Der BGH hat in dem bereits seit über 20 Jahre andauernden Verfahren „Metall auf Metall“ um die Streitfrage, wann „Sampling“ zulässig ist, nun erneut den EuGH angerufen. Was dieser zu entscheiden hat, ist elementar wichtig für das gesamte Internet: Es geht auch um Memes, GIFs, Remixes und vieles mehr – und eben ums Sampling: Was bedeutet der neue Begriff „Pastiche“, der mit der Urheberrechtsreform auch ins deutsche Gesetz eingefügt wurde?

In einem der bekanntesten Urheberrechtsverfahren hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Europäischen Gerichtshof (EuGH) nun um eine der bekanntesten Streitfragen im Urheberrecht angefragt: Was ist ein „Pastiche“? (Beschl. v. 14.09.2023, Az. I ZR 74/22 – Metall auf Metall V). Eine verbindliche Definition dieses aus der EU-Urheberrechtsrichtlinie stammenden Begriffs fehlt nämlich bislang. Die Antwort wird Auswirkungen darauf haben, wie wir künftig das Internet nutzen dürfen:  Schließlich ist der Pastiche der zentrale Begriff, der es Nutzern erlauben soll, vorbestehende Werke bzw. Teile von ihnen ohne die Erlaubnis deren Urheber für eigene Werke kreativ zu nutzen.

Hintergrund ist das bereits seit über 20 Jahren andauernde Verfahren „Metall auf Metall“, in dem um die Zulässigkeit des „Samplings“ gestritten wird. Ein Sample bezeichnet einen kurzen Ausschnitt eines Songs, der in einem neuen Werk verarbeitet wird. Zu dem aktuellen Stand des Verfahrens „Metall auf Metall“ haben wir bereits ausführlich berichtet. Wie das in der Vergangenheit unter früherer Rechtslage aussieht, wurde mittlerweile entschieden. Offen bleibt aber, ob das Sampling seit 2021, also seit Inkrafttreten des deutschen Gesetzes zur EU-Urheberrechtsreform, unter den neuen § 51a Urheberrechtsgesetz (UrhG) fällt. Die Vorinstanz hat diese Frage bejaht, die Revision zum BGH aber zugelassen. Und der fragte dazu nun den EuGH.

Es war klar, dass dies der EuGH würde entscheiden müssen, weil der Begriff aus Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der EU-Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EG) stammt. Alle Juristen und Internetbewohner warten praktisch nur auf diese Entscheidung, bedarf es hier doch dringend Rechtsklarheit. Schließlich war es 2019 massiv zu Protesten gegen die EU-Urheberrechtsreform mit ihren letztlich verpflichtenden „Upload-Filtern“ gekommen. Man befürchtete ein „Overblocking“ auf Plattformen wie YouTube & Co. Die gesetzliche Ausnahmeregelung des „Pastiche“ sollte den Ausgleich schaffen und dafür sorgen, dass auch weiterhin Memes, GIFs und andere kreative Nutzungen fremder Werke in eigenen Werken möglich sind.

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BGH stellt EuGH weit gefasste Fragen

Dass der EuGH jetzt wirklich eine generelle Definition des Pastiche aufstellt bzw. sich zu allen Formen, die unter „Pastiche“ fallen können, äußert, ist recht wahrscheinlich – auch wenn es hier aktuell „nur“ ums Sampling im Rahmen von Musik geht. Denn die Fragen und weiteren Ausführungen des BGH lassen hoffen, dass wir unsere allgemeine Definition und damit mehr Rechtssicherheit bekommen: 

Der BGH stellt sich zunächst die Frage, ob die Schranke des Pastiche ein Auffangtatbestand jedenfalls für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk oder sonstigen Bezugsgegenstand einschließlich des Sampling ist. Das nämlich ist zumindest die Intention des deutschen Gesetzgebers gewesen, der ja als Zugeständnis an die Protestierenden alle Internetphänomene erfassen wollte. Laut Gesetzesbegründung zum neuen UrhG heißt es, Pastiche bedeute, wenn ein Werk ein anderes auf wertschätzende und künstlerische Weise nachahmt und die Werke sich wahrnehmbar unterscheiden. Aber maßgeblich ist hier eben nicht die Ansicht der Deutschen, sondern des EuGH.

Außerdem will der BGH von diesem wissen, ob für den Begriff des Pastiches einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage gelten.

Die Pastiche-Schranke könnte laut BGH auch als allgemeine Schranke zu verstehen sein, um die Kunstfreiheit besser zu schützen. Dies könnte deshalb notwendig sein, weil der Kunstfreiheit allein aufgrund der anderweitigen Beschränkungen nicht in allen Fällen der gebotene Raum gegeben sein könnte. Die anderen Begrenzungen sind zum einen gesetzliche Schrankenregelungen wie eben die Parodie, Karikatur oder das Zitat. Und zum anderen eine Beschränkung, die der EuGH in einem vorherigen Urteil zu diesem Verfahren selbst vorgenommen hatte: Dass nur solche Samplings überhaupt den Schutzbereich des Urheberrechts berühren, in denen die ursprüngliche Sequenz in erkennbarer Weise übernommen wurde. Wenn der EuGH hier eine allgemeine Beschränkung im Sinne der Kunstfreiheit sieht, müsste dann das neue Kunstwerk in einen Ausgleich gebracht werden mit dem Schutz des geistigen Eigentums, also dem Urheberrecht des Künstlers des Ursprungswerkes.

Schließlich stellt der BGH noch eine weitere Frage: Weil in der EU-Richtlinie ja etwas steht von Nutzung „zum Zwecke“ eines Pastiches: Muss der Nutzer dann auch Absicht haben, das Werk zum Zwecke eines Pastiches zu nutzen? Oder reicht es, dass der Charakter als Pastiche für denjenigen erkennbar ist, der das Ursprungswerk kennt und das „für die Wahrnehmung des Pastiches erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt?“

Man sieht also: Der BGH selbst vertritt eine sehr weite Ansicht davon, was ein Pastiche sein soll, ist sich da aber nicht ganz sicher. Wir sind sehr gespannt auf die Antwort des EuGH – und werden berichten.

ahe