Die BGH-Richter hat am 21. Februar 2019 entschieden, dass der Eigentümer ein Kunstwerk, welches mit einem Gebäude fest verbunden ist, in der Regel abbauen darf. Das Interesse der Künstlerin, zu verhindern, dass ihr extra für das Museum angefertigte Kunstwerk abgebaut bzw. nicht mehr aufgebaut wird, müsse dahinter zurückstehen. Viel spannender aber ist: Mit seinem Urteil hat der BGH endlich klargestellt, dass Künstler durchaus ein schützenswertes Interesse daran haben können, dass ihr Kunstwerk nicht zerstört wird. Wenn Eigentümer und Künstler sich in Zukunft darum streiten, muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden.
[Update 21.2.2019]
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Donnerstag, den 21. Februar 2019 entschieden, dass eine Künstlerin in der Regel nicht verhindern kann, dass ihr fest mit dem Museum verbundenes Kunstwerk entfernt bzw. zerstört wird. Die Vernichtung ihrer Werke war daher rechtmäßig (Urt. v. 21. Februar 2019, Az. I ZR 98/17 und I ZR 99/17). In einem der beiden Fälle muss sich die Vorinstanz noch einmal mit der Frage der Vergütung der Künstlerin befassen – die zentrale Rechtsfrage der Abwägung zwischen Eigentum und Urheberrecht ist nun aber abschließend geklärt.
Künstlerin wollte, dass ihr Kunstwerk erhalten bleibt
Klägerin in den zwei Fällen ist die Künstlerin NatHalie Braun Barends, Beklagte die Kunsthalle Mannheim, in deren Räumlichkeiten zwei Werke der Künstlerin ausgestellt sind bzw. waren. Die Frau hatte im Jahr 2006 zwei Kunstwerke im Auftrag des Museums angefertigt, die eigens für dessen Räumlichkeiten angefertigt wurden und untrennbar mit dem Museum verknüpft waren. Ein Kunstwerk befindet sich im Gebäude, das andere befand sich auf dem Dach. Im Zuge von Sanierungen hat die Kunsthalle die Lichtinstallation „PHaradies“, die sich auf dem Dach befand, wieder abgebaut. Wegen geplanter und bereits begonnener Umbaumaßnahmen soll nun auch multimediale Rauminstallation „HHole (for Mannheim)“ beseitigt werden. Die Installation umfasste ursprünglich verschiedene Teile auf allen sieben Gebäudeebenen des Trakts, die durch Öffnungen in den Geschossdecken miteinander verbunden sind. Zwei Geschossdecken sind schon entfernt worden.
Die Künstlerin ist mit den Maßnahmen nicht einverstanden und sieht ihr Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt. Dieses gibt dem Künstler u.a. das Recht, eine „Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.“ (§ 14 Urheberrechtsgesetz, UrhG). Sie möchte u.a. verhindern, dass das Kunstwerk im Gebäude entfernt wird bzw. dass es wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt wird. Sollte sie damit keinen Erfolg haben, möchte sie, dass das Werk zumindest nach dem Umbau wieder neu aufgebaut wird. Sollte das Kunstwerk überhaupt nicht mehr aufgebaut werden, verlangt sie stattdessen einen Schadensersatz von nicht unter 220.000 Euro. Die Kunstinstallation auf dem Dach solle ebenfalls wieder errichtet werden – alternativ möchte sie hierfür mindestens 90.000 Euro Schadensersatz verlangen.
Schon in der Vorinstanz hatte die Künstlerin jedoch keinen Erfolg. In diesem Fall überwiege das Interesse des Museums als Eigentümerin, sein Gebäude auf eine andere Weise zu nutzen, so die Richter. Schließlich sei das Kunstwerk untrennbar mit dem Gebäude verbunden.
Das Urheberrecht kann den Künstler vor der Vernichtung seines Werkes schützen
Spannend ist zunächst die Feststellung des BGH, dass die Vernichtung eines urheberrechtlich geschützten Werks durchaus eine „andere Beeinträchtigung“ im Sinne des § 14 UrhG darstelle. Dies war eine zuvor umstrittene Rechtsfrage gewesen.
Nach zuvor überwiegender Meinung der Juristen und der Rechtsprechung schützte § 14 UrhG den Künstler nämlich nur davor, dass ein Werk der Öffentlichkeit verfälscht wiedergegeben wird – nicht aber davor, dass das Werk vollständig zerstört bzw. abgebaut und in seine Einzelteile zerlegt wird. Diese Rechtsansicht war aber schon vorher nicht unumstritten.
Andere waren der Auffassung, § 14 UrhG müsse den Urheber auch vor der Zerstörung eines Kunstwerkes schützen, weil die Werkvernichtung die „schärfste Form der Beeinträchtigung“ darstelle. Besonders, wenn mit der Zerstörung des Kunstwerkes das einzige Originalexemplar betroffen sei.
