Zum Thema Filesharing hat das Landgericht Düsseldorf am 24.11.2010 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).
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Konkret hat das Landgericht Düsseldorf folgendes entschieden:
1.
Der Beklagte wird verurteilt, es
a)
gegenüber der Klägerin zu 1.) zu unterlassen, die Musikauf-nahme „A“ der Künstlergruppe „B“
b)
gegenüber der Klägerin zu 2.) zu unterlassen, die Musikauf-nahme „C“ des Künstlers „D“
c)
gegenüber der Klägerin zu 3.) zu unterlassen, die Musikauf-nahme „E“ der Künstlergruppe „F“
d)
gegenüber der Klägerin zu 4.) zu unterlassen, die Musikauf-nahme „G“ der Künstlergruppe „H“
als Datensätze auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilneh¬mer von Filesharing-Systemen über das Internet bereit-zustel¬len und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
2.
Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ei¬nes der unter Ziff. 1. ausgesprochenen Verbote ein vom Gericht fest¬zusetzendes Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ord¬nungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ord-nungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
3.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen zu 1.) bis 4.) je-weils EUR 300,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.01.2010 zu zahlen.
4.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen zu 1.) bis 4.) als Ge¬samtgläubiger EUR 2.004,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent¬punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.01.2010 zu zahlen.
5.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
6.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,- Euro.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin gehört zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern.
Im Internet werden – zumeist als „Tauschbörse“ bezeichnete – Filesharing-Systeme als „Umschlagplätze“ für Daten, vorgehalten, in welchen jeweils zwei Nutzer zum Zwecke des Datenaustauschs in direkten Kontakt gebracht werden, so dass der eine Nutzer Dateien des anderen Nutzers herunterladen kann. Eines der hierbei zur Anwendung gelangenden Programme ist das Bearshare-Programm, welches auf dem Gnutella-Protokoll basiert, das zwischenzeitlich zum offenen Standard gehört. Startet ein Nutzer eine Suchanfrage nach einem Musiktitel, leitet das System diese Suchanfrage an alle Rechner weiter, die zum selben Zeitpunkt online sind. Wird der Titel bei einem anderen Nutzer gefunden, kann der Dateiaustausch direkt zwischen beiden Teilnehmern erfolgen.
Der Beklagte ist Inhaber eines DSL-Anschlusses, zu dem die Klägerinnen feststellten, dass am 16.12.2005 Werke, an denen sie die Rechteinhaberschaft in Anspruch nehmen und sich insoweit auf das Anlagenkonvolut K2 und den Umstand, auf den großen deutschen Online-Verkaufsplattformen wie I oder J als Rechteinhaber angegeben zu sein, beziehen, über Filesharing-Netzwerke zum Download angeboten wurden. Die Klägerinnen brachten dies am 20.12.2005 bei der Staatsanwaltschaft Dortmund zur Anzeige, die das Verfahren später an die Staatsanwaltschaft Hagen (Az. 300 Js 82/06) abgab.
Auf die Anzeigeerstattung hin forderte die Staatsanwaltschaft den Access-Provider zur Mitteilung des Anschlussinhabers der dynamischen IP-Adresse im streitgegenständlichen Zeitpunkt auf. Nach Mitteilung wurde der Bekl. verantwortlich vernommen und räumte ein, dass die Verstöße „offensichtlich von [seinem] Anschluss geschehen“ seien, er die Dateien aber nicht heruntergeladen habe.
Die Klägerinnen beantragen,
zu erkennen wie geschehen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte erklärt sich zur Rechteinhaberschaft der Klägerinnen mit Nichtwissen. Der Beklagte ist ferner der Ansicht, er hafte nicht, weil die Handlungen durch eine dritte Person, die zur Nutzung des Anschlusses nicht berechtigt war, vorgenommen worden seien. Er habe ausreichende Sicherungsmaßnahmen gegen die Benutzung durch unberechtigte Dritte getroffen und dazu ergänzenden Vortrag angekündigt, der nicht gehalten wurde.
Er erhebt die Einrede der Verjährung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist in der Sache begründet. Den Klägerinnen stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen den Beklagten wegen der Verletzung ihrer Rechte nach dem UrhG zu.
Der Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten folgt aus §§ 97, 31, 19a UrhG. Die Aktivlegitimation der Klägerinnen für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist gegeben, da die Klägerinnen Inhaberinnen der ausschließlichen Nutzungsrechte an den im Klageantrag genannten Titeln sind. Zwar hat der Beklagte die Aktivlegitimation bestritten. Dies erfolgte jedoch ersichtlich ins Blaue hinein und ist daher unbeachtlich. Die Klägerinnen haben dargelegt, dass sie in den großen Online-Verkaufsplattformen K und L als Rechteinhaber vermerkt sind. Diesen Umstand hat der Kläger nicht konkret bestritten. Der Beklagte bestreitet die Rechteinhaberschaft der Klägerin lediglich pauschal und unsubstantiiert. Er trägt keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vortrag der Klägerinnen insoweit unzutreffend sein könnte. Eine derartige Rechtsverteidigung kann indes nur erfolgreich sein, wenn der Beklagte einzelfallbezogen konkrete Anhaltspunkte vorträgt, die Zweifel an der Rechteinhaberschaft der jeweiligen Klägerin wecken können.
Der Hinweis auf die Rechteinhaberschaft der Klägerinnen hat zwar nicht die Urheberrechtsvermutung nach § 10 UrhG zur Folge, da die Klägerinnen sich weder auf eine eigene Urheberschaft berufen, noch der Vermerk auf einem körperlichen Werkstück vorgetragen wird. Er begründet jedoch eine tatsächliche Vermutung, die nach dem Vorgesagten nicht widerlegt wurde.
