Die umstrittene EU-Urheberrechtsrichtlinie muss bis zum 7. Juni 2021 in deutsches Recht umgesetzt werden. Deutschland erklärt in einer Protokollnotiz, man wolle die mit der Richtlinie drohenden Upload-Filter nach Möglichkeit vermeiden. Nun hat das Justizministerium eine öffentliche Anhörung durchgeführt – bis zum 6. September konnten „interessierte Kreise“ vorschlagen, wie Deutschland die Richtlinie umsetzen könnte. RA Christian Solmecke hat mit Unterstützung von Sebastian Kluge von der ContentView GmbH einen eigenen Vorschlag beim Bundesjustizministerium eingereicht.
Die Urheberrechtsrichtlinie ist am 6. Juni 2019 in Kraft getreten und bis zum 7. Juni 2021 in deutsches Recht umzusetzen. Nun haben die EU-Staaten also noch knapp zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Die Bundesregierung verfolgt dabei mit einer ergänzenden Protokollerklärung den Plan, Artikel 13 (jetzt Artikel 17) – soweit möglich – ohne das Instrument der Upload-Filter durchzusetzen. Zur Frage, wie genau das in der Praxis und im Einklang mit dem Europarecht gelingen soll, holte sich die Regierung zunächst einmal die Meinung der anderen ein. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion zeigt, dass das Bundesjustizministerium zwar bereits mit der Arbeit an einem Umsetzungsgesetz der vor einem halben Jahr beschlossenen Reform des EU-Urheberrechts begonnen-, hierbei aber noch keine Lösung für die Frage der umstrittenen Uploadfilter gefunden hat.
Justizministerium führt öffentliche Anhörung durch
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat hierzu eine öffentliche Konsultation zur Umsetzung u.a. der Richtlinie zur EU-Urheberrechtsform durchgeführt. Mit Schreiben vom 28. Juni 2019 hat das Bundesjustizministerium „interessierte Kreise“ aufgefordert, umfassend zur Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie bis zum 6. September 2019 Stellung zu nehmen. Das Ministerium bat, dabei u.a. folgendes zu beachten:
1. Sie können in Ihrer Stellungnahme die Richtlinien sowohl kommentieren als auch konkrete Regelungstexte für die Umsetzung in das deutsche Recht vorschlagen.
2. Wir wären dankbar, wenn Sie sich bei Ihrer Stellungnahme an der Gliederung orientieren würden, die Sie nachstehend auf Seite 3 bis 5 unter A. bis C. finden. Dies erleichtert es sowohl der interessierten Öffentlichkeit als auch uns als federführendem Ministerium, die Stellungnahmen auszuwerten. (…)
Sie können sich hierbei selbstverständlich auf Teilaspekte bzw. die Sie interessierenden Fragen beschränken. Beziehen Sie sich bei Ihren Anmerkungen nach Möglichkeit auf die jeweiligen Normtexte und Erwägungsgründe der beiden Richtlinien bzw. auf die Ziffern der Erklärung Deutschlands vom 15. April 2019. (Protokollerklärung, Anm. d. Red.)
Schreiben des BMJV vom 28. Juni 2019
Christian Solmecke zur Anhörung durch das BMJV und seinen eingereichten Vorschlag:
Grundsätzlich begrüße ich die Konsultation natürlich. Immerhin gibt sie Interessenten die Möglichkeit, sich öffentlich zu äußern. Diese Gelegenheit habe natürlich auch ich nutzen wollen und daher am 6. September noch einen eigenen Vorschlag beim BMJV eingereicht.
Schade ist allerdings, dass die Konsultation voll in die Sommerferien in Deutschland fällt. Hier lag „Business Deutschland“ nahezu lahm. Angesichts des Umsetzungszeitraums bis 2021 hätte man die Abgabefrist für Stellungnahmen auch auf Oktober oder November 2019 legen können. Ich hoffe, dennoch, dass sich ausreichend Sachverständige an der Diskussion beteiligt haben.
