Axel Springer hat einen Rechtsstreit um die Schlagzeile „Wir sind Papst“ gewonnen. Das OLG Hamburg urteilte, dass der Slogan urheberrechtlichen Schutz genieße. Der Slogan ist seit der Wahl Joseph Ratzingers 2005 zu einer geflügelten Redewendung geworden.
„Wir sind Papst!“ war eine Schlagzeile der Bild-Zeitung am 20. April 2005, einen Tag nach der Wahl Joseph Kardinal Ratzingers zum Papst. Sie wurde aufgrund der historischen Bedeutung sogar an der Fassade des Axel-Springer-Hochhauses in Berlin gezeigt. Seither wurde die Schlagzeile vielfach im Fernsehen und in der Presse zitiert oder abgewandelt und entwickelte sich schnell zu einem geläufigen Ausdruck und geflügeltem Wort.
So urteilte das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg auch, dass die Schlagzeile „Wir sind Papst“ eine ausreichende Schöpfungshöhe aufweise und daher als „Sprachwerk“ urheberrechtlich geschützt sei. Die drei Worte würden aufgrund ihrer sprachlichen Prägnanz eine kreative Leistung des Autors darstellen. Eine vorübergehende Fassadenverkleidung mit der Abbildung dieser Titelseite falle nicht unter die Panoramafreiheit (OLG Hamburg, Urteil vom 29.08.2024 – Az. 5 U 116/23).
BILD sieht Urheberrechtsverletzung
Hintergrund des Verfahrens war eine Klage der Axel Springer Deutschland GmbH gegen die Betreiber der Internetseiten www.alamy.com und www.alamy.de. Auf den Seiten werden millionenfach sogenannte „Stockmedien“ – Fotos, Grafiken und Videos – mit verschiedenen Lizenzoptionen angeboten. Unter anderem bot alamy dort zwei Grafiken zur Lizenzierung an, die das Logo der Bild-Zeitung wiedergeben, sowie zwei Fotos, die jeweils angeschnitten die gedruckte Ausgabe der Bild-Zeitung vom 30.09.2019 zeigen. Weiter wurde ein Foto angeboten, das die haushohe Abbildung der Titelseite der Bild-Zeitung vom 20. April 2005 zur Wahl Joseph Kardinal Ratzingers mit der Artikelüberschrift „Wir sind Papst“ an der Fassade des Axel-Springer-Hochhauses in Berlin zeigte.
Axel Springer wandte sich mit der Klage gegen das Angebot kommerzieller Lizenzen und Lizenzen für eine persönliche Nutzung an Bilddateien, bei denen das Logo der Bild-Zeitung ein im Vordergrund stehender Bestandteil sei, außerdem unter dem Aspekt der Urheberrechtsverletzung gegen das Lizenzangebot des Fotos der Ausgabe mit der Artikelüberschrift „Wir sind Papst“.
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„Wir sind Papst“ urheberrechtlich geschützt
Dies bestätigte das OLG Hamburg nun mit seinem Urteil und gab Axel Springer damit recht. Für „Wie sind Papst“ ergab sich die Individualität laut Gericht gleich aus mehreren Aspekten.
Der Slogan „Wir sind Papst“ weise eine ausreichende Schöpfungshöhe auf. Es genieße als „Sprachwerk“ daher gemäß §2 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) urheberrechtlichen Schutz.
Die Schlagzeile „Wir sind Papst“ genieße als Sprachwerk urheberrechtlichen Schutz. Im Bereich der Sprachwerke sei auch die sog. kleine Münze urheberrechtlich geschützt. Es würden deshalb grundsätzlich geringe Anforderungen an die hinreichende Individualität gelten, welche im Falle der Schlagzeile „Wir sind Papst“ erfüllt seien.
Für die Schlagzeile zur Wahl des deutschen Kardinals Joseph Ratzingers zum Nachfolger von Papst Johannes Paul II. habe ein Gestaltungsspielraum bestanden, den der Autor Georg Streiter eigenschöpferisch ausgenutzt hab. Der Autor habe in drei Worten das Ereignis und die damit zusammenhängende Überraschung und Freude der Deutschen im Zusammenhang mit der Wahl eines deutschen Papstes in einer Zeitungs-Titelzeile prägnant zusammengefasst. In der prägnanten Schlagzeile „Wir sind Papst“ komme eine Individualprägung des Autors zum Ausdruck.
