Das OLG Köln hatte im Mai 2019 entschieden, dass die Programmzeitschrift TV Movie dem bekannten Fernsehmoderator Günther Jauch 20.000 Euro bezahlen müsse, weil sie unerlaubt sein Bild als „Clickbait“ verwendete. Die Zeitschrift hatte ein Foto von Jauch völlig ohne Zusammenhang für einen Artikel über die Krebserkrankung eines anderen Moderators verwendet. Nun hat der BGH das Urteil des OLG bestätigt.
Die Zeitschrift TV Movie hatte auf ihrem Facebook-Profil 2015 vier Bilder von Prominenten veröffentlicht, verbunden mit dem Text:
+++ GERADE VERMELDET +++ Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen KREBSERKRANKUNG zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald wieder gut geht.
Durch Anklicken der Meldung wurden die Leser auf die Internetseite der TV Movie weitergeleitet, wo wahrheitsgemäß über die Erkrankung eines der abgebildeten Moderatoren (Roger Willemsen) berichtet wurde. Informationen über den unstreitig hiervon nicht betroffenen Günther Jauch fanden sich dort nicht. Nach öffentlicher Kritik löschte die Redaktion den Text nach kurzer Zeit.
Clickbait – OLG sah „Grenze zur bewussten Falschmeldung“
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln bestätigte die Entscheidung des Landgerichts (LG) Köln (LG Köln, Urteil vom 25. Juli 2018, Az. 28 O 74/18), wonach Jauch ein Anspruch gegen den Zeitschriftenverlag zustehe, und setzte die zu zahlende Summe auf 20.000 Euro fest (OLG Köln, Urteil vom 28. Mai 2019, Az. 15 U 160/18.
Die Nutzung des Bildes sei gemessen an §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) rechtswidrig gewesen. Das Bild Jauchs sei unzulässig kommerziell genutzt worden. Mit der Veröffentlichung sei keinerlei Informationswert mit Blick auf Jauch verbunden gewesen. Die haltlosen Spekulationen über eine mögliche Krebserkrankung bezogen auf Jauch hätten an der Grenze zu einer bewussten Falschmeldung gelegen. Die redaktionelle Berichterstattung im Zielartikel habe keinen Bezug zu ihm gehabt. Günther Jauchs Bild habe weder den Teaser noch den Zielbericht ergänzt.
Insgesamt handele es sich um ein Beispiel für sog. clickbaiting (Klickköder), bei dem die reißerische Überschrift in Verbindung mit Bildern Prominenter bei den Lesern eine „Neugierlücke“ öffne. Die Nachricht gebe einerseits genug Informationen aus einem emotionsbehafteten Bereich, um die Leser neugierig zu machen, andererseits als bloßer „Informationsschnipsel“ nicht genug, um diese Neugier vollends zu befriedigen. Um die Leser gezielt zum Weiterklicken zu animieren, sei bewusst in Kauf genommen worden, dass die verlinkte Meldung im Zielartikel keinerlei Bezug zu drei der vier Abgebildeten gehabt habe. Vielmehr sei die Beliebtheit der Abgebildeten gezielt zu dem (einzigen) Zweck ausgenutzt worden, um möglichst viel „Traffic“ auf die eigene Internetseite umleiten zu können, den eigenen Internetauftritt bekannter zu machen und durch die so erzeugten „Klicks“ dort Werbemehreinnahmen zu erzielen.
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Fall Günther Jauch: BGH muss zu clickbaiting entscheiden
Rechtlich hat Günther Jauch die Forderung nicht – wie häufig in anderen Fällen unzulässiger Verwendung von Bildern – als Geldentschädigungsanspruch und damit als besondere Form des Schmerzensgeldes begründet. Er hat vielmehr einen Anspruch aus dem Gesichtspunkt der sog. „Lizenzanalogie“ geltend gemacht. Danach muss der Verlag den Betrag bezahlen, den er dadurch „gespart“ hat, dass er vom Abgebildeten keine Lizenz für die Abbildung erworben hat.
