Zum Thema Filesharing hat das Landgericht Köln am 06.06.2007 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).

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Konkret hat das Landgericht Köln folgendes entschieden:

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14.8.2006 – Az.: 28 O 384/06 – wird im Kostenausspruch bestätigt.

Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt der Verfügungsbeklagte.

T a t b e s t a n d:

Die Parteien streiten über die Kosten einer einstweiligen Verfügung.

Die Verfügungsklägerin ist Tonträgerherstellerin und Inhaberin ausschließlichen Verwertungsrechte für die aus dem Tenor der einstweiligen Verfügung vom 14.8.2006 ersichtlichen Musiktitel der Künstlergruppe „Wir sind Helden“ für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Am 16.05.2006 um 19:14:53 Uhr (MESZ) wurden unter der IP-Nummer: „.-.-.-.“ und dem Usernamen „XAx“ mittels einer Filesharing-Software, die auf das DirectConnect-Netzwerk zugreift, 1168 Audiodateien zum Herunterladen verfügbar gemacht. Hierunter befanden sich auch die aus dem Tenor der einstweiligen Verfügung vom 14.8.2006 ersichtlichen Musiktitel

1. Von hier an blind

2. Denkmal

3. Nur ein Wort

4. Gekommen um zu bleiben

der Künstlergruppe „Wir sind Helden“.

Die genannte dynamische IP-Adresse ist dem Internet-Service-Provider Deutsche Telekom AG zugeordnet. Ein bei der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern unter dem Az. 6033 UJs 4145/06 geführtes Ermittlungsverfahren wegen Urheberrechtsverletzung ergab, dass die oben genannte IP-Nummer zum streitgegenständlichen Zeitpunkt dem Verfügungsbeklagten zugeordnet war. Die Verfügungsklägerin erlangte am 7.7.2006 erstmals Kenntnis von den vollständigen persönlichen Daten des Verfügungsbeklagten.

Mit Anwaltsschreiben vom 12.7.2006 wurde der Verfügungsbeklagte u. a. im Auftrag der Verfügungsklägerin unter Fristsetzung bis zum 21.7.2006 aufgefordert, es zu unterlassen, geschütztes Musikrepertoire auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sowie eine entsprechende, strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung wurde anwaltlich versichert.

Mit Schreiben vom 19.7.2006 bestellten sich die Bevollmächtigten des Verfügungsbeklagten für diesen und verlangten die Vorlage einer Original-Vollmacht seitens der Bevollmächtigten der Verfügungsklägerin. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wurde abgelehnt, da der Verfügungsbeklagte an keiner privaten Tauschbörse teilgenommen habe.

Mit Schreiben vom 25.7.2006 forderten die Bevollmächtigten der Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten erneut zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 28.7.2006 auf. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.

Die Verfügungsklägerin hat daraufhin nach Antrag vom 11.8.2006 eine am 14.8.2006 im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung (Az. 28 O 384/06) der Kammer erwirkt, durch die dem Verfügungsbeklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, die streitgegenständlichen Musikaufnahmen auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Kosten des Verfahrens sind in dem Beschluss der Kammer vom 14.8.2006 dem Verfügungsbeklagten auferlegt worden.

Mit Anwaltsschreiben vom 12.9.2006 erkannte der Verfügungsbeklagte gegenüber der Verfügungsklägerin die ergangene einstweilige Verfügung als endgültige Regelung bis auf den Kostenpunkt an und verzichtete insbesondere auf den Widerspruch und den Rechtsbehelf des § 926 ZPO. Unter dem 19.2.2007 wurde seitens des Verfügungsbeklagten Akteneinsicht beantragt. Mit Schriftsatz vom 5.4.2007 hat er Widerspruch gegen die Auferlegung der Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens eingelegt.

Die Verfügungsklägerin behauptet, unter dem 25.7.2006 auf sie lautende Originalvollmachten übersandt zu haben.

