Kommen nun die Upload-Filter? Wird bald die Meinungsfreiheit im Internet bedroht? Eine erste Antwort gab der lange erwartete Diskussionsentwurf zur Umsetzung von Artikel 17 der Urheberrechtsreform, den das BMJV am 24. Juni 2020 veröffentlichte. Nun gibt es wieder Neuigkeiten aus dem Justizministerium. Am 13. Oktober 2020 hat das BMJV den Referentenwurf zur Umsetzung der Urheberrechtsreform veröffentlicht. Dieser enthält auch neue Regelungen zum Leistungsschutzrecht und Urhebervertragsrecht. Alle wichtigen Informationen erhaltet ihr in diesem Artikel.
Update vom 13. 10. 2020: Nachdem das Bundesjustizministerium im Januar und im Juni Diskussionsentwürfe zur Umsetzung der Urheberrechtsreform veröffentlicht hatte, führt der aktuell veröffentlichte Referentenentwurf nun beide Entwürfe zusammen. Der Entwurf setzt die DSM-Richtlinie (EU) 2019/790 und die Online-SatCab-Richtlinie (EU) 2019/789 in deutsches Recht um.
Und wieder einmal zeichnet sich ab, dass Upload-Filter wohl unvermeidlich kommen werden. Die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen wie zum Beispiel Youtube soll in einem neuen eigenständigen Gesetz festgeschrieben werden: dem Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten. Dennoch sieht der Referentenentwurf – wie auch schon der Diskussionsentwurf vom 24. 6. 2020 – Mechanismen vor, um ein Overblocking durch die Upload-Plattformen zu verhindern. Eine Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte zu Zwecken der Karikatur, der Parodie und des Pastiches ist zum Beispiel erlaubt. Die Nutzer können ihre Uploads als solche preflaggen, allerdings – anders als im Diskussionsentwurf vorgesehen – erst, wenn ein Sperrverlangen eines Rechteinhabers bzgl. eines Inhaltes vorliegt (Precheck-Verfahren). Viele kritisieren, dass diese Regelung zu den Upload-Filtern erheblich schärfer ist als noch die Vorschriften im Diskussionsentwurf. Darüber hinaus ist auch die Nutzung kleiner Ausschnitte fremder Werke zu nicht kommerziellen Zwecken erlaubt. Künftig können Verwertungsgesellschaften zudem kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung (sogenannte ECL) vergeben.
Der Referentenentwurf sieht auch ein so genanntes Presseverleger-Leistungsschutzrecht vor. Schutzgegenstand ist die wirtschaftlich-organisatorische und technische Leistung der Presseverleger bei der Erstellung von Presseveröffentlichungen. Zeitungen oder Magazine können durch das neue Leistungsschutzrecht Suchmaschinen wie Google die Online-Nutzung ihrer Veröffentlichungen gegen eine Lizenzgebühr lizenzieren oder verbieten. Allerdings soll es von dem Leistungsschutzrecht auch Ausnahmen geben. Zulässig bleibt zum Beispiel die Nutzung „einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge“ aus einer Presseveröffentlichung (Snippet-Ausnahme).
Daneben sollen die bestehenden Vorschriften zum Urhebervertragsrecht, also die Regeln für Verträge zwischen Kreativen und Verwertern, angepasst werden. Neu ist auch, dass Verleger künftig wieder für gesetzlich erlaubte Nutzungen, z. B. Privatkopien, vergütet werden. Der Gesetzesentwurf verfolgt auch das Ziel, einen besseren Zugang zum Kulturerbe zu fördern. Vervielfältigungen eines gemeinfreien visuellen Werks, wie etwa Fotografien alter Gemälde, genießen deshalb in Zukunft keinen Leistungsschutz mehr. Außerdem gibt es neue Bestimmungen zur Online-Verbreitung von Fernseh- und Radioprogrammen, durch Livestreams und Mediatheken.
Bis zum 6. November 2020 haben nun interessierte Kreise und Verbände die Möglichkeit, sich zum Referentenentwurf zu äußern. Dann wird der Entwurf von der Bundesregierung intern beraten.
Analyse des Diskussionsentwurfs zur Umsetzung von Art. 17 der Urheberrechtsreform (Stand: 24. Juni 2020)
Das Bundesjustizministerium (BMJV) hat am 24. Juni 2020, den lange erwarteten Diskussionsentwurf zur Umsetzung von Artikel 17 der Urheberrechtsreform veröffentlicht. Das neue Gesetz, mit dem der umstrittene Artikel umgesetzt werden soll, wird „Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG-E)“ heißen.
