Mit „Cheat-Software“ für Spielkonsolen lassen sich Beschränkungen von Spielen umgehen. Nun hat der EuGH auf eine Vorlage des BGH entschieden: Der Vertrieb der Software ist nach dem Europarecht grundsätzlich keine Urheberrechtsverletzung. Über das Thema war zuvor zwölf Jahre lang gestritten worden.

two people playing Sony PS4 game console

Der Bundesgerichtshof (BGH) muss klären, ob der Vertrieb von sogenannter „Cheat-Software“ bei Spielkonsolen eine Urheberrechtsverletzung darstellt. In einem bislang schon zwölf Jahre andauernden Rechtsstreit des PlayStation-Herstellers Sony hatten die vorinstanzlichen Gerichte dies unterschiedlich beurteilt.

Nun hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage auf eine Vorlage des BGH nach europäischem Recht endgültig beantwortet: Cheat-Software ist erlaubt, solange sie nur den Inhalt von vorübergehend im Arbeitsspeicher der Spielkonsole angelegten Variablen verändert – also soweit dieser Inhalt nicht die Vervielfältigung oder spätere Entstehung eines solchen Programms ermögliche (EuGH, Urt. v. 17.10.2024, Rs. C‑159/23).

Im vorliegenden Fall hatte der BGH bereits festgestellt, dass nur Variablen verändert würden – daher wird er die Klage von Sony gegen die Cheat-Software von Datel, um die es in dem Rechtsstreit geht, wohl abweisen müssen.

Sachverhalt des Urheberrechtsstreits

Hintergrund des Rechtsstreits ist eine Software, die der Nutzer auf dem Speicherstick einer „Playstation portable“ installieren soll. Anschließend verändert die Software die im Arbeitsspeicher der Konsole befindliche Spiel-Software dahingehend, dass Nutzer durch sogenannte „Cheats“ bestimmte von den Spielen vorgesehen Beschränkungen umgehen können. Das herstellende Unternehmen der Cheat-Software sowie zusätzlicher Eingabegeräte trickst dabei die Playstation Portable aus. Durch einen Sensor können Neigung und Bewegung der Konsole in Befehle umgesetzt werden. Nutzer können mit diesen Erzeugnissen namens „Action Replay PSP“ und „Tilt FX“ Beschränkungen in den Videospielen umgehen, wie z.B. die zeitliche Begrenzung eines „Turbos“ beim Rennspiel „Motorstorm Arctic Edge“ oder bei der Freischaltung von weiteren Fahrern. Auch können Spieler so Aktionen ausführen, ohne die dafür eigentlich nötige Punktzahl erreicht zu haben.

Sony, Hersteller der Spielekonsole Playstation, ging bereits im Jahr 2012 gerichtlich den Hersteller und Vertreiber der Software Datel sowie gegen einen deutschen Online-Händler vor. Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens war vor allem die Frage, ob durch die Software das Computerprogramm im Sinne des § 69c Nr. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) umgearbeitet wird. Ist das der Fall, bedarf eine solche Umarbeitung nämlich der Zustimmung des Rechtsinhabers. Da Sony eine solche Zustimmung vorliegend aber nicht erteilt hat, wäre eine Urheberrechtsverletzung zu bejahen.

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LG Hamburg gibt Sony Recht

Das Landgericht (LG) Hamburg hatte Sony erstinstanzlich überwiegend Recht gegeben (Urt. v. 24.01.2012, Az. 310 O 199/10). Eine Veränderung des Programmablaufs sah das Gericht darin, dass die Software den Nutzern ermögliche, in den Programmablauf einzugreifen und diesen zu verändern. Damit bejahte das Gericht einen Unterlassungsanspruch Sonys gegen den Software-Hersteller.

Hinsichtlich des Online-Händlers stellte das Gericht fest, dass dieser zwar nicht unmittelbar am Vertrieb der Software in Deutschland eingebunden gewesen sei. Da er aber durch den Verkauf Beihilfe an der Urheberrechtsverletzung geleistet hätte, stünde Sony auch ein Anspruch auf Unterlassung dieser Unterstützungshandlung zu.

