Zum Thema Filesharing hat das Landgericht Düsseldorf am 27.05.2009 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).
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Konkret hat das Landgericht Düsseldorf folgendes entschieden:
für R e c h t er¬kannt:
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 18.03.2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26.03.2009 wird bestätigt.
Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Tatbestand
Der Antragsteller ist seit mehr als acht Jahren unter dem Künstlernamen xx als Rap-Künstler tätig. Er ist Interpret, Urheber und Miturheber der Musikstücke auf dem Album „xxx – xxx“. Er ist außerdem Inhaber der
eingetragenen Wortmarke xxx
Der Antragsgegner unterhält einen Internet-Zugang. Dieser ist zur Teilnahme an Musiktauschbörsen in sogenannten Peer-To-Peer-Netzwerken (Filesharing-Systemen) genutzt worden. Ein Dritter, wohl eine volljährige Tochter des Antragsgegners, hat über den Internet-Zugang des Antragsgegners das urheberrechtlich geschützte Werk des Antragstellers im Internet durch Freigabe der Festplatte beziehungsweise auf dem Computer zum Download für weitere Nutzer in der Internet-Tauschbörse „eDonkey“ angeboten. Dies ist bei einer Überwachung der Internet-Tauschbörse „eDonkey“ am 25.10.2008 festgestellt worden.
Der Antragsgegner wurde mit Schreiben vom 26.02.2009 (Bl.24-28 GA) abgemahnt, eine Unterlassungserklärung wurde nicht abgegeben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.03.2009 (Bl. 30-31 GA) ließ der Antragsgegner erklären, er habe niemals wissentlich die genannten Musiktitel aus dem Netz herunter geladen, um diese anderen zum Herunterladen zugänglich zu machen und werde dies auch in Zukunft nicht vornehmen.
Der Antragsteller hat die einstweilige Verfügung der Kammer vom 18.03.2009 (Bl. 32, 33-34 GA) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26.03.2009 (Bl. 38 GA) erwirkt, mit welcher dem Antragsgegner untersagt worden ist, Dritten die Gelegenheit zu bieten, urheberrechtlich geschützte Musikwerke von Herrn xx, und zwar das Musikalbum „xx“ – auch unter Nutzung der Wortmarke „xx – im Internet der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder zugänglich machen zu lassen, jeweils ohne die hierzu erforderlichen Rechte innezuhalten. Hiergegen hat der Antragsgegner Widerspruch eingelegt.
Der Antragsteller beantragt,
die einstweilige Verfügung der Kammer zu bestätigen.
Der Antragsgegner beantragt,
die einstweilige Verfügung der Kammer aufzuheben und den Antrag auf
ihren Erlass zurückzuweisen.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, die Kammer sei für den Erlass der einstweiligen Verfügung nicht zuständig gewesen. Auch fehle es an seiner Passivlegitimation, da er die bezeichnete Datei nicht zum Upload ins Internet gestellt und daher keine Urheberrechtsverletzung begangen habe. Für Handlungen seiner volljährigen Familienangehörigen habe er, auch nicht nach den Grundsätzen der Störerhaftung, nicht einzustehen. Es fehle an der Verletzung von Prüfungs- und Überwachungspflichten, verdachtsunabhängige Prüfungspflichten des Anschlussinhabers gebe es nach der Rechtsprechung vieler Gerichte nicht. Die Überwachung erwachsener Familienangehöriger zu verlangen, sei lebensfremd. Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass ein Familienmitglied die Tauschbörse nutzt. Ohne konkreten Anlass sei er auch nicht dazu verpflichtet gewesen, irgendwelche Überwachungsmaßnahmen einzuleiten.
Zur Vervollständigung des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 06.05.2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Auf den Widerspruch des Antragsgegners war die einstweilige Verfügung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dies führte zu ihrer Bestätigung, da sie auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragsgegners zu Recht ergangen ist.
1. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist gegeben, § 32 ZPO, §§ 104, 105 UrhG in Verbindung mit der Verordnung über die Zusammenfassung von Geschmacksmusterstreitsachen, Kennzeichenstreitsachen und Urheberrechtsstreitsachen vom 02.06.2004 (GV.NRW. S.291/SGV.NRW.301) und §§ 23, 71, 72 GVG. Am besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO können auch Klagen aus Verletzung sonstiger absoluter Rechte, vor allem gewerblicher Schutzrechte wie das Urheberrecht, erhoben werden (Zöller, ZPO-Kommentar, 27. Auflage 2009, § 32 RN 9 mN). Tatort im Sinne des § 32 ZPO ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist. Bei Begehungsdelikten ist das entweder der Ort, an dem der Täter gehandelt hat, oder der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen worden ist. Der Anspruchsteller kann also auch bei Urheberrechtsverletzungen wählen zwischen dem Gerichtsstand des Handlungsortes und demjenigen des Erfolgsortes. Für Rechtsverletzungen im Internet geht die Kammer in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass, da die Seiten bundesweit abrufbar sind, der Erfolgsort in jedem Gerichtsbezirk der Bundesrepublik Deutschland liegt, da die Musikwerke des Antragstellers über das Peer-To-Peer Netzwerk bestimmungsgemäß auch im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Düsseldorf abrufbar sind.
2. Der Antragsgegner wird zu Recht gemäß § 97 UrhG auf Unterlassung in Anspruch genommen. Er ist aufgrund seiner Eigenschaft als Inhaber des Internet-Zuganges, über den die unstreitige Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat, nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen passivlegitimiert.
a) Passivlegitimiert gemäß § 97 UrhG ist als Störer jeder, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – einen adäquat kausalen Beitrag zur Rechtsverletzung gesetzt hat, dadurch in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines absolut geschützten Rechts beiträgt und zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat.
