Filesharing – Der BGH hat entschieden, dass die Verjährungsfrist für den Lizenzschadensersatz 10 Jahre beträgt (Urt. v. 12.5.2016 – I ZR 48/15). Bislang gingen wir, wie im Übrigen auch die Mehrheit der deutschen Gerichte, bei der Verjährung des Lizenzschadensersatzes von einer dreijährigen Verjährungsfrist aus. Rechtsanwaltskosten verjähren jedoch weiterhin nach drei Jahren. Der Bundesgerichtshof hat zudem die Anforderungen an die Verteidigung des Abgemahnten beim Filesharing näher präzisiert. Es dürfen an den Abmahner keine überspannten Anforderungen im Rahmen der sogenannten sekundären Darlegungslast gestellt werden.

Seit Jahren gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ab wann die einzelnen in Filesharing-Abmahnungen geforderten Ansprüche verjähren. Nun hat der BGH sich erstmalig zur Verjährungsfrist des Anspruchs auf Zahlung eines Lizenzschadens geäußert.

In Filesharing-Abmahnungen, in denen Betroffenen vorgeworfen wird, dass sie Film- oder Musikdateien illegal geteilt- und damit gegen geltendes Urheberrecht verstoßen haben sollen, werden grundsätzlich drei verschiedene Ansprüche geltend gemacht: Der Anspruch auf Unterlassung, der Anspruch auf Aufwendungsersatz sowie der Anspruch auf Schadensersatz. Diese Ansprüche können durch die abmahnenden Kanzleien unterschiedlich lange geltend gemacht werden. Wir klären auf:

1. Der Anspruch auf Unterlassung verjährt nach drei Jahren:

Der Anspruch auf Unterlassung beinhaltet die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass der Unterlassungsanspruch stets nach drei Jahren verjährt. Hier vertritt auch der BGH keine andere Ansicht. Die Verjährungsfrist beginnt dabei nicht an dem Tag der Rechtsverletzung, sondern erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Rechteinhaber bzw. die für ihn abmahnende Kanzlei sowohl von der Rechtsverletzung als auch vom Namen und der Anschrift des Anschlussinhabers Kenntnis erlangt (§ 102 Satz 1 UrhG in Verbindung mit §§ 195, 199 Abs. 1 BGB)

2. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz verjährt ebenfalls nach drei Jahren:

Der Aufwendungsersatzanspruch besteht unter anderem aus entstandenen Ermittlungskosten sowie aus Kosten für das durchgeführte Auskunftsverfahren. Vor allem aber werden im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruches die anwaltlichen Gebühren, also die entstandenen Rechtsanwaltskosten der Abmahnkanzleien, von den Abgemahnten gefordert. Die Aufwendungsersatzansprüche verjähren ebenfalls nach drei Jahren. Auch hier vertritt der BGH keine anderslautende Ansicht. Insofern können die Abmahnkanzleien auch zukünftig nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist ihre eigenen Kosten nicht mehr gegenüber den Abgemahnten geltend machen (§ 102 Satz 1 UrhG in Verbindung mit §§ 195, 199 Abs. 1 BGB). Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn ein ergangener Mahnbescheid die Verjährungsfrist hemmt.

3. Anspruch auf Lizenzschadensersatz verjährt nach Ansicht des BGH nach 10 Jahren

Nun kommen wir zu dem Punkt, zu dem sich der BGH aktuell erstmalig geäußert hat. Bislang sind wir von der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE bei Filesharing-Abmahnungen, auch bei der Verjährung des Anspruches auf Ersatz eines Lizenzschadens, von einer dreijährigen Frist und gerade nicht von einer 10jährigen Frist ausgegangen und zwar gerechnet ab dem Schluss des Jahres, in welchem der Rechteinhaber bzw. die für ihn abmahnende Kanzlei Kenntnis von Verstoß sowie von Namen und Anschrift des Anschlussinhabers erlangt hat. Diese Ansicht teilte bislang auch die überwiegende Mehrheit der Gerichte (Bsp.: AG Bielefeld, 42 C 101/14, 42 C 368/13 sowie AG Kassel, 410 C 625/14, AG Hamburg, 36a C 202/13). Das AG Kassel führte in einem seiner Urteile ( Az. 36a C 202/13) hierzu folgendes aus:

„Die Klägerin kann für sich auch nicht die zehnjährige Verjährungsfrist des § 852 S. 2 BGB reklamieren. Nach dieser Vorschrift unterliegen diejenigen Ansprüche einer längeren Verjährung, die auf die Herausgabe des deliktisch Erlangten zielen.Es handelt sich somit um einen quasi deliktischen Bereicherungsanspruch. Diese Vorschrift findet wegen § 102 S. 2UrhG entsprechende Anwendung. Voraussetzung ist aber, dass der Schädiger tatsächlich etwas erlangt hat. Dies kann die ersparte Lizenzgebühr sein, wenn die Wahrnehmung des Urheberrechts typischerweise nur gegen eine Lizenzgebühr eingeräumt wird (BGH,Urteil vom 27.10.2011 – I ZR 175/10 – Bochumer Weihnachtsmarkt, zit. n. Juris). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Rechtewahrnehmung bei einer Verwertungsgesellschaft lizenziert werden kann.