Besonders interessant: Die Richter des LG begründeten die Unterlassungsansprüche mit einem weiten Verständnis des Begriffs der Umarbeitung nach § 69c Nr. 2 UrhG. Demnach erfasse der Begriff jede auch nur kurzfristige Art der Veränderung des Computerprogrammes, und zwar unabhängig davon, auf welche technische Weise eingegriffen wird. Insbesondere sei unerheblich, ob die Beeinflussung des Programmablaufs auf eine Veränderung der Substanz des Computerprogramms oder eine eigene schöpferische Leistung zurückzuführen sei. Die kurzzeitige Veränderung von Daten im Arbeitsspeicher durch die Software sei daher als Umgestaltung im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG anzusehen.

OLG Hamburg weist Klage von Sony ab

Das sah das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg im Berufungsverfahren im vergangenen Jahr allerdings anders und wies die Klage von Sony ab (Urt. v. 7.10.2021, Az. 5 U 23/12). Anders als das LG verneinten die Richter eine Umarbeitung des Computerprogrammes und damit eine Urheberrechtsverletzung.

Im Rahmen der Begründung sprach sich das Gericht insbesondere gegen das vom LG vertretene weite Verständnis des Begriffs der Umgestaltung aus. Demnach falle darunter nur eine Substanzänderung des Computerprogramms, also eine Veränderung des Objekts- und Quellcodes. Dieser sei vorliegend jedoch unstreitig nicht bearbeitet oder verändert worden. Stattdessen bewirke die Software lediglich die Änderung der Funktionsweise des Programms in einer Art und Weise, die nicht der ursprünglichen Idee des Herstellers entspreche. Diese Einwirkung sei von § 69c Nr. 2 UrhG allerdings nicht erfasst.

BGH: Vorlagefragen an den EuGH

Gegen diese Entscheidung legte Sony Revision beim BGH ein. Dieser verhandelte, setzte aber das Verfahren aus, um dem EuGH die folgenden zwei Fragen vorzulegen (Beschl. v. 23.02.2023, Az. I ZR 157/21). Dabei geht es insbesondere um die Auslegung der europäischen Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen:

  1. Wird in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/24/EG eingegriffen, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?
  2. Liegt (bei einem wie soeben beschrieben gestalteten Programm) eine Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG vor?

Der BGH weist bei seinen Vorlagefragen darauf hin, dass die Software von Datel vom Benutzer auf der PlayStation installiert werde und gleichzeitig mit der Spielsoftware ablaufe. Sie verändere oder vervielfältige weder den Objekt- noch den Quellcode noch die innere Struktur und Organisation der Software von Sony. Sie beschränke sich darauf, den Inhalt von Variablen, die die Computerspiele von Sony vorübergehend im Arbeitsspeicher der Konsole angelegt hätten und während des Ablaufs des Spiels verwendeten, zu verändern. Das Spiel laufe so auf Basis dieses veränderten Inhalts der Variablen ab.

EuGH klärt den Rechtsstreit

Der EuGH hat nun entschieden, dass die Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen gerade nicht der Inhalt von variablen Daten erfasse, die ein Computerprogramm im Arbeitsspeicher eines Computers angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet. Dies gelte zumindest, soweit dieser Inhalt nicht die Vervielfältigung oder spätere Entstehung eines solchen Programms ermögliche.

Die Richtlinie schütze nämlich nur die geistige Schöpfung, wie sie sich im Text des Quellcodes und des Objektcodes des Computerprogramms widerspiegelt. Hingegen schütze sie nicht die Funktionalitäten des Programms und auch nicht die Elemente, mittels deren die Benutzer solche Funktionalitäten nutzten. Auch dies unter der Einschränkung, dass diese keine Vervielfältigung oder spätere Entstehung dieses Programms ermöglichten.

Nun wird der BGH wohl urteilen, dass die Cheat Software das Urheberrecht von Sony nicht verletzt. Denn er hatte ja bereits festgestellt, dass eben nur der Inhalt der vorübergehend im Arbeitsspeicher einer Spielkonsole angelegten Variablen verändert wird und keine Vervielfältigungen stattfinden oder neue Programme entstehen.

Das Urteil ist nicht nur für Juristen interessant. Denn aufgrund der bisher unklaren Rechtslage war für Programmierer und Online-Händler beim Vertrieb von Cheat-Software besondere Vorsicht geboten. Sonst drohten teure urheberrechtliche Abmahnungen nebst Schadensersatzforderungen. Auch war bis jetzt unklar, ob die Nutzer der Software abgemahnt werden können, da in den AGB vieler Spiele die Verwendung solcher Software verboten wird.

akh/tsp/ahe