Der BGH wird sich am 12.Mai 2016 erneut mit der Thematik der Haftung im Rahmen der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen befassen. Es handelt sich um 6 Revisionsverfahren mit 4 verschiedenen Sachverhalten.
Zweite Instanzen nehmen Beklagte tendenziell in die Haftung
In drei Fällen (Az.: I ZR 272/14, I ZR 1/15 und I ZR 44/15) sind die Klägerinnen Inhaber diverser Filmrechte. Die Klägerinnen nehmen die jeweiligen Beklagten auf Schadensersatz sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch, denn diese hätten im Wege des Filesharing über ihren Internetanschluss die Filmwerke öffentlich zugänglich gemacht. Obgleich in erster Instanz nur einem Verfahren teilweise stattgegeben wurde, so hat das Landgericht in zweiter Instanz auch die anderen beiden für begründet erachtet und die Beklagten in allen drei Verfahren zur Erstattung der Abmahnkosten verurteilt.
In einem weiteren Verfahren (I ZR 43/15) hat die Klägerin die Rechte an einem Computerspiel inne, welches vom Internetanschluss des Beklagten öffentlich zugänglich gemacht wurde. Die Klägerin nahm den Beklagten auf Ersatz der Abmahnkosten in Anspruch. Vor dem Amtsgericht hatte die Klage in Höhe eines Betrages von 39 € Erfolg. In zweiter Instanz hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 192,90 € verurteilt. Die Summe wurde aus einem Gegenstandwert für den vorgerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch in Höhe von 2.000 € errechnet.
Im Revisionsverfahren I ZR 48/15 nehmen die Klägerinnen den Beklagten wegen der öffentlichen Zugänglichmachung von 809 Audiodateien auf Schadensersatz sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Der Beklagte hatte die Aktivlegitimation der Klägerinnen, die Richtigkeit der Ermittlungen sowie die Täterschaft bestritten. Er hat darauf verwiesen, dass auch die zum Tatzeitpunkt im Haushalt lebende Ehefrau und die damals 15 und 17 Jahre alten Kinder, die regelmäßig belehrt worden seien, Zugriff auf die beiden vorhandenen Computer hatten. Das Landgericht hat die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten im Berufungsverfahren bis auf einen Teil der Abmahnkosten entsprechend dem klägerischen Antrag verurteilt. Das Gericht führte in seinen Entscheidungsgründen an, dass keine konkreten Anhaltspunkte von dem Beklagten aufgezeigt worden seien, die Zweifel an der Richtigkeit der Ermittlungen wecken könnten. Weiterhin führt das Gericht aus, dass wenn ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht worden sei, die zum Tatzeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt gewesen sei, eine tatsächliche Vermutung dafür spreche, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich sei. Dies gelte auch bei Familienanschlüssen, wie im vorliegenden Fall. Die gegen den Beklagten als Anschlussinhaber sprechende tatsächliche Vermutung der Täterschaft sei nicht widerlegt worden.
Die Klägerin im Verfahren I ZR 86/15 ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an dem Film „Silver Linings Playbook“. Sie hat die Beklagte wegen unerlaubten öffentlichen Zugänglichmachens des Werks auf Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 755,80 € (Gegenstandswert in Höhe von 15.000 €) in Anspruch genommen. Die Beklagte hat eingewandt, ihre in Australien lebende Nichte und deren Lebensgefährte hätten während ihres Besuchs mithilfe des ihnen überlassenen WLAN-Passworts die Verletzungshandlung begangen. Das Passwort sei Ihnen zwecks E-Mail abrufen und der Nutzung von Skype überlassen worden. Weder die Nichte, noch deren Lebensgefährten wurden von der Beklagten darauf hingewiesen, dass eine illegale Nutzung von Internet-Tauschbörsen zu unterbleiben habe. Das Amtsgericht hat die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Das Landgericht hat die Beklagte im Berufungsverfahren jedoch aufgrund der Annahme, die Beklagte sei als Störerin für die durch ihre Nichte und deren Lebensgefährten begangene Rechtsverletzung verantwortlich, verurteilt. Eine Belehrungspflicht bestehe auch gegenüber einem volljährigen Dritten, der nicht als Familienangehöriger anzusehen sei.
Die Erwartungen an den BGH
Erneut muss sich der BGH mit der Frage der Haftung in Filesharing-Verfahren befassen. Im Rahmen der Morpheus-Entscheidung lehnte das Gericht eine dauerhafte Kontrolle von Minderjährigen durch den Aufsichtspflichtigen ab und machte die Aufsichtspflicht vom Alter, der Eigenart und dem Charakter des Kindes abhängig machte, sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Eine Belehrung muss entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BGH jedoch grundsätzlich vorab erfolgen – andernfalls hat der BGH bisher eine Haftung der Eltern für die Minderjährigen angenommen.
Anders entschied der BGH im Falle von Verstößen durch volljährige Familienangehörige. Zwischen ihnen bestehe ein besonderes Vertrauensverhältnis und Volljährige seien für sich selbst verantwortlich. Deswegen dürfe der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen, solange er keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Internetanschlusses habe.
Ob der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung hinsichtlich der Belehrungspflichten festhält und diese ggf. noch erweitert oder sich den strengeren Auffassungen der zweitinstanzlichen Gerichte anschließt, wird sich nun zeigen. Jedenfalls werden die Entscheidungen hinsichtlich aller 6 Revisionsverfahren auf die zukünftige Rechtsprechung der Amts- und Landgerichte Einfluss nehmen. (MPE)