich nicht um eine zulässige Bezugnahme. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO erlaubt die Bezugnahme auf Abbildungen nur wegen der Einzelheiten. Die – wenn auch knappe – Schilderung des wesentlichen Aussagegehaltes der Abbildung bleibt erforderlich; sie darf nicht ganz entfallen (SenE v. 16.10.1990 – Ss 289/90 B – = VRS 80, 374 = NZV 1991, 122; OLG Brandenburg NStZ-RR 2010, 89; Meyer-Goßner a. a. O. § 267 Rn. 10). Zum wesentlichen Aussageinhalt einer kinderpornografischen Schrift gehört zumindest eine Beschreibung der sexuellen Handlung der Art nach. Hier fehlt es an jeglicher Schilderung des Aussagegehalts der Abbildungen.
2.
Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil ist ebenfalls materiell-rechtlich unvollständig.
Ihr lässt sich nicht entnehmen, worauf die Überzeugung der Strafkammer beruht, bei der abgebildeten Person handele es sich um einen Jungen unter 14 Jahren. Kriterien einer nachvollziehbaren Altersbestimmung werden nicht mitgeteilt. Angaben dazu drängten sich auch deshalb auf, weil es – ausweislich der Urteilsgründe – in den Dateinamen zu Nr. 1, 2, 3, 4 und 6 unter anderem heißt: „M.V.H.C.“.
3.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a)
Sollte die Strafkammer nicht über genügend eigene Sachkunde zu rechtsfehlerfreien Wertungen in Bezug auf die maßgebliche Altersgrenze (Person unter 14 Jahren) verfügen, wird die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich werden.
Solche eigenen Wertungen erübrigen sich auch im Falle einer zulässigen Bezugnahme (§ 267 Abs. 1 S. 3 StPO) auf die Abbildungen nicht.
b)
Eine Einziehungsanordnung hat unter konkreter Bezeichnung der Gegenstände zu erfolgen (vgl. Fischer, StGB, 58. Auflage, § 74 Rn. 21).