Der Antragsgegner wird zu Recht gemäß § 97 UrhG auf Unterlassung in Anspruch genommen. Er ist aufgrund seiner Eigenschaft als Inhaber des Internet-Zuganges, über den die unstreitige Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat, nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen passivlegitimiert.
Wird – wie hier – ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (vgl. BGH GRUR 2010, 633 [634] – Sommer unseres Lebens). Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (vgl. OLG Köln, MMR 2010, 44 [45]; GRUR-RR 2010, 173 [174] – Musikdateien zum Download).
Dieser sekundären Darlegungslast ist der Beklagte nicht nachgekommen. Sein Vortrag beschränkt sich auf die unsubstantiierte Behauptung des Handelns Dritter und der hinreichenden Sicherung des Anschlusses gegen unberechtigte Benutzung.
Die Wiederholungsgefahr ist gegeben. Sie wird durch die Rechtsverletzung indiziert und ist nicht weggefallen, da eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben worden ist.
Der Schadenersatzanspruch folgt aus § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG, da der Beklagte nach den vorstehenden Ausführungen als Täter und nicht lediglich als Störer anzusehen ist. Der Schadenersatzanspruch besteht in der geltend gemachten Höhe. Die Klägerinnen berechnen den Anspruch im Wege der Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG; danach steht der Klägerin eine angemessene Lizenzvergütung in der Höhe zu, die vernünftige Parteien bei Abschluss eines fiktiven Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der konkreten Umstände des Einzelfalles als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten.
Die Höhe des Schadenersatzanspruchs kann anhand der Angaben der Klägerinnen auf den geforderten Betrag geschätzt werden (§ 287 ZPO). Der von den Klägerinnen herangezogene GEMA-Tarif VR-W I, der für bis zu 10.000 Streams eine Mindestvergütung von 100,– EUR vorsieht, erscheint der Kammer als Ausgangspunkt für die Schätzung geeignet. Denn zum einen ist die Anzahl der Downloads weder bekannt, noch sind die Filesharing-Programme auf eine Erfassung der Anzahl der Downloads angelegt. Zum anderen führt der Umstand, dass sich die Abrufe zahlenmäßig im unteren Bereich halten, nicht zur Untauglichkeit des Tarifs als Schätzungsgrundlage, denn der Verletzer trägt das Risiko der wirtschaftlichen Verwertung einer Pauschallizenz (vgl. Dreier/Schulze, 3. Aufl. 2008, § 97 UrhG Rn 62).
Da Streams im Gegensatz zu den vom Beklagten ermöglichten Downloads nicht auf eine dauerhafte Speicherung ausgerichtet sind, ist zunächst ein Aufschlag von 50 % gerechtfertigt. Die unkontrollierbare Zahl möglicher Tauschbörsenteilnehmer und Downloads und der Umstand, dass die Ermöglichung eines Downloads in einem Filesharing-Netzwerk mittelbar zu einer Vervielfachung der Verbreitung führt, da die Filesharing-Programme in ihren Grundeinstellungen vorsehen, dass eine heruntergeladene Datei ihrerseits wieder zum Abruf bereitgehalten wird, lässt eine Verdoppelung dieses Betrages auf den Betrag von 300,– EUR als angemessen erscheinen.
Demgegenüber ist der GEMA-Tarif VR-OD 5, der eine Vergütung von 15 % des Endverkaufspreises pro Download, mindestens 0,1278 EUR, vorsieht, vor dem Hintergrund der Gegebenheiten des Filesharing erheblich weniger geeignet; insbesondere ist er – ungeachtet des Umstandes, dass die Klägerinnen ohnehin keine Verwertungsgesellschaften sind – kein von seinem Gegenstand her unmittelbar auf den zu beurteilenden Sachverhalt anwendbarer Tarif. Bei einer nichtkommerziellen und überdies kostenlosen Abgabe fehlt es bereits am Parameter Endverkaufspreis. Auch die Mindestvergütung erscheint nicht angemessen, da nicht angenommen werden kann, dass eine kostenlose Abgabe zum Betrag der Mindestvergütung lizenziert würde, denn die Möglichkeit, eine Aufnahme geschenkt zu erhalten, beeinträchtigt den Absatz kostenpflichtiger Angebote erheblich und würde vernünftige Vertragsparteien daher veranlassen, für die kostenlose Abgabe einen deutlich höheren Lizenzbetrag zu vereinbaren.
Der Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten ist aus § 97a Abs. 1 Satz 2 (bzw. § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG a. F.) begründet, auf angemessener Grundlage ermittelt und rechnerisch richtig.
Die Ansprüche sind nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Geschädigte Kenntnis von den maßgeblichen Umständen, insbesondere der Person des Verletzers erlangt hat (§ 102 UrhG i. V. m. §§ 195, 199 BGB). Die Klägerinnen haben Kenntnis von der Person des Beklagten im Mai 2006 nach Akteneinsicht erlangt. Verjährung wäre daher mit Ablauf des 31. Dezember 2009 eingetreten. Die Verjährung ist indes durch die am 29. Dezember 2009 eingereichte Klage, die am 18. Januar 2010 – mithin demnächst im Sinne von § 167 ZPO – zugestellt wurde, gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Neuer Tatsachenvortrag im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerinnen vom 15.11.2010 war nicht zu berücksichtigen (§ 296a Satz 1 ZPO); insbesondere bestand kein Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 ZPO).