Wieso hier nicht schon konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt wurden, ist mir schleierhaft. Möglicherweise weiß die Regierung selbst nicht so genau, wie die Richtlinie umgesetzt werden und gleichzeitig auf Upload-Filter verzichtet werden kann. Die Schwierigkeit bei der Umsetzung in nationales Recht besteht nämlich darin, eine Regelung zu finden, die – soweit möglich – auf die präventive Blockade von Inhalten durch Upload-Filter verzichtet und gleichzeitig noch EU-rechtskonform ist. Hier hätte ich mir gerne schon vor der Konsultation konkrete Hinweise seitens des Justizministeriums gewünscht.
Nichtsdestotrotz habe ich mit dem nun eingereichten Vorschlag versucht, den „Spagat“ zu schaffen zwischen einer Regelung, die sich noch im Rahmen des verabschiedeten Textes der Richtlinie sowie des sonstigen EU-Rechts bewegt und die Meinungsfreiheit im Internet größtmöglich berücksichtigt.
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Die wesentlichen Punkte des Vorschlags von RA Solmecke:
Das vollständige eingereichte Dokument (PDF) finden Sie hier.
Der Vorschlag ist mit fachlicher Unterstützung von Sebastian Kluge von der ContentView GmbH entstanden.
Der eingereichte Vorschlag beginnt einleitend mit folgenden Worten:
„Zunächst möchte ich anregen, dass die Bundesregierung in Erwägung zieht, ihre am Schluss der Protokollerklärung geäußerte Absicht, notfalls auf eine Veränderung der Defizite auf EU-Ebene hinzuwirken, bereits jetzt umzusetzen. Meines Erachtens führt eine europarechtskonforme Umsetzung der Richtlinie in der jetzigen Form zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Informations-, Meinungs- und Berufsfreiheit im Internet. Upload-Filter werden unvermeidbar sein, um sich nicht in Widerspruch mit geltendem EU-Recht zu setzen.
Sollte sich die Bundesregierung allerdings dazu entschließen, den aktuellen Richtlinientext dennoch umzusetzen, so bin ich – wie auch die Bundesregierung in ihrer Protokollerklärung – der Auffassung, dass es wichtig ist, alles zu unternehmen, um die präventive, automatisierte Blockade urheberrechtlich geschützten Materials durch Upload-Filter nach Möglichkeit zu verhindern bzw. unnötig zu machen. In den Fällen, in denen der Einsatz solcher Technologien aus rechtlichen Gründen dennoch notwendig ist, sollte dies unter größtmöglicher Berücksichtigung der Meinungsfreiheit geschehen.“
Damit soll klargestellt werden, dass der hier präsentierte Vorschlag keinesfalls die von mir favorisierte Lösung ist, sondern nur ein Versuch, durch Drehen verschiedener Stellschrauben zu retten, was zu retten ist. Anschließend fokussiere ich mich im Wesentlichen auf folgende Aspekte:
Nur große Plattformen sollten verpflichtet werden
Die Verpflichtungen aus Artikel 17 sollten nur die „Großen“ Plattformen wie Facebook, Instagram, YouTube, Twitter und vergleichbar marktrelevante Netzwerke treffen. Möglich wäre diese Einschränkung von Artikel 17 durch die Anwendung von Erwägungsgrund 62 der Richtlinie.
Praktikables System der Lizenzierung
Das System der Lizenzierung von Inhalten muss möglichst praktikabel gestaltet werden, sodass von den Plattformen nichts Unmögliches verlangt wird. Dabei plädiere ich allerdings dafür, auf die Möglichkeit der kollektiven Rechtewahrnehmung durch die Verwertungsgesellschaften zu verzichten, weil dies die Vertragsfreiheit der Urheber unnötig einschränkt. Es muss ein anderes System gefunden werden, dass möglichst viele Rechteinhaber abdeckt, ohne dass von den Plattformen Unmögliches verlangt wird. Ein solches System sollte sich primär auf die marktrelevanten „Majors“ eines Landes, die jeweiligen branchenrelevanten Verwertungsgesellschaften sowie ggf. auf Rechteinhaber aus Branchen beschränken, für die es (noch) keine Verwertungsgesellschaft gibt – z.B. für Games. Darüber hinaus sollten Vertragsverhandlungen mit Individuen bzw. kleineren Rechteinhabern zwar auf Initiative der Rechteinhaber möglich sein – hier müssen jedoch weniger strenge Anforderungen an die Anstrengungen der Plattformen gestellt werden.