Der erste Eindruck: Upload-Filter werden kommen. Das überrascht nicht. Doch die Proteste gegen die drohenden Upload-Filter Anfang 2019 haben zumindest teilweise gewirkt. Außerdem finden sich in dem Vorschlag immerhin einige der Gestaltungen wieder, die auch Christian Solmecke von der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE in seiner Stellungnahme zur Umsetzung der Richtlinie vorgeschlagen hatte.
Zum Hintergrund der Upload-Filter-Debatte
Die europäische Urheberrechtsrichtlinie musste dringend überarbeitet und an das Internetzeitalter angepasst werden – darüber waren sich alle einig. Nicht aber über die Frage, wie das geschehen sollte:
- Die Inhaber von Urheberrechten hatten gefordert, an der Wertschöpfung beteiligt zu werden, die Upload-Plattformen im Internet mit Werbung generieren. Der Vorschlag, den das Gesetz deshalb vorsah: Die Plattformen sollten entweder Lizenzen zu den Werken kaufen oder den Upload dieser Werke mit (letztlich automatisierten) Filtern unterbinden.
- Die Nutzer waren zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen und hatten davor gewarnt, dass Inhalte zu Unrecht blockiert würden. Sie sahen eine große Gefahr für die Meinungs-, Kunst- und Kommunikationsfreiheiten im Internet. Auch auf YouTube wurde massiv gegen die Regelung protestiert. Wir von der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE waren mit unserem Kanal wbs-law.tv mit dabei.
Es wurden zumindest geringfügige Zugeständnisse an die Protestierenden gemacht – der Kern der kritisierten Regelung, insbesondere die Upload-Filter, blieb aber erhalten. Deutschland hatte dem Richtlinien-Vorschlag letztendlich zugestimmt. Dabei hatte die Regierung in einer Protokollerklärung aber festgehalten, dass es bei der Umsetzung insbesondere darum gehen müsse, die Rechte der Kreativen und der Nutzer zu wahren, und nach Möglichkeit auf „Upload-Filter“ zu verzichten. Dabei wollte die Regierung die Spielräume von Artikel 17 nutzen, um die Rechte und Interessen aller Beteiligten auszutarieren. Nun zeigt sich, wie sie sich das vorstellt. Die EU-Richtlinie muss bis zum 7. Juni des kommenden Jahres umgesetzt werden. Bis dahin wird es sicherlich noch viel Stoff für Diskussionen geben.
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Die wichtigsten Punkte für die Nutzer
- An Upload-Filtern führt – trotz aller Versprechungen – kein Weg vorbei.
- Doch es gibt Einschränkungen zugunsten der Nutzer:
- Wie schon in der Richtlinie vorgesehen, werden neue urheberrechtliche Schranken zugunsten der Nutzer eingeführt: Karikatur, Parodie und Pastiche.
- Nicht alle urheberrechtlich geschützten Inhalte werden sofort blockiert. Können Nutzer sich auf eine Schrankenregelung (z.B. Zitat oder „Recht auf Remix“, s.o.) berufen, dürfen sie den Inhalt kennzeichnen. Dann wird er in der Regel nicht automatisch blockiert.
- Auch sog. Bagatellnutzungen werden erlaubt sein – gegen eine Pauschalabgabe, die die Plattformen an die Urheber zahlen müssen.
- Nutzer haften zukünftig nicht mehr für Urheberrechtsverletzungen in sozialen Netzwerken.
- Es wird ein Beschwerdeverfahren bei fälschlichen Blockaden geben.
Christian Solmecke zu dem Entwurf:
„Dass der deutsche Reformvorschlag es nicht schafft, ohne Upload-Filter auszukommen, überrascht mich nicht. Mit der europäischen Regelung in Artikel 17 waren die Vorgaben so eindeutig, dass auch eine deutsche Umsetzung sie nicht umgehen konnte. Dem deutschen Gesetzgeber waren – trotz entgegenstehender Versprechungen – juristisch die Hände gebunden. Daher hatten meine Mitstreiter und ich auch bis zum Ende darum gekämpft, Artikel 17 noch auf europäischer Ebene zu verhindern.
