Schon seit Jahren befinden sich der Axel-Springer-Konzern und die Kölner Eyeo GmbH, die den Werbeblocker AdblockPlus vertreibt, im Streit. Der Medienkonzern beklagt, der HTML-Code der Webseite werde durch den Werbeblocker-Einsatz unzulässig bearbeitet, was gegen das Urheberrecht verstoße. In den Vorinstanzen hatte der Konzern keinen Erfolg. Nach dem EuGH-Urteil zur Cheat-Software haben die Parteien nun Zeit zur erneuten Stellungnahme. Damit wird es 2024 kein Urteil mehr geben.
Mit Werbeblockern können Nutzer lästige Onlinewerbung ausblenden. Doch fast seit über einem Jahrzehnt stellt sich die Frage, ob dabei z.B. die Urheberrechte der Webseitenbetreiber verletzt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun seine Entscheidung dazu auf das kommende Jahr vertagt (BGH, Az. I ZR 131/23).
Im Rechtsstreit klagt der Axel-Springer-Konzern gegen die Kölner Eyeo GmbH, die den inzwischen weltweit führenden Werbeblocker Adblock Plus vertreibt. Zentrale Frage ist, ob der Einsatz des Werbeblockers eine unzulässige Umgestaltung der Programmierung der Webseiten darstellt und somit das Urheberrecht des Verlags verletzt.
Verletzt AdBlockPlus Urheberrechte?
Aus Sicht von Axel Springer ist dies der Fall. Daher macht der Konzern geltend, dass es sich bei der Programmierung ihrer Webseiten um Computerprogramme im Sinne des § 69a Abs. 1 UrhG handele, an denen Axel Springer die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden.
Bei Aufruf der Webseiten durch den Webbrowser werde die HTML-Datei in den Arbeitsspeicher auf dem Endgerät des Nutzers übertragen. Zur Anzeige der HTML-Datei interpretiert der Webbrowser ihren Inhalt, wobei er zusätzliche Datenstrukturen anlegt. Axel Springer sieht in der Beeinflussung dieser Datenstrukturen durch den Werbeblocker eine unberechtigte Umarbeitung eines Computerprogramms im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG und nimmt die Eyeo GmbH daher auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch.
Soforthilfe vom Anwalt
Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.
Programmabläufe würden blockiert oder überschrieben, was ein Eingriff in die Substanz sei, denn es würden nicht nur Inhalte unterdrückt. So werde die gesamte Finanzierung einer Webseite kaputt gemacht.
Die Eyeo GmbH hingegen betont das Recht der Internetnutzer, ihre Browser so einzustellen, wie sie es möchten. Durch Werbeblocker würden Programme nicht umgearbeitet. Somit gebe es keine urheberrechtliche Relevanz. Es dürfe hier nicht zu einer Ausweitung des Urheberrechtsschutzes auf Funktionalitäten kommen, der für PC-Programme nicht vorgesehen sei. Sonst könnten künftig z.B. Probleme etwa bei der Installation von Jugendschutzsoftware bestehen.
Axel Springer bislang erfolglos
Das Landgericht Hamburg hatte die Klage abgewiesen (LG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2022, Az. 308 O 130/19). Die Berufung Axel Springers vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg blieb ebenfalls erfolglos (OLG Hamburg, Az. Urteil vom 24. August 2023, Az. 5 U 20/22).
Das OLG hatte ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die Dateien, die beim Webseitenaufruf an den Nutzer übermittelt würden, als Computerprogramm nach § 69a UrhG geschützt seien und Axel Springer über ausschließliche Nutzungsrechte verfüge. Die vom Werbeblocker erzeugten Vorgänge nach der Speicherung der Daten im Arbeitsspeicher stellten keine Umarbeitung im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG dar.
Die Beeinflussung des Programmablaufs durch externe Befehle sei ohne Veränderung der Programmsubstanz oder Herstellung einer abgeänderten Vervielfältigung keine Umarbeitung des Programms. Der Werbeblocker wirke lediglich auf die vom Browser erzeugten Datenstrukturen ein, die im Rahmen der Darstellung des HTML-Dokuments als temporäres Zwischenergebnis bei Ausführung der Webseitenprogrammierung berechnet würden. Dies sei nur ein Eingriff in den Programmablauf und nicht in die Programmsubstanz.
EuGH-Urteil zu Cheat-Software abgewartet
Der BGH wollte zunächst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einem ähnlichen Fall abwarten. Dort ging es um die urheberrechtliche Zulässigkeit von Cheat-Software, die Nutzern erlaubt, Programme auf Spielkonsolen zu manipulieren. Im Oktober entschied der EuGH, dass solche Software das Urheberrecht nicht grundsätzlich verletze, solange sie nur temporär Daten im Arbeitsspeicher einer Konsole verändere. Zu diesem Urteil dürfen nun auch die Parteien im BGH-Verfahren Stellung nehmen.
Die Parteien haben nun Zeit für eine erneute Stellungnahme erhalten. Die mündliche Verhandlung wird am 10. April 2025 fortgesetzt. Bis zum 9. Januar 2025 haben die Parteien die Möglichkeit, sich zu dem Urteil des EuGH in einer ähnlichen Angelegenheit zu äußern. Ob der BGH im April direkt ein Urteil verkünden wird oder lediglich verhandelt, ist noch unklar.
Werbeblocker AdblockPlus schon häufiger auf dem Prüfstand
Das Kölner Unternehmen Eyeo vertreibt seit 2011 die Software Adblock Plus. Die Software gibt Nutzern die Möglichkeit, durch Installieren einer Browser-Erweiterung angezeigte Werbung auf besuchten Websites zu blockieren. Dabei kommt ein Filter zum Einsatz, welcher Serverpfade und Dateimerkmale der jeweiligen Website identifiziert und die Werbeeinblendung verhindert. Dabei greift der Filter auf eine sogenannte Blacklist zurück. Das ist eine Datenbank, welche die verschiedenen Serverpfade und Codes, die Werbung einblenden, beinhaltet. Eyeo bietet jedoch Websitebetreibern an, durch Abschluss sog. Whitelisting-Verträge gegen ein Entgelt bestimmte Werbung, die für den Nutzer weniger aufdringlich sein soll, zuzulassen.
Das Geschäftsmodell der Werbeblocker steht seit Jahren immer wieder auf dem Prüfstand, so auch im April 2018, als sich die Parteien bereits schon einmal vor dem BGH trafen.
In dem damaligen Verfahren stritten der Axel Springer Verlag und die Eyeo GmbH darum, ob das Angebot des Werbeblockers AdBlock Plus gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoße. Zuvor hatten die meisten Gerichte die Software für legal erklärt. Und auch der BGH wies die Springer-Klage gegen AdBlock Plus seinerzeit vollständig ab. Werbeblocker seien rechtlich zulässig, so die Richter. In der Folge schritt auch das BVerfG nicht zur Hilfe. Die Verfassungsbeschwerde des Axel Springer Verlags wurde nicht zur Entscheidung angenommen.
Wie der erneute Versuch des Axel Springer Verlags ausgehen wird, darf mit Spannung erwartet werden.