Upload-Filter lassen sich vermutlich nicht gänzlich vermeiden …
Bedauerlicherweise ist es der EU nicht gelungen, einen Richtlinientext vorzulegen, der einen sicheren Handlungsspielraum für die von mir und vielen anderen Juristen favorisierte Lösung einer neuen (Bagatell-)Schranke für private, wenig eingriffsintensive Nutzungen verbunden mit einer gesetzlichen Pauschalabgabe lässt. Nach fast einhelliger Auffassung in der juristischen Literatur wäre eine Umsetzung eines vergleichbaren Vorschlags nicht europarechtskonform und zwar aus folgenden Gründen:
- Artikel 17 ist an dieser Stelle eindeutig. Sollten Lizenzverhandlungen scheitern und die Rechteinhaber es wünschen, so gibt Artikel 17 ihnen das Recht, von den betroffenen Diensteanbieter zu verlangen, bereits den Upload ihre geschützten Materials zu verhindern.
- Einen Kontrahierungszwang für die Rechteinhaber sieht Artikel 17 gerade nicht vor, sodass eine verpflichtende Pauschallizenz gegen den expliziten Wortlaut von Artikel 17 verstoßen würde.
- Darüber hinaus sind die Schrankenregelungen aus Art. 5 RL 2001/29/EG abschließend – und eine Bagatellschranke bzw. eine andere Schranke für private Nutzer darunter zu subsumieren, ist juristisch zumindest sehr bedenklich.
- Schließlich wäre – so sieht es auch die Bundesregierung – eine unterschiedliche Regelung in den einzelnen EU-Ländern nicht praxistauglich, sodass ein deutscher Alleingang ausgeschlossen werden sollte.
Dennoch bitte ich die Bundesregierung, zu prüfen, ob nicht über eine extensive Auslegung der europäischen Schrankenregelungen private Nutzungen – bei Musik und Filmen zumindest unterhalb einer gewissen Zeitgrenze – weitestgehend legalisiert werden könnten.
Sollte eine solche Lösung nicht möglich sein, stellt sich die Frage: Wie könnte der Einsatz von Upload-Filtern weitestgehend vermieden werden?
… daher sollte man die Filter-Pflichten auf ein Minimum beschränken
Sollte sich die Einrichtung von Upload-Filtern aus rechtlichen Gründen nicht vermeiden lassen, so ist es wichtig, die Pflicht zur Blockade sehr eng auszulegen und stets von der Entscheidung der Rechteinhaber abhängig zu machen. Es ist absolut zu vermeiden, dass Werke (übermäßig) automatisiert gefiltert werden. Derzeit werden die Filtersysteme primär zur Identifikation von urheberrechtsverletzenden Werken genutzt und nicht zur automatischen Blockade. So entscheidet der Rechteinhaber, ob er einen gefundenen Inhalt monetarisieren, sperren oder dulden möchte. Diese Situation sollte weitestmöglich beibehalten werden. Wie dies im Detail gelingen soll, erläutere ich ausführlich in meinem Vorschlag.
Extensive Umsetzung der zulässigen Schrankenregelungen
Zur Sicherung der Meinungs- und Kunstfreiheit ist es wichtig, dass die zukünftig verpflichtend einzurichtenden Schrankenregelungen für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen sowie zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches europaweit einheitlich möglichst weit ausgelegt werden. Es sollte dabei möglichst sichergestellt werden, dass – so wie vom EU-Gesetzgeber gewollt – gängige Internetphänomene wie Memes, Mashups und Remixe zukünftig weitestgehend zulässig sind, ohne dass hier für die Nutzer Rechtsunsicherheit besteht. Dies ist neben einer möglichen Bagatellschranke für private Nutzer vor allem deshalb relevant, weil auch viele kommerziell agierende Künstler auf diese Stilmittel zurückgreifen. Neben einer Neueinführung von Schranken wie Karikatur, Parodie und Pastiche sollte Deutschland dringend sein Zitatrecht erweitern. Eine Neugestaltung dieser Schrankenregelung ist auch im Hinblick auf das kürzlich ergangene Urteil des EuGH „Metall auf Metall“ dringend notwendig.
