Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden (Az. I ZR 220/15), dass Internetnutzer ein individuelles, voreingestelltes WLAN Router Passwort nicht verändern müssen. Damit revidiert der BGH Teile der „Sommer unseres Lebens“ Entscheidung aus dem Jahr 2010. Das Urteil ist jedoch kein Freibrief für alle Internetnutzer, erklärt der Kölner IT Rechtsanwalt Christian Solmecke.

Dritter Unbekannter begeht Urheberrechtsverletzung

Über den Internetanschluss der Beklagten wurde der Film „The Expendables 2 – Back for War“ Dritten zum Download im Internet angeboten. Die beklagte Anschlussinhaberin bekam daraufhin eine Abmahnung und sollte 750 Euro zahlen. Mittlerweile steht fest, dass sich ein unbekannter Dritter in das WLAN gehackt hatte und den Film heruntergeladen und angeboten hatte. Nun muss geklärt werden, in welchem Umfang die Beklagte dafür womöglich geradezustehen hat.

Die Abgemahnte hatte einen Router der Marke „Alice Modem WLAN 1421“ verwendet. Dieser war in der Zeit von etwa Februar bis Mai 2012 eingerichtet worden und war mit einem vom Hersteller vergebenen WPA2-Schlüssel gesichert, der aus 16 Ziffern bestand, die auf der Rückseite des Routers aufgedruckt waren und lauteten: „2…4“ .Dieser Schlüssel hätte individuell geändert werden können. Eine Änderung wurde aber nicht vorgenommen.

Aus Sicht der Klägerin haftet die Beklagte in diesem Fall als Störer.

W-LAN ausreichend gesichert?

Sowohl das Amtsgericht Hamburg (36a C 40/14) , als auch das Landgericht Hamburg (310 S 3/15) hatten zuvor den Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Abmahnkosten abgewiesen. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Router der Beklagten nicht mit einem vom Hersteller individuell für dieses Gerät vergebenen Schlüssel gesichert gewesen sei. Mit einer solchen Verschlüsselung sei den Sicherungspflichten des Abschlussinhabers Genüge getan. Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Sicherheitslücke sei die Beklagte nicht zur vorsorglichen Änderung des werkseitig vergebenen Schlüssels verpflichtet gewesen.

Welche konkreten Maßnahmen zumutbar seien, bestimme sich auch für eine Privatperson zunächst nach den jeweiligen technischen Möglichkeiten (vgl. BGHZ 172, 119 Tz. 47 – Internet-Versteigerung II). Es würde die privaten Verwender der WLAN-Technologie allerdings unzumutbar belasten und wäre damit unverhältnismäßig, wenn ihnen zur Pflicht gemacht würde, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden.

BGH – Verbraucher dürfen voreingestellten individualisierten Passwörtern der Hersteller vertrauen

IT-Rechtsanwalt Christian Solmecke: „Die Besonderheit des heute verhandelten Falles bestand darin, dass die von der Filmindustrie verklagte Familie nachweisen konnte, dass Dritte das WLAN unrechtmäßig genutzt hatten. Ein solcher Nachweis gelingt in der Praxis leider nur den wenigsten Menschen. Häufig ist es so, dass die Betroffenen von der Musik- oder Filmindustrie wegen des Tauschs urheberrechtlich geschützter Werke abgemahnt werden, den Tathergang jedoch nicht rekonstruieren können. In einer solchen Konstellation sind die Betroffenen auch nach dem heutigen Spruch aus Karlsruhe weiterhin in der Haftung. Schon in früheren Zeiten hatte der BGH festgestellt, dass abgemahnte Tauschbörsennutzer, die den Tathergang bestreiten, einen alternativen Sachvortrag präsentieren müssen. Das bedeutet, dass zum Beispiel der Familienvater die Möglichkeit in den Raum stellen muss, dass seine Kinder zur Tatzeit das Internet genutzt haben. Wohlgemerkt ist er nicht verpflichtet, seine Kinder konkret zu  verpfeifen, jedoch muss er die theoretische Nutzungsmöglichkeit der Kinder nachweisen können. Im heute entschiedenen Fall gab es einen entsprechenden alternativen Sachvortrag. Offenbar konnte nachgewiesen werden, dass Dritte den Account genutzt haben. Hier geht es letztlich nur noch um die Frage, ob der Anschlussinhaber dann sein Netzwerk mit dem voreingestellten Passwort ausreichend geschützt hat. Diese Frage hat der BGH bejaht, zumindest für den Fall, dass das voreingestellte Passwort vom Router-Hersteller individuell für jedes Gerät einzelnen vergeben worden ist.

Damit haben wir leider immer noch keine weitere Klarheit, bezogen auf das anbieten offener WLAN Netze in Deutschland. Schon ein neues Gesetz, welches die Bundesregierung vor einigen Monaten eingeführt hat, schaffte mehr Verwirrung als Durchblick für die Internetnutzer. Zwar wurde die täterschaftliche Haftung beim Anbieten eines WLAN-Netzes quasi abgeschafft, Netzbetreiber können allerdings weiterhin als Störer zur Rechenschaft gezogen werden. Diese Situation ist nach wie vor unbefriedigend und führt dazu, dass den Internetnutzern in Deutschland immer noch nicht geraten werden kann, ihre Netze zu öffnen, da die Abmahngefahren weiterhin groß sind. Im Einzelfall beträgt die Abmahngebühr für einen Film oder ein Musik-Album etwa 800 €. Immer noch werden mehrere 10.000 Menschen in Deutschland wegen des Tauschs rechtlich geschützter Werke abgemahnt. „