Ein solcher Betrag wird vom Gericht geschätzt und muss auch dann gezahlt werden, wenn der Abgebildete überhaupt nicht bereit gewesen wäre, sein Bild für die fragliche Nutzung lizensieren zu lassen. Der Zahlungsanspruch fingiert nämlich nicht die Zustimmung zur Veröffentlichung, sondern er stellt einen Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff dar. Bei der Bestimmung der angemessenen Lizenzgebühr hatte das OLG Köln insbesondere berücksichtigt, dass Jauch einen überragenden Markt- und Werbewert hat und außergewöhnlich beliebt ist und dass es sich bei der in den Raum gestellten Krebserkrankung Jauchs um ein sensibles Thema gehandelt hat.
Das OLG Köln hatte die Revision zugelassen, da die rechtliche Behandlung von clickbaiting grundsätzliche Bedeutung hat und eine klärende und richtungsweisende Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) erfordert.
Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgt die TV Movie ihren Klageabweisungsantrag weiter.
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Das Clickbait-Urteil des BGH
Der BGH hat die Revision der TV Movie, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebte, zurückgewiesen und das Berufungsurteil des OLG Köln bestätigt BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 – I ZR 207/19).
Günther Jauch stehe gegen die Zeitschrift ein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2 BGB auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr für die Nutzung seines Bildnisses zu. Die Entscheidung, ob und in welcher Weise das eigene Bildnis für Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden solle, ist wesentlicher – vermögensrechtlicher – Bestandteil des Persönlichkeitsrechts. Das OLG habe aus dem Umstand, dass Jauch von der redaktionellen Berichterstattung in dem verlinkten Artikel selbst nicht betroffen war, zutreffend geschlossen, dass die TV Movie sein Bildnis allein zu dem Zweck verwendet habe, die Aufmerksamkeit der Leser auf ihr Presseerzeugnis zu lenken. Eine solche Nutzung des Bildnisses Jauchs als „Clickbait“ („Klickköder“) ohne redaktionellen Bezug zu ihm greife in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt seines Rechts am eigenen Bild ein.
Dieser Eingriff sei rechtswidrig, so der BGH. Eine Einwilligung Jauchs (§ 22 Satz 1 KUG) liege nicht vor. Die Beurteilung, ob das Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) zuzuordnen sei und damit ohne Einwilligung des Abgebildeten genutzt werden dürfe, erfordere eine Abwägung zwischen dem Interesse Günther Jauchs am Schutz seiner Persönlichkeit und dem von der TV Movie wahrgenommenen Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Mit Recht habe das OLG Köln die Interessen Jauchs höher gewichtet als die der TV-Zeitschrift.
Auf Seiten der Zeitschrift habe es keine berechtigten Belange mit Gewicht in die Abwägung eingestellt und dies unter anderem damit begründet, dass das Posting bezogen auf Jauch an der Grenze zu einer bewussten Falschmeldung und damit allenfalls am äußersten Rand des Schutzbereichs der Pressefreiheit liege.
Mit dem durch den Klickköder veranlassten Anklicken des Posts würden zwar Werbeeinnahmen erzielt, die der Finanzierung der journalistischen Arbeit dienen. Dies rechtfertige es aber nicht, das Bildnis einer prominenten Person für eine Berichterstattung zu nutzen, die keinen inhaltlichen Bezug zu ihr aufweise. Jauch müsse nicht hinnehmen, dass sein Bildnis von der Presse unentgeltlich zur Werbung für redaktionelle Beiträge eingesetzt werde, die ihn nicht betreffen.
Es sei auch nicht zu beanstanden, dass das OLG die von der TV-Zeitschrift an Jauch zu zahlende fiktive Lizenzgebühr mit 20.000 € bemessen habe. Das OLG habe hier mit Recht einerseits den ganz überragenden Markt- und Werbewert und die außergewöhnlich hohe Beliebtheit Jauchs berücksichtigt. Es habe andererseits zutreffend angenommen, dass bei der hier allein vorliegenden Aufmerksamkeitswerbung im Vergleich etwa zu einer unzulässigen Testimonial-Werbung mit einem Prominenten eine der eher schwächeren Werbeformen vorliege. Es habe ferner dem Umstand, dass die Zeitschrift mit der beanstandeten Nutzung des Bildnisses eine Krebserkrankung Jauchs als möglich in den Raum gestellt habe, ohne Rechtsfehler wesentliche Bedeutung für die Höhe der Lizenzgebühr beigemessen.
tsp