Dennoch finde ich es positiv, dass der Entwurf versucht, die einzelnen Interessen der Beteiligten so gut wie möglich auszutarieren. Einige der Regelungen, die ich jetzt in dem Entwurf lese, hatte ich ebenfalls in meiner Stellungnahme zur Umsetzung der Richtlinie vorgeschlagen, um die Richtlinie so weit wie möglich zu entschärfen. Dazu gehören etwa das Verfahren beim „pre-flagging“ (als legal gekennzeichnete Inhalte dürfen i.d.R. nicht automatisch blockiert werden), die Ausnahmeregelungen zu Bagatellnutzungen bei gleichzeitigem Ausgleich durch eine Pauschalabgabe, die Ausnahmeregelungen für Kleinst-Plattformen, das Beschwerdeverfahren bei Overblocking sowie der fälschlichen Anmeldung fremder Inhalte durch vermeintliche Rechtsinhaber.
Doch schon jetzt sehe ich Verbesserungsbedarf:
- Denn das Verbot einer automatischen Blockade gilt nicht, wenn die Uploads „offensichtlich rechtswidrig“ sind – was u.a. der Fall ist, wenn ein Inhalt zu mindestens 90% mit einem Werk übereinstimmt – etwa bei einem Filmwerk. Doch wenn sich Nutzer auf eine Schranke wie etwa das Zitatrecht berufen können, geht es gerade darum, das Original hochzuladen. Auch in anderen Fällen von Schranken zeugt eine Übereinstimmung nicht von einer rechtswidrigen Nutzung. Ich bleibe daher bei meiner Forderung, dass solche Inhalte erst nach Freigabe durch einen Menschen geblockt werden dürfen. Missbrauch durch die Nutzer kann man anderweitig begegnen.
- Kritisch sehe ich, dass im Entwurf steht, Plattformen müssten alle passenden Lizenzangebote annehmen. Wie soll das in der Praxis funktionieren? Hier sind die Regelungen noch recht schwammig.
- Es stellt sich die Frage, ob die – durchaus zu begrüßende – Bagatellschranke europarechtskonform ist. Denn die dort vorgesehenen Schranken sind abschließend.
- Die Möglichkeit kollektiver Lizenzen steht meiner Meinung nach nicht mit der Vertragsfreiheit der Urheber im Einklang, selbst zu wählen, ob sie ihre Werke über eine Verwertungsgesellschaft lizenzieren wollen oder nicht. Aber das müsste der EuGH klären – im Richtlinientext sind sie vorgesehen.
- Es gibt keine Ausnahmeregelung für Livestreams. Diese können somit einfach unterbrochen werden.„
Doch was steht eigentlich genau in dem Entwurf?
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Regelungen im Interesse der Rechteinhaber: Lizenzen oder Upload-Filter
Wie die Urheberrichtlinie es schon vorsieht, entfällt zukünftig das Hostprovider-Privileg für die Plattformen. Sie sind gegenüber den Rechteinhabern zukünftig grundsätzlich direkt verantwortlich, auch wenn Nutzer die Inhalte hochgeladen haben.
Um nicht in die Haftung zu kommen, sieht die Richtlinie mehrere Schritte vor. Diese setzt der deutsche Vorschlag um – eine andere Wahl hatten die Deutschen angesichts des recht eindeutigen Textes auch nicht mehr.
- Lizenzen: Zunächst müssen die Plattformen sich bemühen, für die bei ihnen hochgeladenen Inhalte Lizenzen zu erwerben – zumindest wenn die Rechteinhaber dies wünschen. Das ist in der Regel bei der Musikwirtschaft der Fall. Ihre Verhandlungsposition soll gestärkt werden. Die Plattformen sollen den Rechteinhabern außerdem Auskunft über die Nutzung der lizenzierten Inhalte erteilen.
- Upload-Filter: Sollte der Rechteinhaber nicht wünschen, dass seine Inhalte frei im Netz verfügbar sind (das wird in der Regel bei Filmen so sein), dann müssen die Plattformen in der Regel dafür sorgen, dass die Inhalte gefiltert und nicht (mehr) hochgeladen werden („take down“ und „stay down“). Hintergrund zu dieser Regelung: Insbesondere die Filmbranche baut ihr Geschäftsmodell darauf auf, dass sie exklusiv über ihre Inhalte bestimmen und diese nicht ins Netz gelangen. Die Upload-Plattformen sollen die Rechtsinhaber außerdem über die Wirkungsweise ihrer technischen Systeme informieren müssen.