Keine automatische Blockade bei zulässigen Nutzungen
Sollte die Nutzung eines Werkes unter eine Ausnahmeregelung des Urheberrechts (Schranke) fallen, so darf dieser Inhalt nicht automatisch blockiert werden. Denn das Problem ist: Automatische Filtersysteme können den Kontext, in dem ein Werk gepostet wurde, nicht erkennen. Die Folge wäre ein sog. „Overblocking“ eigentlich zulässiger Inhalte. Die Nutzer hier auf ein nachgelagertes Beschwerdeverfahren zu verweisen, wäre der Meinungsfreiheit nicht dienlich. Zunächst würden sich viele Nutzer hiervon abschrecken lassen, außerdem würden Live-Streams zunichte gemacht. Daher schlage ich folgendes Verfahren vor:
Die Diensteanbieter sollten gesetzlich dazu verpflichtet werden, in unmittelbarer Nähe des Upload-Buttons ein Feld anzubieten, welches Nutzer leicht finden und nutzen können, um ihren Beitrag als unter eine Schranke fallend zu kennzeichnen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Nutzer in unmittelbarer Nähe dieses Feldes die Möglichkeit haben, sich über zulässige Nutzungen zu informieren. Ähnlich den Vorgaben zu den Informationspflichten in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sollten die Plattformen daher verpflichtet werden, in unmittelbarer Nähe dieses Buttons auf eine transparente, übersichtliche und leicht verständliche Aufklärung über die Rechte der Nutzer zu verlinken.
Sollte ein Inhalt gekennzeichnet werden, wird dieser nicht automatisch blockiert. Im Falle eines „Matches“ wird er lediglich – wie bisher – an die Rechteinhaber gemeldet. Diese haben dann die Möglichkeit, individuell darauf zu reagieren. Sollten sie der Meinung sein, der gemeldete Inhalt falle nicht unter eine Schranke, so können sie den Diensteanbietern eine entsprechende Meldung abgeben und um Prüfung bitten. Bereits in diesem Stadium können sie angeben, ob sie im Fall einer Urheberrechtsverletzung eine Nachlizenzierung oder eine Sperrung wünschen. Die letztendliche Entscheidung, ob der Inhalt eine der Schrankenregelungen erfüllt, muss aber aus Gründen der Neutralität bei den Diensteanbietern bleiben. Diese bleiben damit weiterhin die Ansprechpartner von Rechteinhabern und Nutzern.
Dem Risiko des Missbrauchs eines solchen Mechanismus zur Sicherung der Meinungs- und Kunstfreiheit können die Diensteanbieter durch eine entsprechende Gestaltung ihrer Nutzungsbedingungen begegnen. Nutzer, die wiederholt diesen Mechanismus für Urheberrechtsverletzungen missbrauchen, können dann von den Diensteanbietern sanktioniert werden.
Welche weiteren Vorschläge stehen im Raum?
Nun muss die Richtlinie innerhalb der nächsten zwei Jahre in das nationale Urheberrecht umgesetzt werden. Zumindest von Seiten der deutschen Regierung wurde bereits mehrfach klargestellt, dass man beabsichtigt, bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht den Auslegungsspielraum voll auszuschöpfen.
Bereits jetzt, wo auf EU-Ebene eine Reform verabschiedet wurde, die eigentlich – dem Text nach – Upload-Filter sowohl für große als auch für kleinere Unternehmen fordert, kommen von Seiten der deutschen Koalitionspartner Vorschläge, wie man Artikel 13 doch noch entschärfen könnte. Sowohl die SPD als CDU/CSU betonen inzwischen, dass sie prinzipiell gegen Uploadfilter seien.
Ergänzende Protokollerklärung des deutschen Justizministeriums
Justiziministerin Barley (SPD) hat nach einer langen Absprache innerhalb der Bundesregierung am Wochenende bei der Abstimmung im Rat noch eine rechtlich nicht bindende, ergänzende 5-seitige Protokollerklärung hinzufügen lassen. Solche Erklärungen können nach der Geschäftsordnung des Rates zwar abgegeben werden, allerdings kann die Tragweite einer Richtlinie dadurch aber nicht eingeschränkt werden. Sie könnten lediglich die Auslegung des Wortlauts der Richtlinie bestätigen.
