Die Anzahl von urheberrechtlichen Auskunftssprüchen, die vor dem LG Köln geltend gemacht werden, lag 2011 durchschnittlich bei über 700 pro Monat. Wenn man bedenkt, dass viele dieser Anträge jeweils eine große Vielzahl von zu ermittelnden Datensätzen enthalten, kann man die Dunkelziffer der deutschlandweit versendeten Abmahnungen erahnen.
Wer in illegalen Tauschbörsen die Urheberrechte Dritter verletzt und geschütztes Gut – seien es Filme, Musik oder Videospiele – anderen kostenfrei zugänglich macht, kann von den Rechteinhabern abgemahnt werden. So weit, so gut. Aber wie kann der Filesharer im weltweiten Netz gefunden werden? Schnell wird da der Begriff „IP-Adresse“ in den Raum geworfen. Eine IP-Adresse ist jedoch keinesfalls der direkte Draht zum Nutzer. Die IP-Adresse ist in der Regel eine in Zahlen ausgedrückte Adresse, die einem Internetanschluss zugewiesen wird, wenn der Router sich ins Netz einwählt.
Dazu kommt, dass IP-Adressen oftmals dynamisch vergeben werden, das heißt, dass die IP-Adresse nur für die Dauer einer Internetverbindung gültig ist. Geht man mit seinem DSL-Anschluss ins Internet, kann automatisch eine IP-Adresse für die Dauer der Verbindung zugewiesen werden. Diese kann sich somit bei jeder neuen Verbindung ändern.
Damit betroffene Rechteinhaber an den Nutzer hinter der IP-Adresse ermitteln können, muss seit September 2008 der zivilrechtliche Anspruch auf Auskunft nach § 101 UrhG gegeben sein. Nach dem Urhebergesetz entscheidet die Zivilkammer des Landgerichts, ob ein Auskunftsanspruch besteht. Da heißt es
„Wer in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in Anspruch genommen werden.“
Rechtsprechung zum „gewerblichen Ausmaß“
Streitig ist hierbei die Definition „gewerbliches Ausmaß“, von der die Bewilligung des Antrags abhängt und die von den OLGs unterschiedlich gehandhabt wird. So entschied das LG Berlin im März 2011
„Sofern ein Filmwerk noch in der relevanten Verwertungsphase rechtswidriger Weise im Internet öffentlich zugänglich gemacht wird, kann nicht von einer unerheblichen Rechtsverletzung […] ausgegangen werden.“
Hier wird das „gewerbliche Ausmaß“ über die „relevante Verwertungsphase“ definiert. So ist der Anspruch auf Auskunft für den Rechteinhaber gegeben. Doch auch dieser Begriff kann schwammig formuliert genutzt werden. Die Berufung auf eine „unerhebliche Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs“ im Sinne von §97a Abs. 2 UrhG wird daher kaum möglich sein, da auf Aktualität berufene Filme oder Musikstücke nie unerheblich sein werden. Die Wahrscheinlichkeit für Rechteinhaber, den Anspruch auf Antrag bewilligt zu bekommen, ist daher recht groß.
Auch das OLG Köln spricht sich für die relevante Verwertungsphase aus und erklärt, wie lange diese zu gewährleisten sei:
„Bereits das Anbieten nur eines urheberrechtlich geschützten Werkes in einer Internet-Tauschbörse kann zu einer Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaße führen. […] Ebenfalls kann es hierfür ausrechend sein, dass ein Werk innerhalb seiner relevanten Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht wird.“
Die relevante Verwertungsphase bemisst sich für Werke der Unterhaltungsmusik im Grundsatz auf sechs Monate unmittelbar ab Veröffentlichung.[…]Bei Hörbüchern, Hörspielen und ähnlichen nicht besonders aktualitätsbezogenen Werkgattungen sind längere Verwertungsphasen als bei Unterhaltungsmusik anzunehmen. […]Bei Filmwerken beginnt die relevante Verwertungsphase nicht mit dem Kinostart, sondern erst mit der Veröffentlichung des Films als DVD.“
Aktuelle Zahlen des LG Köln
Dass Rechteinhaber regen Gebrauch dieses Auskunftsanspruchs nach § 101 UrhG machen, zeigen aktuelle Zahlen und Fakten aus dem LG Köln:
Im monatlichen Durchschnitt betrug die Anzahl der Anträge auf Auskunftsansprüche im Jahr 2009 430. Das Jahr 2010 konnte einen Rekord-Schnitt von 979 verzeichnen. Im Jahr 2011 wurden es im Schnitt mit 749 Anträgen pro Monat zwar weniger, doch zeigt sich der rege Gebrauch der Norm § 101 UrhG. Und das lassen sich die Rechteinhaber gut und gerne 200 Euro pro Auskunft kosten. In einem Quartal des Jahres 2010 konnte sogar ein Rekordwert von 3.146 Anträgen verzeichnet werden.
Weil in die Zuständigkeit des OLG-Bezirks Köln auch das LG Bonn und damit der Sitz des Providers Deutsche Telekom fällt, musste eine eigene Geschäftsstelle für Urhebersachen eingerichtet werden. Im LG Köln beschäftigen sich drei bis vier Zivilkammern mit dem Thema Filesharing. Die anderen 30 Zivilkammern beschäftigen sich im Wechsel, den so genannten „Urheberrechtswochen“, mit der Bearbeitung von Anträgen. Eine Zeit lang waren dem LG Köln 17-Arbeitskraftanteile zugewiesen, inzwischen sind es wegen zurückgehender Eingangszahlen „nur“ noch 14 Anteile.