Schutz gegen Overblocking oder falsche Geltendmachung von Rechten
„Overblocking“ durch die Plattformen soll nach § 19 Abs. 4 dadurch begegnet werden können, dass unter anderem Verbraucherschutzverbände ein Klagerecht gegen die Plattformen haben. Die Ex-Europaabgeordnete Julia Reda, die aktuell das Projekt Control © bei der deutschen Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) leitet, begrüßt das in ihrer Pressemitteilung ausdrücklich. Sie prüft gerade, ob sie möglicherweise bald im Wege der strategischen Prozessführung gegen das deutsche Gesetz vorgehen wird.
Außerdem finden sich in § 19 Abs. 1 und 2 auch Bestimmungen gegen die „False Notification“ (die fälschliche Anmeldung fremder Inhalte durch vermeintliche Rechtsinhaber):
(1) Verlangt ein vermeintlicher Rechtsinhaber von dem Diensteanbieter wiederholt die Entfernung oder Sperrung fremder oder gemeinfreier Werke als eigene Werke, so ist der Diensteanbieter berechtigt, den vermeintlichen Rechtsinhaber für einen angemessenen Zeitraum von den Verfahren nach den §§ 10 und 11 auszuschließen.
(2) Der vermeintliche Rechtsinhaber haftet dem Diensteanbieter und dem betroffenen Nutzer nach den Grundsätzen der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung.
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Regelungen im Interesse der Plattformen
Der Entwurf definiert in § 2, für welche Plattformen die neue Regulierung gilt. Im Weitesten ist der Text der Richtlinie übernommen worden. Erfreulich ist, dass außerdem die Regelung aus den Erwägungsgründen mit aufgenommen wurde, dass nur Dienste erfasst sind, die „mit Online-Inhaltediensten um dieselben Zielgruppen konkurrieren“ – das könnte für eine weitere Einschränkung der erfassten Plattformen sorgen.
Artikel 17 der Richtlinie sah (nach langem Ringen zwischen Deutschland und Frankreich) bereits eine kleine Ausnahme für Start-Up-Unternehmen vor, die aber sehr eng gefasst war und nur Unternehmen betrifft, die jünger als 3 Jahre sind – unabhängig von der Größe, dem Umsatz oder der Zahl der User. Dies wurde damals vielfach zu Recht kritisiert. Das musste so beibehalten werden.
Außerdem sieht der Entwurf jetzt eine weitere Ausnahmeregelung für Kleinst-Plattformen vor, für die der Einsatz von Filtertechnologien einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde: Nach Absatz 3 sind das „Diensteanbieter mit einem jährlichen Umsatz innerhalb der Europäischen Union von bis zu 1 Million Euro.“
Schließlich steht in § 3 explizit, wer nicht erfasst sein soll (gemeint sind insbes. Wikipedia, open source Seiten, Amazon, Cloud-Dienste, etc.)
Eine weitere vorab heiß umstrittene Frage war, wie die Plattformen überhaupt an Lizenzen für alle Werke auf der ganzen Welt kommen sollen. Der Entwurf schlägt nun in § 4 folgendes System vor:
- Plattformen müssen aktiv auf die inländischen Verwertungsgesellschaften zugehen.
- Plattformen müssen geeignete Lizenzangebote zu angemessenen Bedingungen für Inhalte annehmen, die typischerweise bei ihnen hochgeladen werden, ein repräsentatives Repertoire umfassen und den räumlichen Geltungsbereich von Deutschland abdecken.
In einem anderen Abschnitt des Entwurfs sollen außerdem kollektive Lizenzen erlaubt werden (§ 51ff VGG-E). Das bedeutet: „Repräsentative Verwertungsgesellschaften“ können den Plattformen die Nutzung der Werke von Urhebern erlauben, selbst wenn diese keinen Wahrnehmungsvertrag mit der Verwertungsgesellschaft haben. Sie können der Freigabe ihrer Werke allerdings widersprechen. Diese Lizenzen sollen die Nutzungen von Werken auf vertraglicher Basis erleichtern, etwa für Digitalisierungsprojekte.
Regelungen im Interesse der Nutzer
Der Entwurf regelt die Nutzung von Karikatur, Parodie und Pastiche, zu denen in Deutschland bislang Regelungen fehlen. Dass diese Ausnahmen kommen würden, stand schon im Text der Richtlinie. Es war immerhin ein Entgegenkommen an die hunderttausenden User, die im vergangenen Jahr zum Schutz der Meinungs-, Kunst- und Kommunikationsfreiheit auf die Straße gegangen sind. Im deutschen Text ist jetzt eindeutig geregelt, dass auch Abbildungen darunter fallen. Dafür entfällt das Recht auf freie Benutzung (§ 24 UrhG a.F.). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte zuvor festgestellt, dass diese deutsche Regelung nicht mit EU-Recht im Einklang steht.