Gleich zu Anfang heißt es dort:
„Die Bundesregierung bedauert zugleich, dass es nicht gelungen ist, ein Konzept zur urheberrechtlichen Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen zu verabreden, das in der Breite alle Seiten überzeugt.“
Die Regierung möchte bei den vorgesehenen Dialogen mit allen betroffenen Interessengruppen darauf hinarbeiten, nicht nur für eine angemessene Vergütung der Kreativen zu sorgen, sondern auch Uploadfilter zu verhindern, die Meinungsfreiheit sicherzustellen und die Nutzerrechte zu wahren. Ziel ist, dass in diesem Dialog eine unionsweit einheitliche Umsetzung vereinbart wird. Offenbar möchte die Regierung also gerade keinen Flickenteppich an Regelungen schaffen, indem sie nur für Deutschland Sonderregeln plant, die in anderen EU-Staaten nicht gelten. Ob sich das so umsetzen lassen wird, bleibt abzuwarten.
Klar wird in der Erklärung folgendes: Bei der Umsetzung der Richtlinie in Deutschland will sich die Regierung zunächst von dem Ziel leiten lassen, ohne das Instrument Uploadfilter auszukommen. Die Verpflichtung zum „stay down“, also die dauerhafte Entfernung von Inhalten, stoße mit Blick auf mögliche Upload-Filter auf ernsthafte Bedenken, heißt es in dem Papier. Ziel müsse es daher sein, sie weitgehend unnötig zu machen. So sei es z.B. denkbar, dass die Nutzer beim Upload mitteilen, dass sie Inhalte Dritter erlaubterweise hochladen. Dann dürfte der Inhalt nicht mehr durch eine Maschine, sondern nur nach menschlicher Überprüfung gelöscht werden.
Gleichzeitig wird aber deutlich, dass die Regierung selbst nicht ganz von der Möglichkeit überzeugt ist, dass es ohne Filtersysteme geht. So heißt es an einer anderen Stelle: Wenn überhaupt technische Lösungen zum Einsatz kommen müssten, solle die EU „die Entwicklung von Open-Source-Technologien mit offenen Schnittstellen (APIs) fördern“. So könne „verhindert werden, dass marktmächtige Plattformen mittels ihrer etablierten Filtertechnologie ihre Marktmacht weiter festigen.“ Zugleich müsse die EU Konzepte entwickeln, die einem „de-facto-Copyright-Register in der Hand marktmächtiger Plattformen durch öffentliche, transparente Meldeverfahren entgegenwirkt.“
Zudem werde klargestellt werden müssen, dass die Regelungen lediglich auf die marktmächtigen Plattformen zielten, „die große Massen von urheberrechtlich geschützten Uploads zugänglich machen und hierauf ihr kommerzielles Geschäftsmodell gründen, also auf Dienste wie beispielsweise YouTube oder Facebook.“
Die Rechtsinhaberschaft an Inhalten, die entfernt werden sollen, soll hinreichend belegt werden müssen – es sei denn, die Information stamme von einem „trusted flagger“. So soll wohl der Gefahr eines Missbrauchs des Urheberrechts z.B. durch politische Gegner verhindert werden. Vergleichbares war in der Vergangenheit schon vorgekommen.
Die Nutzung geschützter Inhalte innerhalb gewisser Grenzen soll – so ähnlich wie es auch die CDU vorsieht – ohne Vergütung für Kritiken oder Parodien erlaubt werden. Darüber hinaus gehende Nutzungen sollen zu fairen Tarifen und mit zumutbarem Aufwand lizenziert werden müssen. Von den Plattformen dürfe nichts Unzumutbares verlangt werden. Dabei solle sichergestellt werden, dass das Geld vor allem auch bei den Kreativen ankommen und nicht nur bei den Labels, Verlagen oder Produzenten. Wie genau das geschehen soll, werde die Bundesregierung noch prüfen. Denkbar seien etwa Schranken, verbunden mit Vergütungsansprüche (also etwa Pauschalabgaben wie bei der Privatkopie), die Möglichkeit der Umwandlung von Ausschließlichkeitsrechten in Vergütungsansprüche, ein Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen bzw. die Einschaltung von Verwertungsgesellschaften.
