Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. hat im Rahmen eines am 26.09.2011 verkündeten Beschlusses (AZ: 11 U 53/11) zur Frage der Darlegungs- und Beweislast in sog. Filesharing-Verfahren in begrüßenswerter Weise Stellung bezogen. Die Richter haben insbesondere an die Durchführung einer Beweisaufnahme „appelliert“, welche bislang leider zu häufig bei Filesharing-Verfahren von den Gerichten offenbar als nicht notwendig erachtet wird.

1. Worum geht es bei der Darlegungs- und Beweislast in sog. Filesharing-Verfahren überhaupt?

Wird ein Anschlussinhaber wegen sog. illegalen Filesharings in Anspruch genommen, begründet die Zuordnung der IP-Adresse nach der Rechtsprechung eine erste Vermutung dahingehend, dass der Anschlussinhaber selbst für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, also er selbst Filesharing betrieben hat. Der Bundesgerichtshof hat hierzu in seiner bekannten „Sommer unseres Lebens“ – Entscheidung vom 12.05.2010 (AZ: I ZR 121/08) erklärt, dass dem Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast obliegt, diese Vermutung zu entkräften, wenn er geltend machen will, er selbst habe die Rechtsverletzung nicht begangen.

Ein Anschlussinhaber kann sich also nicht auf ein schlichtes Bestreiten beschränken („Ich war es nicht!“), sondern muss seinen Vortrag präzisieren, also vortragen und gegebenenfalls auch beweisen, warum der Vorwurf nicht stimmen kann („Ich war doch im Urlaub!“). Schweigt er, bleibt es grundsätzlich bei der Vermutung, dass er selbst die vorgeworfene Urheberrechtsverletzung (illegales Filesharing) begangen hat und er haftet auf Unterlassung, Schadensersatz und Abmahnkosten.

2. Der Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M.

Im Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M., es handelte sich um das Berufungsverfahren, hatte der Beklagte, der von der Klägerin wegen illegalen Filesharings in Anspruch genommen wurde, bereits erstinstanzlich Beweis dafür angeboten, dass er zu den maßgeblichen Zeitpunkten ortsabwesend war und zu diesen Zeitpunkten in seiner Wohnung allein gelebt hat. Diesen Beweisangeboten hätte nach Auffassung des OLG auch nachgegangen werden müssen, was vor dem Landgericht in der ersten Instanz jedoch nicht erfolgte.

Das OLG erteilte damit der entgegenstehenden Auffassung des Landgerichts eine Absage. Dieses vertrat nämlich die Ansicht, der Beklagte sei nicht ausreichend der ihm obliegenden sekundären Darlegungs- und Beweislast nachgekommen, so dass von einer täterschaftlichen Rechtsverletzungshandlung seinerseits auszugehen gewesen sei. Es stützte seine Argumentation auf das Vorbringen der Klägerin, die erst im nachgelassenen Schriftsatz vortragen ließ, dass es auf die Ortsabwesenheit alleine nicht ankomme, solange der Computer nicht ausgeschaltet sei. Der Beklagte erwidert daraufhin, dass er üblicherweise seinen Computer bei Verlassen der Wohnung ausschalte und bot hierfür seine Vernehmung als Partei an. Im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem OLG ergänzte die Klägerin dann wiederum, dass nicht maßgeblich sei, ob der Computer selbst ausgeschaltet gewesen sei, sondern allein, ob über den Internetanschluss des Beklagten eine Internetverbindung hergestellt wurde. Unabhängig von dem Widerspruch des klägerischen Vortrags überzeugte dies das OLG deswegen nicht, weil es nach Auffassung des Senats für eine täterschaftliche Begehung des Anschlussinhabers gerade „auf den Aktivierungszustand des Computers“ ankomme.

Ist der Computer zum maßgeblichen Zeitpunkt eben nicht aktiviert, d.h. nicht angeschaltet, kann nicht auf ein täterschaftliches Verhalten des Anschlussinhabers geschlossen werden. Ein aktivierter Internetanschluss allein – wie die Klägerin hier versuchte zu argumentieren – begründet sowieso keine Haftung als Täter, sondern, so sah es der Senat, allenfalls eine Haftung als sog. Störer.

