Die Birkenstock-Sandale hat eine bemerkenswerte Karriere hingelegt: Vom unscheinbaren Hausschuh hat sie sich zum angesagten Hipster-Accessoire gemausert. Jetzt hätte der BGH ihr sogar den Ritterschlag der Kunst verleihen können. Doch es kam nun anders, denn ein Hipster-Status allein reicht noch nicht für die Kunstwelt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in gleich drei Revisionsverfahren über den Urheberrechtsschutz von Birkenstock-Sandalen zu entscheiden und verneinte einen urheberrechtlichen Schutz der Sandalenmodelle als Werke der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG (BGH, I ZR 16/24, I ZR 17/24, I ZR 18/24).

Birkenstock vertreibt verschiedene Sandalenmodelle. Die beklagten Konkurrenten bieten über das Internet ebenfalls ähnliche Sandalen an oder stellen als Lizenznehmer Sandalenmodelle her, darunter u.a. ein Tochterunternehmen der Wortmann Gruppe, die Shoe.com GmbH & Co. KG.

Birkenstock war der Auffassung, dass es sich bei seinen Sandalenmodellen um nicht weniger als urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst handele. Dabei handelt es sich um die Modelle „Arizona“ und „Gizeh“. Die Angebote und Produkte der Konkurrenten würden das an ihren Sandalenmodellen bestehende Urheberrecht an der Konzeption des Schuhs verletzen. Birkenstock nahm daher die beklagten Unternehmen auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Vernichtung beziehungsweise Rückruf, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht sowie Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.

Birkenstock-Sandale nicht urheberrechtlich geschützt

Das Modeunternehmen mit Hauptsitz in Linz am Rhein in Rheinland-Pfalz konnte damit jedoch bereits in den Vorinstanzen nicht überzeugen. Das Landgericht (LG) Köln hatte zwar zunächst den Klagen jeweils stattgegeben. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln jedoch hatte in der Folge die Klagen abgewiesen.

Zur Begründung hatte das OLG ausgeführt, bei den Sandalenmodellen Birkenstocks handele es sich nicht um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG. Sie erfüllten nicht die vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) und vom BGH gestellten Anforderungen an ein Werk. Schuhmodelle müssten eine künstlerische Leistung darstellen, um Urheberrechtsschutz genießen zu können. Eine solche sei hier nicht feststellbar.

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Der kreative Gestaltungsspielraum werde durch den Gebrauchszweck einer am natürlichen Gang orientierten Gesundheitssandale eingeschränkt. Künstlerische Entscheidungen ließen sich aus dem objektiven Erscheinungsbild der Sandalen nicht herleiten. Eine bloße Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten reiche dazu nicht aus.

Das OLG hatte jeweils die Revision, mit der Birkenstock seine Ansprüche weiterverfolgte, zugelassen.

BGH scheint Auffassung vom OLG Köln zu vertreten

Am 9.01.2025 hatte der verhandelt und ließ bereits in der Verhandlung erahnen, dass er dem OLG bei seiner Bewertung folgen dürfte. So habe das OLG Köln für die Definition eines Werkes der angewandten Kunst zutreffend eine bestimmte Gestaltungshöhe gefordert. Die Darlegungslast für einen Urheberrechtsschutz liege zudem bei Birkenstock als Kläger.

Das indes sah und sieht Birkenstock anders. Das OLG habe einen Kunstbegriff zugrunde gelegt, der deutlich über die Definition in der bisherigen Rechtsprechung von BGH und EuGH hinausgehe. Die Kölner Richter hätten darauf abgestellt, dass Kunst zweckfrei sein müsse und keine ökonomischen Ziele verfolgen dürfe. Nach Überzeugung Birkenstocks könne aber nicht sein, dass ein Gegenstand nur deswegen keine Kunst sei, weil er sich gut verkaufen soll.

Mode urheberrechtlich abzusichern im Trend

In den letzten Jahren hat das Interesse daran, modische Kreationen durch das Urheberrecht absichern zu lassen, tatsächlich stetig zugenommen. Als Kanzlei empfehlen wir aber zudem weiterhin, sich Designs vor allem über Geschmacksmuster oder Markenrechte schützen zu lassen.

Dennoch versuchen Unternehmen ihren modischen Schöpfungen vermehrt auch urheberrechtlichen Schutz zukommen zu lassen. Die Erfolgsaussichten hängen dabei maßgeblich davon ab, inwieweit der gestalterische Spielraum künstlerisch genutzt wurde. Besonders bei innovativen und einzigartigen Kreationen mit hoher Gestaltungshöhe ist ein urheberrechtlicher Schutz eher denkbar, während alltägliche Entwürfe solche Anforderungen häufig nicht erfüllen. Dies aber ist stets eine Frage des Einzelfalles und sollte anwaltlich geklärt werden.

Der Versuch Birkenstocks resultiert vielleicht auch daraus, dass das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) dem Sandalen-Designschutz Birkenstocks eher skeptisch gegenübersteht. So hatte das EUIPO im Streit des Luxusmodehauses Balenciaga mit Birkenstock eine Ungültigkeitserklärung des Birkenstock-Designs beim Modell „Arizona Big Buckle“ bestätigt, da die im Fall zur Diskussion stehende Sandale nicht genügend Unterscheidungsmerkmale aufweise. Das Design ähnele zu sehr einem Modell des britischen Händlers Next, das bereits vor Birkenstocks Antrag auf Designschutz veröffentlicht worden sei, was die Schutzfähigkeit infrage stelle. Entscheidend sei die fehlende Individualität des Designs, da laut EUIPO ein Design deutliche Unterschiede zu bestehenden Entwürfen aufweisen müsse. Trotz technischer Vorgaben bei Sandalen, wie Tragbarkeit und Passform, bestehe bei Gestaltungselementen wie Sohle, Obermaterial und Farbgebung ausreichend kreativer Spielraum, den Birkenstock nicht ausreichend genutzt habe.

Grundsätzlich aber gewährt das Urheberrecht dem Schöpfer eines Werks exklusive Nutzungsrechte, die bis 70 Jahre nach seinem Tod bestehen bleiben. Im Gegensatz zum Designrecht ist hierfür kein formeller Eintrag in ein Register erforderlich.

Auch BGH verneint Urheberrechtsanspruch

Der BGH verneinte nun ebenfalls die Ansprüche. Die Birkenstock-Sandale sei keine Kunst. Bereits das OLG sei mit Recht davon ausgegangen, dass Urheberrechtsschutz voraussetze, dass ein gestalterischer Freiraum bestehe und in künstlerischer Weise genutzt werde. Ein freies und kreatives Schaffen seit ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmten. Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst sei – wie für alle anderen Werkarten auch – eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente sei dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich, so der BGH. Für den Urheberrechtsschutz müsse vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lasse. Wer urheberrechtlichen Schutz beanspruche, der trage die Darlegungslast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen.

Das OLG habe sich mit sämtlichen Gestaltungsmerkmalen auseinandergesetzt, die nach Auffassung Birkenstocks den Urheberrechtsschutz seiner Sandalenmodelle begründeten. In rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung sei es zu dem Ergebnis gelangt, dass nicht festgestellt werden könne, dass der bestehende Gestaltungsspielraum in einem Maße künstlerisch ausgeschöpft worden sei, das den Sandalenmodellen Birkenstocks urheberrechtlichen Schutz verleihe.

tsp