Wenn Nutzer zukünftig urheberrechtlich geschützte Inhalte auf eine Plattformen hochladen wollen, müssen sie dort die Möglichkeit haben, den Post als gesetzlich erlaubt zu kennzeichnen (§ 8, „Pre-flagging“). Erlaubt sind nach § 5 Zitate, Karikaturen, Parodien, Pastiches und andere gesetzlich erlaubte Fälle der öffentlichen Wiedergabe bzw. Vervielfältigung. In diesem Fall darf die Plattform diesen Inhalt in der Regel nicht blockieren („Online by default“). Eine Ausnahme hiervon gilt nach § 12 allerdings für offenkundig rechtswidrige Uploads. Dies soll nach dem Entwurf bereits dann der Fall sein, wenn der vom Nutzer hochgeladene Inhalt zu mehr als 90% mit einem vom Rechtsinhaber gemeldeten Werk übereinstimmt – etwa bei vollständigen Filmwerken. Diese Regelung ist höchst problematisch (siehe oben)!
Das Gesetz sieht in § 19 Abs. 3 außerdem Bestimmungen vor, die dem „False Pre-flagging“ (fälschliches Kennzeichnen als erlaubte Nutzung durch Uploader) entgegenwirken: So „ist der Diensteanbieter berechtigt, den Nutzer für einen angemessenen Zeitraum von der Möglichkeit zur Kennzeichnung erlaubter Nutzungen auszuschließen.“
Sollte keine gesetzliche Schranke bestehen und keine Lizenz vorhanden sein, hilft den Nutzern aber noch die sogenannte „Bagatellschranke“ zu nicht kommerziellen Zwecken (beispielsweise für User Generated Content, UGC). Danach sollen nach § 6 zu nicht kommerziellen Zwecken in einem geringfügigen Umfang erlaubt werden:
- bis zu 20 Sekunden je eines Films oder Laufbildes,
- bis zu 20 Sekunden je einer Tonspur
- bis zu 1 000 Zeichen je eines Textes und
- je eines Lichtbildes oder einer Grafik mit einem Datenvolumen von bis zu 250 Kilobyte.
Stattdessen sollen die Plattformen – wie es auch bei anderen Kopiergeräten gehandhabt wird – eine pauschale Vergütung an die Rechtsinhaber (über die Verwertungsgesellschaften) zahlen (vergütete Bagatellschranke). Dies ist zwar ausdrücklich zu begrüßen – es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Schrankenregelung europarechtskonform ist.
Nutzer haben sich bislang in einer rechtlichen Grauzone bewegt – zukünftig sollen sie zumindest in den sozialen Medien gänzlich aus der Haftung sein. Möglich machen dies zum einen die Lizenzen, welche die Plattformen mit den Rechteinhabern abschließen müssen (§ 9) – zum anderen die Bagatellschranke.
Regelungen im Interesse der Kreativen
- Kreative sollen einen Direktvergütungsanspruch gegen die Plattformen für lizenzierte Inhalte erhalten, den sie über die Verwertungsgesellschaften geltend machen müssen. So soll garantiert werden, dass jedenfalls ein Teil der Zahlungen der Plattformen die Kreativen tatsächlich auch erreicht.
- Die Kreativen profitieren über die Verwertungsgesellschaften außerdem von der neuen vergüteten Bagatellschranke.
- Nutzungen, die das Urheberpersönlichkeitsrecht verletzen, sollen Urheber auch zukünftig untersagen können.
Beschwerdeverfahren (§§ 13 – 18) – etwa, wenn sich der Upload-Filter irrt
- Nutzer können sich beschweren, wenn sie meinen, ein Inhalt werde zu Unrecht geblockt.
- Rechtsinhaber können sich beschweren, wenn sie meinen, die Zugänglichmachung eines ihrer Inhalte sei weder durch eine Lizenz noch durch eine gesetzliche Erlaubnis gestattet.
- Die Plattformen dürfen die Entscheidung über Beschwerden auf neutrale externe Beschwerdestellen übertragen.
- Der Rechtsweg zu den Gerichten bleibt selbstverständlich möglich.
ahe