Plattformen wie YouTube und Uploaded haften unter bestimmten Bedingungen für Verletzungen des Urheberrechts. Dies hat der BGH entschieden und damit seine Rechtsprechung abgeändert. Das bereits 13 Jahre andauernde Verfahren ist damit aber noch nicht beendet.

Dass rechtliche Auseinandersetzungen dauern können, zeigt uns beispielsweise das Verfahren „Metall auf Metall“. Doch auch der Urheberrechtsstreit des Hamburger Musikproduzenten Frank Peterson gegen YouTube dauert bereits 14 Jahre. Nun ist das Verfahren um eine Pointe reicher.

Die Frage nach der Haftung von YouTube für urheberrechtsverletzendes Verhalten seiner Nutzer beschäftigt in dem endlos scheinenden Verfahren bereits seit 2008 die deutschen Gerichte. Der BGH bürdet den Plattformen nun mehr Verantwortung auf und stärkt so die Rechte der Urheber. Zuvor hatte er die fraglichen Sachverhalte dem EuGH zur Auslegung vorgelegt.

Betreiber von Online-Plattformen wie YouTube können bei einem Verstoß ihrer Nutzer gegen das Urheberrecht unter gewissen Umständen selbst haften. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied im vergangenen Jahr, dass Betreiber einer Video-Sharing-Plattform wie YouTube oder Sharehosting-Plattform wie Uploaded.net, auf denen Nutzer geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich machen können, diese zwar grundsätzlich nicht „öffentliche wiedergeben“. Anderes gelte aber, wenn die Unternehmen über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu beitrügen, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu
verschaffen (EuGH, Verbundene Rechtssachen C-682/18 und C-683/18). Der Bundesgerichtshof (BGH) schloss sich nun an, und verwies die Sache zurück an die Berufungsinstanz. Eine Entscheidung in der Sache bedürfe der weiteren Erörterung der Einzelfallumstände. (BGH, Urt. v. 02.06.2022 I ZR 140/15, I ZR 53/17, I ZR 54/17, I ZR 55/17, I ZR 56/17, I ZR 57/17 und I ZR 135/18)

Auf nationaler Ebene haben sich bereits das LG und OLG Hamburg, sowie das LG München I und das OLG München der streitigen Rechtsfragen angenommen. In dem Verfahren Peterson gegen YouTube und sechs weiteren anderer Kläger gegen Uploaded vereinte die Gerichte die Frage nach der Haftung von Plattformbetreibern sowie dem Haftungsumfang.

Alle Prozesse landeten in der Revision beim BGH. Nach Anrufung des EuGH gab das Karlsruher Gericht nun allen Revisionen in den Verfahren gegen Uploaded statt. Auch Petersons Revision, der gegen YouTube klagte, wurde bzgl. einiger Musiktitel stattgegeben. Gleichzeitig war aber auch die Revision von YouTube erfolgreich, soweit sie vom Berufungsgericht zur Unterlassung und zur Auskunft über E-Mail-Adressen ihrer Nutzer verurteilt wurden.

Damit setzt der BGH einen neuen Meilenstein im Schutz von Urheberrechten. Er stellt fest, dass Plattformbetreiber unter gewissen Umständen selbst für Rechtsverletzungen auf ihrer Plattform haften müssen. Nicht nur müssen sie nach der gängigen Praxis Rechtsverletzungen unverzüglich nach Kenntnisnahme beseitigen. Das Gericht erlegt ihnen nun Pflichten zur Verhinderung von zukünftigen Rechtsverletzungen auf und rügt Geschäftsmodelle, die rechtswidriges Verhalten der Nutzer anregen.

Worum geht es in dem Rechtsstreit?

In dem Rechtsstreit, der der ersten Rechtssache (C-682/18) zugrunde liegt, geht Frank Peterson, ein Musikproduzent, vor deutschen Gerichten gegen YouTube und deren gesetzliche Vertreterin Google vor, weil im Jahr 2008 mehrere Tonträger auf YouTube hochgeladen wurden, an denen er nach seinem Vorbringen verschiedene Rechte innehat. Dieses Hochladen erfolgte ohne seine Erlaubnis durch Nutzer dieser Plattform. Es handelt sich um Titel aus dem Album „A Winter Symphony“ der Künstlerin Sarah Brightman sowie um private Tonmitschnitte, die bei Konzerten ihrer Tournee „Symphony Tour“ angefertigt wurden.