Das sah der BGH nun genau so. In einem anderen ebenfalls am 21.2.2019 entschiedenen Fall hatte die Vorinstanz, das Kammergericht (KG) Berlin, in der Zerstörung eines ebenfalls mit dem Gebäude verbundenen Kunstwerks in einer Minigolfanlage keine Beeinträchtigung i.S.d. § 14 UrhG gesehen (Urt. v. 9. August 2017, Az. 24 U 173/15). Diesen Fall hat der BGH daher an das KG Berlin zurückverwiesen (I ZR 15/18). Das Gericht muss sich nun unter Berücksichtigung der Vorgaben des BGH erneut mit der Sache befassen.
Interessenabwägung entscheidend – im Zweifel für den Gebäudeinhaber
Was genau das KG Berlin und andere Gerichte in Zukunft beachten müssen, wenn sie in diesen und ähnlichen Fragen zur Zerstörung von Kunstwerken zu entscheiden haben, stellte der BGH auch klar: Bei der Prüfung, ob die Vernichtung geeignet ist, die berechtigten persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden, sei eine umfassende Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werks vorzunehmen.
Bei der Interessenabwägung sei auf Seiten des Urhebers zu berücksichtigen, ob es sich bei dem vernichteten Werk um das einzige Vervielfältigungsstück des Werks handelte, oder ob von dem Werk weitere Vervielfältigungsstücke existieren. Ferner sei zu berücksichtigen, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweist und ob es ein Gegenstand der zweckfreien Kunst ist oder als angewandte Kunst einem Gebrauchszweck dient.
Auf Seiten des Eigentümers könnten, wenn ein Bauwerk oder Kunst in oder an einem solchen betroffen ist, bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung von Bedeutung sein. Bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken würden die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstück oder Gebäudes den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werks in der Regel vorgehen, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt.
In dem konkreten Fall entschied der BGH daher im Einklang mit den Vorinstanzen, dass das Interesse des Museums an der Beseitigung der Installationen gegenüber dem Erhaltungsinteresse der Künstlerin Vorrang habe.
RA Solmecke: Das Urteil stärkt letztlich die Künstler
„Das Urteil haben erwarten Künstler, Kunsteigentümer und Juristen mit großer Spannung erwartet. Endlich hat der BGH die Frage geklärt, wie sich das Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Eigentum auflösen lässt. Entgegen der bisher überwiegenden Meinung der Juristen und der Rechtsprechung schützt § 14 UrhG den Künstler grundsätzlich auch davor, dass das Werk vollständig zerstört bzw. abgebaut und in seine Einzelteile zerlegt wird. Dieser Ansicht stimme ich voll und ganz zu – schließlich ist die Werkvernichtung die „schärfste Form der Beeinträchtigung“. Besonders, wenn mit der Zerstörung des Kunstwerkes das einzige Originalexemplar betroffen ist – das stellt nun auch der BGH klar. Richtig ist, dass es hier auf eine Abwägung der Interessen des Eigentümers mit denen des Künstlers ankommen muss.
Die Änderung der bisherigen Rechtsprechung des BGH hatte sich vorher schon angekündigt. Der Vorsitzende BGH-Richter betonte vor dem Urteil bereits, dass man die Norm auch so verstehen könne, dass sie dem Künstler sichert, in seinem Werk fortzubestehen und auch weiter am künstlerischen und gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Daher wäre auch die Vernichtung des Werks eine Beeinträchtigung des Urheberrechts. Weiter betonte der Vorsitzende BGH-Richter, dass ein privater Bauherr sein Haus ändern können müsse, auch wenn der Architekt ein Urheberrecht an den Plänen habe. Hier aber ginge es um ein öffentliches Museum und um zweckfreie Kunst.
Auch den Vorgaben, die der BGH für die Interessenabwägung gemacht hat, kann ich voll und ganz zustimmen. In Fällen wie diesen, in denen Werk und Gebäude untrennbar miteinander verbunden sind, muss das Interesse des Gebäudeinhabers im Zweifel Vorrang haben. Die Künstlerin wusste, dass sie ein solches Risiko eingeht, wenn sie ein Kunstwerk erstellt, dass explizit nur für dieses Gebäude geschaffen wurde. Und Kunst lebt von der Veränderung, dem stetigen Wandel. Daher kann man gerade von einem Museum nicht verlangen, dass es seine Gestaltung niemals verändert. Gleiches gilt auch für andere Interessenkonflikte mit Gebäudeinhabern, die in ihrem Eigentumsrecht im Zweifel nicht derart eingeschränkt werden dürfen, dass sie ihr Gebäude niemals umgestalten dürfen.
Der spannendste Aspekt aber, der aus diesem Urteil hervorgeht ist, dass Künstler weniger raumumgreifender Werke sich in Zukunft wohl meist mit Erfolg gegen die Vernichtung ihrer Kunst wehren können. Denn im Rahmen einer Interessenabwägung wird man kaum annehmen können, dass das Interesse etwa eines Gemäldeeigentümers an dessen Zerstörung das Interesse des Künstlers an der Erhaltung seines Unikats überwiegen könnte.“