Letztlich liest sich das Papier wie ein halbherziges, unentschlossenes Vorhaben, jetzt zu flicken, was auf europäischer Ebene nicht geflickt werden konnte. Mehr oder weniger gibt man offen zu, dass die EU versagt hat und jetzt gerettet werden muss, was zu retten ist. Immerhin: Sollte trotz einer nationalen Umsetzung, die sich so weit wie möglich vom Text der Richtlinie entfernt, wie es rechtlich zulässig ist, die Meinungsfreiheit beschränkt werden, werde die Regierung „darauf hinwirken, dass die festgestellten Defizite des EU-Urheberrechts korrigiert werden.“ So lautet der Abschlusssatz der Erklärung. Wenn es dann mal nicht zu spät ist.
Vorschlag der CDU für eine nationale Umsetzung ohne Upload-Filter
Die CDU im Europaparlament hat die Reform und Berichterstatter Axel Voss zwar von Anfang an unterstützt. Vorschläge wie die der SPD, den Grundsatz „bezahlen statt blocken“ im EU-Text zu verankern, sind von der Union im Parlament abgelehnt worden. Dennoch kam der erste Vorschlag, die EU-Richtlinie zumindest in Deutschland ohne Upload-Filter umzusetzen, von Seiten der deutschen CDU. Dass man sich nicht auf EU-Ebene dafür eingesetzt habe, sei auf den Druck der anderen EU-Staaten zurückzuführen gewesen, so die CDU auf ihrer Website. Zudem sei es unwahrscheinlich gewesen, dass bei einem Neuverhandeln der Reform ein gänzlich anderes Ergebnis herausgekommen wäre. Daher habe sich die CDU darauf konzentriert, einen Vorschlag für die nationale Umsetzung ohne Upload-Filter zu entwickeln. Dieser solle zugleich „Best Practice“ einer europäischen Umsetzung sein.
Eine von Generalsekretär Paul Ziemiak initiierte Einigung der Rechts- und Digitalpolitiker der Partei sowie der Sprecher des #cnetz, die bereits vor der Abstimmung im EU-Parlament veröffentlicht wurde, sieht folgendes vor: Es solle der Grundsatz gelten „bezahlen statt blocken“. Grundsätzlich sollen erst einmal alle Inhalte hochgeladen werden können. Unterhalb einer zeitlichen Bagatellgrenze sollen Uploads sogar von Lizenzgebühren frei sein. Wenn diese Grenze überschritten wird, würde der Urheber von den Plattformen bei einem Upload eines nicht bereits lizenzierten Inhalts informiert werden und hätte dann drei Möglichkeiten: 1. Er verlangt die Löschung von der Plattform. 2. Er bietet eine Lizenz an und wird entsprechend vergütet. 3. Er verzichtet auf weitere Maßnahmen, wodurch der entsprechende Inhalt dauerhaft lizenzfrei auf der Plattform erscheinen kann. Für alle Werke, die nicht auf diese Art entdeckt werden – z.B. weil es sich um Parodien oder Remixe handelt – soll es eine gesetzlich verpflichtend ausgestaltete Pauschallizenz geben. Diese soll eine Schranke zum Urheberrecht darstellen. Durch diese soll die Verpflichtung der Plattformen entfallen, die Inhalte der Nutzer noch vor dem Upload auf Rechtsverletzungen hin zu kontrollieren. Private Nutzer sollten durch diese Regelung gänzlich von einer drohenden Haftung befreit werden.
Kritik am CDU-Vorschlag
Dieser Vorschlag stieß jedoch bereits auf viel Kritik. Folgende Punkte lassen daran zweifeln, ob ein entsprechender Text wirklich umsetzbar wäre:
1. Zunächst ist rechtlich überhaupt nicht klar, ob eine solche nationale Schrankenregelung europarechtlich überhaupt zulässig wäre, und zwar aus folgenden Gründen:
2. Die möglichen Schranken werden in der Urheberrechtsrichtlinie explizit und abschließend aufgezählt. Eine weitere Schrankenregelung nur in Deutschland könnte unzulässig sein.