In dem Rechtsstreit, der der zweiten Rechtssache (C-683/18) zugrunde liegt, geht der Verlag Elsevier vor deutschen Gerichten gegen Cyando vor, weil im Jahr 2013 verschiedene Werke, an denen Elsevier die ausschließlichen Rechte innehat, auf die von Cyando betriebene Sharehosting-Plattform „Uploaded“ hochgeladen wurden. Dieses Hochladen erfolgte ohne die Erlaubnis von Elsevier durch Nutzer dieser Plattform. Es handelt sich um die Werke „Gray’s Anatomy for Students“, „Atlas of Human Anatomy“ und „Campbell-Walsh Urology“, die über die Linksammlungen rehabgate.com, avaxhome.ws und bookarchive.ws auf „Uploaded“ abgerufen werden konnten.

Der Bundesgerichtshof (BGH), der mit diesen beiden Rechtsstreitigkeiten befasst ist, hatte dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, um u.a. klären zu lassen, inwieweit die Betreiber von Internetplattformen haften, wenn urheberrechtlich geschützte Werke von Nutzern unbefugt auf diese Plattformen hochgeladen werden.

Der Fall hat es in sich: Die Kläger wollen nämlich nicht, wie es bislang gehandhabt wird, erreichen, dass YouTube sich auf eine Haftungsprivilegierung berufen und daher erst ab Kenntnis einer Urheberrechtsverletzung und auch nur auf Unterlassung haften kann.

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Urteil des EUGH: Keine öffentliche Wiedergabe der urheberrechtlich geschützten Werke 

Mit seinem heutigen Urteil hat der EuGH die Vorlagefragen des BGH beantwortet und somit die Bedingungen für die Frage der Haftung der Plattformbetreiber geschaffen.

Zu beachten ist, dass sich diese Rechtsprechung „lediglich“ auf den gegenwärtigen Stand des Unionsrechts bezieht. Die umstrittene Urheberrechtsreform fand noch keine Anwendung. Die neuen Regelungen verpflichten Betreiber von Upload-Plattformen wie YouTube künftig unter anderem dazu, für die von den Nutzern hochgeladenen Werke die Zustimmung für die öffentliche Wiedergabe von deren Rechteinhabern einzuholen. Dies kann zum Beispiel über den Abschluss von Lizenzverträgen erfolgen. Konnte eine Upload-Plattform keine Lizenz erwerben und ist auch keine erlaubte Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes feststellbar, müssen die entsprechenden Inhalte künftig gesperrt werden. Hier sollen die Uploadfilter zum Einsatz kommen.

Da Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 den Urhebern das ausschließliche Recht zuspricht, „die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten“, war für die Haftungsfrage zunächst zu klären, ob seitens der Plattformbetreiber eine „öffentliche Wiedergabe“ von urheberrechtlich geschützten Inhalten vorliegt.  

Aus diesem Grund hat sich der EuGH mit der Frage beschäftigt, wann der Plattformbetreiber eine „öffentliche Wiedergabe“ von Inhalten im Sinne der Richtlinie 2001/29 vornimmt. Im Rahmen dieser Prüfung ist der EuGH zu dem Ergebnis gekommen, dass eine solche öffentliche Wiedergabehandlung nur dann zu bejahen ist, wenn der Plattformbetreiber in Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um Kunden Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zu verschaffen. Dies ist der Fall, wenn die Nutzer die streitgegenständlichen Inhalte nicht ohne das Tätigwerden des Betreibers abrufen können.

Da die Download-Links auf der Plattform Uploaded selbst von den Nutzern ohne Mitwirkung des Portals zur Verfügung gestellt werden, ist eine öffentliche Wiedergabe hier zweifelsfrei zu verneinen. 

Auch bei der Plattform YouTube hat der Gerichtshof die Haftung des Portalbetreibers verneint. Denn YouTube ist an der Erstellung oder Auswahl der hochgeladenen Inhalte nicht beteiligt. Vielmehr handelt es sich bei der Plattform um ein „rein technisches, automatisches und passives“ Verhalten. Da der Upload der Inhalte vollautomatisch erfolgt, werden diese vor ihrem Hochladen nicht überprüft. Aufgrund des vollautomatisierten Uploads ohne Mitwirkung des Plattformbetreibers kann YouTube eine Haftungsbefreiung, das sog. „Providerprivileg“ zugesprochen werden. 

Der EuGH hat daher entschieden, dass der Betreiber der Plattform von der Haftung befreit ist, sofern er keine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis von den auf seine Plattform hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie verschafft. 

Wann kann der Betreiber der Plattform dennoch in Anspruch genommen werden? 