Auch zu vorbestehenden „Wir sind“-Slogans wie „Wir sind Weltmeister“ halte die Schlagzeile „Wir sind Papst“ einen deutlichen Abstand ein. Während „Wir sind Weltmeister“ durch „Deutschland ist Weltmeister“ ersetzbar sei, sei dies bei „Wir sind Papst“ nicht gleichermaßen möglich. „Deutschland ist Papst“ oder „die Deutschen sind Papst“ sei keine inhaltlich zutreffende Aussage.
Zeitungs-Headline verbalisiert Identifikationsgefühl in der Bevölkerung
Auch sei der Slogan als Zeitungs-Headline verwendet worden. Hierzu verdeutlichte das OLG, dass insbesondere Zeitungsheadlines häufig aufgrund ihrer Prägnanz und der Anwendung stilistischer Mittel eine gewichtige Individualprägung des Autors erlangten.
Eine solche sei auch bei der Schlagzeile „Wir sind Papst“ anzunehmen. Die Schlagzeile verbalisiere in besonders prägnanter Form und unter Anwendung stilistischer Mittel ein Identifikationsgefühl in der Bevölkerung. Es handele sich damit um die prägnante Zusammenfassung eines Artikels in nur drei Worten, womit das Ereignis und die damit zusammenhängende Überraschung und Freude der Deutschen im Zusammenhang mit der Wahl eines deutschen Papstes zum Ausdruck gebracht werde.
Autor für Schlagzeile ausgezeichnet
Die Anerkennung in Fachkreisen sei ein weiteres Indiz für ausreichende „Schöpfungshöhe“. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnten als Indizien im Rahmen der Prüfung der Originalität auch nach der Schaffung des Werkes eingetretene Umstände berücksichtigt werden, wie etwa die Anerkennung in Fachkreisen. Als ein Indiz für die Schutzfähigkeit eines Werks könne auch die Beachtung, die das Werk in den Fachkreisen und in der übrigen Öffentlichkeit gefunden habe, mit einzubeziehen sein.
Streiter habe in Folge des Medienaufsehens im darauffolgenden Jahr unter anderem eine Auszeichnung für kreative Leistung des „Art Directors Club Deutschland“ verliehen bekommen. Auch die „Gesellschaft für deutsche Sprache“ ehrte ihn: Sie vergab der Wendung „Wir sind Papst“ den zweiten Platz unter den „Zehn Wörtern des Jahres 2005“. Diese nachträglichen Auszeichnungen seien laut Gericht ebenfalls ein deutliches Indiz für die originelle Leistung Streiters.
Nicht alle Slogans sind schützenswert
Im Vergleich zu anderen Slogans wird jedoch deutlich, dass nicht jede Headline eine individuelle und damit schützenswerte Leistung darstellt.
Das Oberlandesgericht Köln entschied beispielsweise im Jahr 2016, dass die Wendung „Wenn das Haus nasse Füße hat“ keinen Urheberschutz genießt (Urteil vom 8.04.2016 – Az. 6 U 120/15). Im Gegensatz zu „Wir sind Papst“ handelt es sich dabei nämlich um eine beschreibende Darstellung, die aufgrund mangelnder Kreativität nicht schutzwürdig ist.
Auch „Früher war mehr Lametta“ genießt keinen urheberrechtlichen Schutz. So entschied das Oberlandesgericht München 2019, dass der Ausspruch zwar kreativ, jedoch eine alltägliche Redewendung und daher nicht ausreichend individuell sei (Urteil vom 20.12.2019 – Az. 6 W 927/19).
Auch das OLG Hamburg entschied schon einmal gegen den Urheberschutz: Mit Urteil vom 9. November 2000 stellte das Gericht fest, dass der Werbespruch „Hier ist DEA – Hier tanken sie auf“ kein „Sprachwerk“ ist und daher keinen Urheberschutz auslöst (Urteil vom 9. 11.2000 – Az. 3 U 79/99).
lbr/tsp