3. Auch die inhaltliche Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit den Forderungen von Artikel 13/Artikel 17 ist noch völlig ungeklärt. Denn letztlich konterkariert dieser Vorschlag die Grundidee der Reform, die Rechteinhaber vor die Wahl zu stellen: Entweder sie lizenzieren ihre Werke oder sie entscheiden sich, die Verantwortung für deren Blockade an die Plattformen abzugeben. Diese Grundhaltung haben wir zwar vielfach kritisiert – doch sie steht nun einmal in der Richtlinie. Wie viel Spielraum die Staaten bei der Umsetzung haben, hängt generell vom Wortlaut und dem Ziel der Richtlinie ab. Die Staaten haben wenig Spielraum bei der Umsetzung, wenn die Richtlinie die Einführung konkreter Berechtigungen oder Verpflichtungen verlangt. Und je detaillierter die Regelung, desto geringer der Spielraum. Es ist also gut möglich, dass die Richtlinie von den Mitgliedstaaten verlangt, Plattformen zur Einrichtung von Upload-Filtern zu verpflichten. Denn die Urheber erhalten nach der Richtlinie konkret das Recht, die Blockade ihrer Werke verlangen zu können. Möglicherweise ist hier nur noch diskutabel, wie groß die Anstrengungen der jeweiligen Plattformen sein müssen, um das zu verhindern.
4. Die Idee der CDU würde die Verantwortung für die Frage, ob gelöscht werden soll, wieder an die Rechteinhaber übertragen. Darüber hinaus würde man den Rechteinhabern unterhalb der Bagatellgrenze die Möglichkeit entziehen, ihre Werke überhaupt zu lizenzieren. Und alle anderen Werke, die nicht über den Fingerprint gefunden wären, würden automatisch legalisiert und mit der Pauschallizenz vergütet werden. Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aber (Urt. v. 16.11.2016, Rs. C-301/15, Soulier & Doke) müssen die Urheber aber selbst darüber entscheiden können, ob sie der Verwertung ihrer Werke durch eine Verwertungsgesellschaft zustimmen.
5. Die Idee der zeitlichen Grenze scheint nicht ganz durchdacht. Denn nur Musikstücke und Videos haben überhaupt eine zeitliche Grenze. Wären dann Fotos, Texte und andere urheberrechtlich geschützte Werke automatisch nur durch die Pauschallizenz abgedeckt und könnten nicht mehr individuell lizenziert werden? Hätten Rechteinhaber von Texten und Fotos dann überhaupt keine Möglichkeit mehr, die Verbreitung ihrer Inhalte im Netz zu verhindern, auch nicht nachträglich?
6. Wenn aufgrund der Pauschallizenz niemand haften soll – ist es dann in Zukunft möglich, etwa ganze Kinofilme hochzuladen und niemand haftet dafür, wenn sie nicht rechtzeitig entdeckt werden und bereits einen großen wirtschaftlichen Schaden angerichtet haben?
7. Es ist auch völlig unklar, wie so ein Gesetz überhaupt auf Deutschland beschränkt werden könnte. Soll es dann nur für deutsche Nutzer, deutsche Plattformen oder deutsche Urheber gelten? Plattformen müssten ihre Uploadfilter so programmieren, dass sie innerhalb Deutschlands nicht filtern. Dann müssten Plattformen aber auch umgekehrt möglicherweise den Zugriff auf bestimmte Werke für Nutzer außerhalb Deutschlands durch Geoblocking verhindern.
8. Darüber hinaus würde eine solche nationale Umsetzung erneut zu einem Flickenteppich an Gesetzen innerhalb der EU führen, was ja aufgrund der Richtlinie gerade vermieden werden sollte. Gerade angesichts der Tatsache, dass es ja offensichtlich einige Länder gibt, die sich so massiv für Upload-Filter ausgesprochen haben, dass anderweitige Auffassungen auf EU-Ebene keine Chance hatten. Warum dann das deutsche Modell dennoch „best practice“ werden soll, ist unklar.
Die Hintergründe zur Urheberrechtsreform und dem Kampf um die Upload-Filter
Über zwei Jahre lang war hitzig über die Reform diskutiert worden. Zuletzt gingen mehrere hunderttausend überwiegend junge Leute auf die Straße, um gegen die Pläne zu demonstrieren – vergebens!