Trotz der generellen Einschätzung des EuGH, dass Plattformen dem Grundsatz nach nicht „öffentlich wiedergeben“, kann sich dennoch eine Haftung der Plattformen ergeben. Es kann hier in drei Anforderungen unterschieden werden.

Bei konkreter Kenntnis der Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte auf der eigenen Plattform, muss der Betreiber unverzüglich handeln und den Zugang zum dem entsprechenden Inhalt sperren. Andernfalls gerät er in die Haftung. Insoweit ergibt sich keine Neuerung und das Gericht hält an der gängigen Rechtspraxis des Notice-and-Takedown-Verfahrens fest.

Darüber hinaus kann sich eine Haftung daraus ergeben, dass der Plattformbetreiber Kenntnis darüber hat oder haben müsste, dass auf seiner Plattform im Allgemeinen geschützte Inhalte zugänglich gemacht werden. Um nicht haftbar gemacht zu werden, bedarf es geeigneter technischer Maßnahmen durch den Betreiber, um Urheberrechtsverletzungen glaubwürdig und wirksam zu verhindern.

Zudem haftet der Betreiber auch dann, wenn er an der Auswahl geschützter Inhalte beteiligt ist, Hilfsmittel zu deren Teilung anbietet, oder eben diese wissentlich fördert. Ein Indiz hierfür seien Geschäftsmodelle, die zur rechtsverletzenden Teilung von Inhalten verleiteten.

Das Urteil des BGH

Der BGH hat sich gestern nun dem EuGH angeschlossen. Er gab den Revisionen beider Seiten statt, teils in Gänze, teils in Teilen. Zur vollständigen Urteilsbildung bedürfe es aber der weiteren Aufklärung. Das Gericht verwies die Sache deswegen zurück an die Berufungsgerichte.

Insbesondere müsse festgestellt werden, ob die beklagten Plattformen die geforderten technischen Maßnahmen ergriffen haben, um Urheberrechtsverletzungen glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen. Eine lediglich nachgelagerte Reaktion auf bereits vollendete Urheberrechtsverletzungen reiche nicht aus.

Kenntnis von konkreten Urheberrechtsverletzungen auf der eigenen Plattform dürfen die Betreiber nicht haben, sonst können sie generell in die Haftung genommen werden. Diesbezüglich hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung zum Nachteil der Plattformbetreiber geändert. Bislang hafteten die Plattformen nach Kenntnis lediglich als Störer. Jetzt haften sie als Täter, wenn sie nicht unverzüglich nach Kenntnisnahme von Rechtsverletzungen reagieren. Die allgemeine Kenntnis, dass rechtsverletzende Inhalte verfügbar sein können, reiche hierfür aber nicht aus. Als Täter haften die Plattformen nicht wie bislang auf Beseitigung und Unterlassung, sondern können auch in Bezug auf Schadensersatz und Auskunftserteilung in Anspruch genommen werden.

Zur Klärung der Frage, ob ein Sharehoster einen Inhalt „öffentlich wiedergibt“ und so haftbar wird, müsse zudem festgestellt werden, ob die Plattform ihre Nutzer durch gewisse geschäftliche Maßnahmen dazu anrege, Inhalte in rechtsverletzender Weise öffentlich zugänglich zu machen. Dies muss vor allem im Fall von Uploaded.net festgestellt werden. Die Plattform, auf der Nutzer alle möglichen Inhalte hochladen können, schüttete Geldprämien an jene Nutzer aus, deren Uploads besonders häufig runtergeladen werden.

Fazit

Mit seinem Urteil hat sich der BGH dem EuGH angeschlossen und gegen eine generelle Haftung der Plattformbetreiber für die Veröffentlichung von urheberrechtlich geschützten Werken ausgesprochen. Dennoch stärkt das Urteil die Rechte der Urheber, indem es den Plattformen schwerere Pflichten auferlegt, als bislang. So kann eine öffentliche Wiedergabe zu bejahen sein, wenn die Plattform weitere Gesichtspunkte wie ein Kennen oder Kennenmüssen der rechtsverletzenden Inhalte erfüllen, an der Auswahl der geschützten Inhalte beteiligt sind oder ein solches Teilen wissentlich fördern.

Was dieses Urteil für die beiden Ausgangsfälle bedeutet, muss nun weiterhin geklärt haben. Der BGH hat die Entscheidungen in Ansehung des EuGH-Urteils an die Vorinstanzen zurückverwiesen. Hier müssen nun die konkreten Umstände der Sachverhalte erörtert und in die europäischen Rahmen eingeordnet werden.

jwi/tsp