Insofern hätte nach zutreffender Auffassung des OLG zum einen bereits vor dem Landgericht eine Beweisaufnahme stattfinden müssen, um zu klären, ob der Beklagte tatsächlich täterschaftlich in Anspruch genommen werden kann. Wenn die Beweisaufnahme ergeben hätte, dass der Beklagte nicht Täter der Urheberrechtsverletzung ist, hätte zum anderen der Frage der Störerhaftung nachgegangen werden müssen, ebenfalls durch Durchführung einer Beweisaufnahme. Es hätte ein Sachverständigengutachten zur Frage eingeholt werden müssen, ob eine WEP-Verschlüsselung für den bereits im November 2005 angeschafften WLAN-Router marktüblich war.

Denn ein Anschlussinhaber haftet nach Auffassung der Rechtsprechung für Rechtsverletzungen anderer, wenn er seinen Internetanschluss nicht in zumutbarer Weise hinreichend vor unberechtigten Eingriffen Dritter schützt. Ein WLAN-Router, der zum Kaufzeitpunkt nicht in marktüblicher Weise verschlüsselt wird, begründet bei einer darauf beruhenden Urheberrechtsverletzung über den unzureichend gesicherten Internetanschluss eine Haftung des Anschlussinhabers als sog. Störer auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten (BGH, Urteil vom 12.05.2010, I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens). Da der BGH in der benannten Entscheidung aber auch klarstellte, dass es für einen Anschlussinhaber nicht zumutbar ist, unter Aufwendung von finanziellen Mitteln einen Router fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen, muss hier konkret die Frage geklärt werden, ob die Verschlüsselung nach WEP im Jahre 2005, als der Beklagte den Router anschaffte, noch marktüblich war.

Das OLG selbst brauchte im Ergebnis die Beweisaufnahme nicht durchführen, weil die Parteien den Rechtsstreit im Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten. Das OLG hatte daher nur noch über die Kosten im Wege des hier in Rede stehenden § 91a-Beschlusses zu entscheiden, bei dem die Erfolgsaussichten der Klage vom Gericht noch einmal summarisch betrachtet werden, wenn sie bis zum Ende durch Urteil durchgeführt worden wäre. Da der Ausgang des Verfahrens gerade von einer Beweisaufnahme abhängig gewesen wäre und somit das Ergebnis offen war, konnten auch folgerichtig nicht dem Beklagten die Kosten aufgebürdet werden, so, als hätte er das Verfahren verloren; die Kosten waren gegeneinander aufzuheben, so dass jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten trägt und die Gerichtskosten geteilt werden.

3. Fazit

Beweisangebote eines Anschlussinhabers, die den Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung wegen illegalen Filesharings entkräften können, müssen auch ernst genommen werden. Ein Anschlussinhaber ist nur dann Täter und haftet auf etwaigen Schadensersatz, wenn seine Täterschaft auch beweissicher feststeht. Es darf nicht vergessen werden, dass den Rechteinhabern die Beweislast obliegt, ob jemand Täter ist oder nicht. Kann ein Anschlussinhaber die Vermutung seiner eigenen Täterschaft gerade auch durch Beweise entkräften, kann von einem täterschaftlichen Handeln desselben daher auch nicht mehr ohne weiteres ausgegangen werden. Eine Beweisaufnahme ist daher unumgänglich und erst danach darf das Gericht unter Würdigung aller Umstände eine Entscheidung darüber treffen, ob es einem Anschlussinhaber glaubt oder nicht, ob er auch als Täter auf Schadensersatz haftet oder nicht, ggf. auch mit der weitergehenden Beurteilung, ob er als Störer haftet oder nicht.

Dies entspricht den ganz normalen Grundsätzen der Zivilprozessordnung, scheint aber leider in Urheberrechtsstreitigkeiten gerade wegen illegalen Filesharings in Vergessenheit zu geraten, so dass oftmals schon in frühem Stadium eines Verfahrens einem in Anspruch genommenen Anschlussinhaber „der Hahn zugedreht wird“.

Wegen des Kostenrisikos vermeiden es dann auch die meisten Anschlussinhaber sich dem weiter entgegenzustellen (Urheberrechtsstreitigkeiten sind von Rechtsschutzversicherungen grundsätzlich auch nicht umfasst, so dass ein in Anspruch genommener Anschlussinhaber alles Blank aus eigener Tasche zahlen muss). Dass ein Rechteinhaber durchaus auch leer ausgehen könnte bzw. muss, wenn er den Beweis für ein verantwortliches Verhalten des Anschlussinhabers nicht führen kann, scheint in der Rechtsprechung in diesen Urheberrechtsstreitigkeiten völlig undenkbar zu sein. Dieses Risiko trägt jedoch jeder Kläger in einem von ihm angestrengten Zivilverfahren, somit auch ein Rechteinhaber in Filesharing-Verfahren.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. ist daher absolut begrüßenswert.