Nachdem der Verfügungsbeklagte einen auf den Kostenpunkt beschränkten Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt hat, beantragt die Verfügungsklägerin nunmehr,

den Widerspruch des Verfügungsbeklagten zurückzuweisen und ihm die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

die Kosten des Verfahrens der Verfügungsklägerin aufzuerlegen.

Der Verfügungsbeklagte behauptet, er selbst habe zu keinem Zeitpunkt an einer Tauschbörse teilgenommen und die angegebene IP-Adresse benutzt. Der Name „XAx“ sei ihm nicht bekannt, am 16.05.2006 um 19:14:53 Uhr sei er gar nicht zu Hause gewesen. Im Übrigen habe er seine Familienangehörigen angewiesen, den Computer nicht für Zwecke zu verwenden, die Rechte anderer verletzen könnten. Er ist der Ansicht, die Aufforderung zur Abgabe der Unterlassungserklärung sei rechtsmissbräuchlich, da die Abmahnungen standardisiert verfasst seien und offensichtlich der Gebührenerzielung dienten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Mit Beschluss vom 10.4.2007 ist angeordnet worden, dass eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren am 6.6.2007 getroffen werden soll.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Auf den in zulässiger Weise auf die Kosten beschränkten Widerspruch des Verfügungsbeklagten war der Beschluss der Kammer vom 14.8.2006 – 28 O 384/06 – auch im Kostenpunkt zu bestätigen.

Ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO lag nicht vor. Zwar hat der Verfügungsbeklagte den Beschluss der Kammer vom 14.8.2006 als endgültige Regelung akzeptiert und hiergegen lediglich Kostenwiderspruch eingelegt. Dies geschah jedoch erst nach Ablauf der durch den Verfügungskläger in dem Schreiben vom 12.7.2006 gesetzten Frist von 9 Tagen, die angesichts der Eilbedürftigkeit als angemessen anzusehen ist. Überdies wurde dem Verfügungsbeklagten durch Anwaltsschreiben vom 25.7.2006 erneut Gelegenheit gegeben, eine entsprechende Erklärung abzugeben. Indem er diese Fristen verstreichen ließ, hat der Verfügungsbeklagte Veranlassung zur Beantragung der einstweiligen Verfügung durch die Verfügungsklägerin gegeben. Veranlassung zur Anrufung des Gerichts im Sinne von § 93 ZPO hat ein Beklagter gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl., § 93 Rn. 3). Die Verfügungsklägerin musste annehmen, ohne Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht zu ihrem Recht zu kommen, weil in dem Schreiben vom 19.7.2006 die Abgabe der geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung gänzlich abgelehnt wurde und eine Reaktion auf die erneute Aufforderung vom 25.7.2006 unterblieb.

Letztlich ohne Belang ist hierbei, ob die Bevollmächtigten der Verfügungsklägerin tatsächlich auf sie lautende Original-Vollmachten übersandt haben. Zwar ist die Anwendbarkeit von § 174 BGB auf eine anwaltliche Abmahnung in Rechtsprechung Literatur umstritten (vgl. einerseits OLG Köln, WRP 1985, 360 f.; andererseits OLG Düsseldorf, WRP 2001, 52 f.; zum Ganzen: Busch, GRUR 2006, 477 ff. m. w. N.). Sollte § 174 BGB auf die Abmahnung direkt oder entsprechend anwendbar sein, so könnte der Abgemahnte die Abmahnung gegenüber dem Anwalt unverzüglich zurückweisen, falls dieser bei Übersendung des Abmahnschreibens keine Originalvollmachtsurkunde beifügt. Ein unwirksames Rechtsgeschäft läge hier jedoch auch bei grundsätzlicher Anwendbarkeit des § 174 BGB nicht vor. Das Abmahnschreiben vom 12.7.2006 enthielt nämlich zugleich die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. In dieser Aufforderung ist ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages bzw. eine Aufforderung zur Abgabe eines entsprechenden Angebots zu sehen. Insoweit handelt es sich jedoch nicht um ein „einseitiges Rechtsgeschäft“, auf das § 174 BGB Anwendung finden könnte (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.7.2000 – Az. 6 W 18/00).