Im Zentrum der Kritik steht Artikel 13 (jetzt Artikel 17). Dieser betrifft Plattformen, die nutzergenerierte Inhalte zu kommerziellen Zwecken organisieren und fördern. Verkürzt dargestellt müssen sie zukünftig beste Anstrengungen unternehmen, um Lizenzvereinbarungen für die urheberrechtlich geschützten Werke zu schließen, die dort hochgeladen werden. Sind die Rechteinhaber nicht gewillt, die Nutzung ihrer Werke im Netz zu erlauben, so müssen die betroffenen Plattformen dem Wortlaut der Richtlinie nach ebenfalls „beste Anstrengungen“ unternehmen, um den Upload solcher Inhalte zu verhindern. Der Einsatz sog. Uploadfilter wäre dem Wortlaut von Artikel 13 nach alternativlos. Was sich zunächst einmal nach einem ehrbaren Motiv anhört, bedeutet in der Praxis massive Einschränkungen für Plattformbetreiber und Kreative. Kleinere Unternehmen müssten auf Filtersysteme, die von Internetgiganten wie Google entwickelt würden, zurückgreifen, was für sie eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen würde. Zudem würden die Plattformen erheblich mehr filtern als gefordert. Zum einen, um der Gefahr zu entgehen, selbst für mögliche Rechtsverletzungen zu haften. Zum anderen aufgrund der begrenzten technischen Möglichkeiten entsprechender Filtersysteme. Satire, Parodie oder vom Zitatrecht gedeckte Verwendungen könnten fälschlicherweise geblockt werden, weil es technischen Systemen nicht möglich ist, diese schon für Menschen schwierige Beurteilung zu treffen. Nachträgliche Beschwerdemechanismen werden der Schnelligkeit des Internet sowie Live-Streams nicht gerecht. Die Meinungsfreiheit im Internet wäre gefährdet.
Die Bundesregierung hat in dem Prozess lange Zeit auch keine stringente Linie verfolgt. Nachdem die Proteste gegen die Reform immer größer wurden, bestand noch Hoffnung, dass die Bundesregierung ihre Haltung nochmal überdenkt, zumal auch in den Regierungsparteien immer mehr Bedenken laut wurden. Letztlich war der Druck aber offenbar so groß, dass bei der finalen Abstimmung abermals mit Ja gestimmt wurde.
Ausführliche Informationen zu Artikel 13 und den bisherigen Verfahrensgang finden Sie hier: Artikel 13/17 beschlossen
Dialog der Interessenvertreter hat begonnen
In Artikel 17 Abs. 10 der Richtlinie ist darüber hinaus von einem Dialogprozess mit den verschiedenen Interessengruppen die Rede, veranstaltet von der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten. Eingeladen werden die drei „Lager“ aus betroffenen Plattformen wie etwa Google und Facebook, Rechteinhabern wie z.B. den Labels und Entertainment-Firmen sowie den Verwertungsgesellschaften und schließlich auch Nutzerorganisationen und andere einschlägige Interessenträger. Als Ergebnis des Dialogs soll die EU-Kommission „Leitlinien“ veröffentlichen. Ziel ist es, ein Verfahren für die Zusammenarbeit zwischen den Diensteanbietern und Rechteinhabern zu finden – insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung der Plattformen zur Lizenzierung bzw. alternativen Filterung von Inhalten.
Unseren Informationen zufolge haben bereits erste Treffen u.a. von Kommission und EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel stattgefunden. Ziel war es, einen ersten Austausch über die Sichtweisen zur nationalen Umsetzung u.a. der Urheberrechtsrichtlinie zu haben. Der Dialogprozess mit den Interessengruppen soll am 18. Oktober 2019 beginnen – bis zum 18. September 2019 werden Anmeldungen angenommen.
Polen klagt gegen die Urheberrechtsreform vor dem EuGH
Die polnische Regierung hat Ende Mai 2019 vor dem EuGH Klage gegen die höchst umstrittene Urheberrechtsrichtlinie der EU eingereicht. „Die Urheberrechtsrichtlinie sei eine unverhältnismäßige Maßnahme, die die Zensur fördere und die Meinungsfreiheit gefährde“, twitterte die Kanzlei des polnischen Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Die Richtlinie gewährleiste keine Balance zwischen dem Schutz der Rechteinhaber einerseits und den Interessen der EU-Bürger und der EU-Unternehmen andererseits. Ebenso gewährleiste die Richtlinie keine Rechtsklarheit, sondern fördere die Rechtsunsicherheit für Betroffene und gefährde die Rechte aller EU-Bürger. Die EU-Urheberrechtsreform könne negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des digitalen Binnenmarktes für Europäer haben und es bestehe die eklatante Gefahr, dass sie im Ergebnis vielmehr Innovationen behindere, anstatt diese zu fördern.
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