Hat eine Abmahnung in erster Linie zum Ziel, dass gegen den Rechtsverletzer ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung entsteht, gilt sie als rechtsmissbräuchlich. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Abmahnende daneben eigene Rechte schützen möchte. So lautet ein aktuell veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofs. Die Richter setzten sich darin ausführlich damit auseinander, ab wann Abmahnungen rechtsmissbräuchlich sind.
In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Az. I ZR 129/19) ging es um die Urheberrechte des amerikanischen Gitarristen Al Di Meola an seiner Doppel-CD mit Live-Aufnahmen. Die CD war in Deutschland und anderen Ländern ohne die nötige Lizenz vertrieben worden. Nachdem der Musiker mithilfe seiner Anwaltskanzlei von den Urheberrechtsverletzungen erfahren hatte, mahnten die Anwälte in seinem Namen insgesamt 16 Einzelhändler und die Vertreiberin der CD ab. Danach trat der Gitarrist seine Ansprüche auf Kostenerstattung und Schadensersatz an die Kanzlei ab.
Vorinstanzen reduzierten den Kostenerstattungsanspruch
Die Anwälte machten erhebliche Summen für die Kostenerstattung geltend. Ansprüche in Höhe von 1065 Euro wurden gegen die Händler, in Höhe von rund 1700 Euro gegen die Vertreiberin der CDs geltend gemacht. Ein Händler verweigerte die Zahlung. Die Sache landete vor Gericht. Das Amtsgericht Hamburg sprach der klagenden Kanzlei nur Anwaltskosten in Höhe von 865 Euro zu. Das Landgericht Hamburg reduzierte den Anspruch weiter in der Berufungsinstanz. Die klagenden Anwälte waren hier nur noch in Höhe von 184, 31 Euro erfolgreich. Sie gestanden den Anwälten zu, dass die Abmahnung zumindest auch auf die Abwehr einer Rechtsverletzung abzielte.
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Abmahnung auch rechtsmissbräuchlich, wenn nebenher tatsächlich Rechtsschutz bezweckt wird
Der I. Zivilsenat des BGH nahm in der Revisionsinstanz an den Wertungen des Landgerichts Hamburg eine Korrektur vor. Richterweise hätte die Berufungsinstanz bereits starke Indizien dafür festgestellt, dass mit der Abmahnung vor allem die Rechtsanwaltsgebühren in die Höhe getrieben werden sollten. Es sei aufgefallen, dass in anderen Ländern nicht gegen die Urheberrechtsverletzung vorgegangen worden sei. Zudem habe man parallel die Zwischenhändler und die Einzelhändler der CD in Anspruch genommen. Schonendere Möglichkeiten wurden nicht genutzt, was ebenfalls einen Rechtsmissbrauch indizieren kann. Die Hamburger Richter hätten jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Gewinnmaximierung der einzige Antrieb für die Abmahnung sein müsse, damit sie als rechtsmissbräuchlich gewertet werden kann, so die Bundesrichter. Oder es sei zwischen dem Schutzinteresse von Al Di Meola und den Rechtsgütern der Händler falsch abgewogen worden.
Folglich hoben die Bundesrichter das Berufungsurteil auf, soweit es den beklagten Händler zu einem Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 184, 31 Euro verurteilte. Die Klage wurde also letztendlich vollständig abgewiesen. Fakt ist: Der BGH hat mit diesem Urteil weiter aufgeklärt, ab wann Abmahnungen rechtsmissbräuchlich sind.
mle