Hierfür genügt es, dass der Antragsgegner den objektiv für Dritte nutzbaren Internet-Zugang vorgehalten und dem Verletzer zur Verfügung gestellt hat (OLG Düsseldorf MMR 2008, 256-257). Sein hiergegen gerichtetes Vorbringen bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Denn es kann zwar als Störer nur in Anspruch genommen werden, wer, ohne selbst Verletzer zu sein, an der Verletzungshandlung mitwirkt, obwohl es ihm zumutbar und möglich ist, diese zu verhindern. Denn damit die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt wird, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (OLG Düsseldorf MMR 2008,675-677). Dies gilt auch für die Verpflichtung, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, durch welche die Rechtsverletzungen soweit wie möglich verhindert werden. Auch diese besteht nur im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen (BGH GRUR 1984,54-55). Maßgeblich sind insoweit die Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie die Eigenverantwortung des unmittelbar Handelnden (BGH GRUR 2001, 1038-1039).
Die Kammer vermag der von einigen Instanzgerichten vertretenen Auffassung, der Anschlussinhaber sei zu einer verdachtsunabhängigen Prüfung und Überwachung volljähriger Haushaltsangehöriger grundsätzlich nicht verpflichtet, nicht beizupflichten. Dem Antragsgegner als Inhaber des Internet-Zuganges wird nicht Unzumutbares abverlangt, wenn man eine Pflicht dahingehend bejaht, dass er vor der mit seinem Willen erfolgenden Nutzung seines Internet-Zuganges die betroffenen Familienmitglieder zumindest auffordert, Urheberrechtsverletzungen mittels seines Computers und Internet-Zuganges zu unterlassen. Dass er keinerlei Kenntnis davon hatte, dass das Internet die Möglichkeit bietet, derartige Rechtsverletzungen zu begehen, behauptet der Antragsgegner nicht. Da er derjenige ist, der eine neue Gefahrenquelle geschaffen hat, die nur er überwachen kann, und er es somit Dritten ermöglicht, sich hinter seiner Person zu verstecken und im Schutze der von ihm geschaffenen Anonymität jedenfalls zunächst einmal ohne Angst vor Entdeckung ungestraft Urheberrechtsverletzungen begehen zu können (OLG Düsseldorf MMR 2008, 256-257), erscheint es gerechtfertigt ihm auch das Verhalten volljähriger Familienangehöriger zuzurechnen . Der Antragsgegner hat nicht einmal vorgetragen, dass er überhaupt Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat und/oder seine – volljährigen – Kinder angewiesen hat, nichts Illegales zu tun. Die Kammer hält es angesichts seiner Ausführungen für naheliegend, dass er sich sogar generell außerstande sieht, die Kinder insoweit zu überwachen, oder aber es grundsätzlich ablehnt, seine – volljährigen – Kinder entsprechend anzuweisen und/oder zu überwachen. Für dieses Verständnis spricht auch, dass er offenkundig noch nicht einmal die nun bekannte Rechtsverletzung zum Anlass genommen hat, entsprechende Vorkehrungen zu treffen und/oder Anweisungen hinsichtlich der Nutzung seines Internet-Zuganges zu erteilen.
Auf dieser Grundlage ist anzunehmen, dass der Antragsgegner keinerlei Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat, um mögliche Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden. Die Frage der Zumutbarkeit konkreter Maßnahmen stellt sich daher schon nicht.
b) Auch ein täterschaftlicher Urheberrechtsverstoß kommt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 11.03.2009, I ZR 114/06), der die Kammer folgt und welche sie auf den vorliegenden Fall für übertragbar hält, in Betracht. Dass der Antragsgegner selbst Täter oder Teilnehmer der unstreitigen Urheberrechtsverletzung war, wird zwar nicht behauptet. Letzteres würde auch voraussetzen, dass er das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit umfassenden zumindest bedingten Vorsatz in Bezug auf die konkrete Haupttat hatte (BGH GRUR 2007,708). Davon kann indes nicht ausgegangen werden, weil der Antragsgegner unwidersprochen behauptet hat, keine Kenntnis von der Nutzung der Tauschbörse durch ein Familienmitglied gehabt zu haben. Der Bundesgerichtshof (aaO) bejaht allerdings nunmehr eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter einer Urheberrechtsverletzung, weil dieser nicht hinreichend dafür gesorgt hat, dass ein Dritter – im dortigen Fall die Ehefrau des Beklagten – ein fremdes Mitgliedskonto bei eBay genutzt hat unter dem Gesichtspunkt bestehender Verkehrspflichten, die einen im Verhältnis zu den neueren Grundsätzen der Störerhaftung (BGHZ 173, 188 ff. Jugendgefährdene Medien bei eBay) selbständigen Zurechnungsgrund darstellen.
Wie erwähnt hält die Kammer die in diesem Urteil entwickelten Grundsätze hier für anwendbar. Auch in diesem Zusammenhang muss sich der Antragsgegner vorhalten lassen, dass er seinem eigenen Vortrag nach keinerlei Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat, was eine haftungsbegründende Pflichtverletzung darstellt.
3. Ein eigenes Verschulden des Antragsgegners ist für den hier verfolgten Unterlassungsanspruch nicht erforderlich.
4. Die Wiederholungsgefahr ist gegeben. Sie wird durch die unstreitige Rechts-verletzung indiziert und ist nicht weggefallen, da eine strafbewehrte Unterlassungs-erklärung nicht abgegeben worden ist. Zudem hat der Antragsgegner nicht vorgetragen, mittlerweile Sicherungs- und/oder Erziehungsmaßnahmen ergriffen zu haben, um weitere Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist entbehrlich.
6. Streitwert: 20.000,00 EUR