Zudem ist die Auferlegung der Kosten auf den Verfügungsbeklagten auch insoweit gerechtfertigt, als bereits in dem Schreiben der Bevollmächtigten des Verfügungsbeklagten vom 19.7.2006 hinreichend deutlich wurde, dass selbst bei Vorlage einer Originalvollmacht die geforderte Erklärung nicht abgegeben werden würde. Die Verfügungsklägerin musste somit davon ausgehen, dass sie ihr Ziel auch bei Nachreichung der geforderten Vollmacht nicht ohne Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erreichen würde (vgl. zu diesem Aspekt OLG Hamburg, NJW 1986, 2119 f.). Denn die Abgabe einer Unterlassungserklärung wurde beklagtenseits nicht allein formal wegen der angeblich nicht vorgelegten Vollmacht sondern gerade inhaltlich wegen einer fehlenden Verantwortlichkeit des Verfügungsbeklagten für die behauptete Rechtsverletzung abgelehnt und auch für die Zukunft ausgeschlossen.

Eine fehlende Veranlassung im Sinne von § 93 ZPO folgt auch nicht aus der beklagtenseits vertretenen Auffassung, wonach das Unterlassungsbegehren der Verfügungsklägerin rechtsmissbräuchlich gem. § 242 BGB gewesen sei. Die illegale öffentliche Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Musikwerke hat in den letzten Jahren ein enormes Ausmaß angenommen. Das Unrechtsbewusstsein der Mehrzahl der Rechtsverletzer ist dabei erschreckend wenig ausgebildet. Durch das öffentliche Zugänglichmachen von Musiktiteln im Internet über Filesharing-Systeme wird die Musikindustrie jedes Jahr in einem ganz erheblichen Umfang geschädigt, was durch verstärkte Berichterstattung in den Medien auch seit einigen Jahren eindringlich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht wird. Dieser Umstand hat auch den Gesetzgeber inzwischen bewogen, tätig zu werden und die einschlägigen Gesetze zu verschärfen, um derartigen Rechtsverletzungen wirksam entgegen zu wirken und die Rechtsstellung der Urheber und der Inhaber von Nutzungsrechten zu stärken (vgl. hierzu auch OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 342). Vor diesem Hintergrund sind die verstärkten Bemühungen der Musikindustrie, gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen und diese zu unterbinden, zu sehen, die sich in der erhöhten Anzahl an Abmahnungen niederschlägt. Ein Rechtsmissbrauch kann darin nicht erblickt werden. Diese Bemühungen stellen sich vielmehr als legitime Wahrnehmung von berechtigten Rechten und Ansprüchen von Unternehmen wie dem der Verfügungsklägerin dar und darüber hinaus als einziges Mittel, um den Rechtsverletzungen wirksam und effektiv entgegen zu wirken.

Eine Prüfung, ob die einstweilige Verfügung zu Recht ergangen ist, erübrigt sich bei Einlegung eines Kostenwiderspruchs, da dieser als bindender Verzicht auf den Widerspruch in der Sache anzusehen ist (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 924 Rn. 5, m.w.N.). Da die Verfügungsbeklagte anwaltlich vertreten ist, kommt auch eine Umdeutung des ausdrücklich als Kostenwiderspruch bezeichneten Rechtsmittels in einen Widerspruch in der Sache insgesamt nicht in Betracht, zumal auch in der Begründung des Rechtsmittels der Widerspruch als auf die Kosten beschränkt angegeben wird.

Die Entscheidung über die weiteren Kosten des Verfahrens folgt aus § 91 ZPO. Das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil wirkt wie die ursprüngliche einstweilige Verfügung und ist daher ohne besonderen Ausspruch mit der Verkündung sofort vollstreckbar (Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 925 Rn. 9).

Streitwert: einstweilige Verfügung bis zum Widerspruch 40.000 EUR (4 x 10.000 EUR)

ab dem Widerspruch: Die Kosten des Verfahrens.