Hier liegen jedoch die tatsächlichen Verhältnisse anders, so dass die Grundsätze der eben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegend keine Anwendung finden können. Denn dem erkennenden Gericht ist kein Anbieter bekannt, der Werke der Musik oder Filmwerke dergestalt lizenziert, dass sie im Wege des Filesharings angeboten werden können.

Hingegen behauptete die Abmahnindustrie stets, dass die Verjährung des Lizenzschadens bei Urheberrechtsverletzungen nicht bereits nach drei Jahren, sondern erst nach Ablauf einer Frist von zehn Jahren eintreten würde. Bis zum nun veröffentlichten Urteil des BGH gab es zu dieser Diskussion keine höchstrichterliche Rechtsprechung.

BGH – Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an

Im nun durch den BGH entschiedenen Fall urteilten die Richter, dass der auf die Verletzung ihrer Rechte am Titel „Everytime we touch“ der Gruppe „Cascada“ gestützte Anspruch der Rechteinhaberin nicht verjährt gewesen sei.

Der Rechteinhaberin stünden der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Lizenzschadens für das öffentliche Zugänglichmachen des Titels „Everytime we touch“ jedenfalls als Restschadensersatzanspruch zu. Der Restschadensersatzanspruch war zum Zeitpunkt der Geltendmachung durch die Rechteinhaberin des Musiktitels noch nicht verjährt.

Nach § 102 Satz 2 UrhG (Ersatz der Gewinnungskosten) findet dem BGH zufolge der § 852 BGB (Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung) entsprechende Anwendung, wenn der Abgemahnte durch die Verletzung auf Kosten des Rechteinhabers etwas erlangt hat. Danach, so die Sichtweise des BGH, sei der Abgemahnte auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet (§ 852 Satz 1 BGB). Und: Dieser Anspruch verjährt nach zehn Jahren.

Keine Verjährung, da Anspruch auf die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gerichtet ist

Zudem sei der auf die Verletzung des ausschließlichen Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen des Musiktitels gestützte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gemäß § 97 UrhG nicht verjährt, weil er auf die Herausgabe einer durch die Verletzung dieses Rechts erlangten ungerechtfertigten Bereicherung gerichtet ist. Der Abgemahnte hat nach Ansicht der BGH-Richter durch das öffentliche Zugänglichmachen des Musiktitels „Everytime we touch“ auf Kosten des Rechteinhabers etwas erlangt. Er hat durch das Bereithalten dieses Titels zum Download über eine Internettauschbörse in das der Rechteinhaberin ausschließlich zustehende Recht eingegriffen und sich damit auf deren Kosten den Gebrauch dieses Rechts ohne rechtlichen Grund verschafft.

Da die Herausgabe des Erlangten wegen seiner Beschaffenheit nicht möglich sei, weil der Gebrauch eines Rechts seiner Natur nach nicht herausgegeben werden kann, sei dementsprechend der Wert zu ersetzen. Und: Der Gegenwert für den Gebrauch des Musiktitels bestehe in der angemessenen Lizenzgebühr. Diese Grundsätze gelten nach BGH-Ansicht auch für das widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachen eines urheberrechtlich geschützten Werks durch Bereitstellen zum Herunterladen über eine Internettauschbörse.

BGH entscheidet zudem über Umfang der sekundären Darlegungslast beim Filesharing

Im entschiedenen BGH-Fall, hatte die Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Rasch ursprünglich einen Familienvater wegen Filesharing von Musikaufnahmen abgemahnt und schließlich verklagt. Dabei hatte es sich um insgesamt 809 Audiodateien gehandelt. Doch der abgemahnte Anschlussinhaber war mit einer Heranziehung als Täter einer Urheberrechtsverletzung nicht einverstanden. Er verwies darauf, dass seine beiden minderjährigen Kinder Zugriff auf den Rechner gehabt hatten.

Hierzu stellte der Bundesgerichtshof klar, dass der Familienvater dennoch Schadensersatz leisten muss.

Dies begründete der BGH damit, dass seine Verteidigung nicht den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast genügt. Hierzu muss der Vater hinreichend darlegen, dass auch Dritte als Täter in Betracht kommen. Der Anschlussinhaber muss nachvollziehbar erläutern, welche Personen Gelegenheit zum Filesharing an seinem Rechner gehabt haben. Dabei muss er auch näher auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten eingehen. Die Betreffenden müssen auch in zeitlicher Hinsicht zum Begehen der Urheberrechtsverletzung in der Lage gewesen sein. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Rechtsverletzung gewonnen hat. Dies hat er hier jedoch nicht getan.

Fazit:

Der BGH hat entgegen unserer Ansicht und der Ansicht zahlreicher Juristen und Gerichte entschieden, dass der Anspruch auf Zahlung eines Lizenzschadens erst nach 10 Jahren verjährt. Das ist zweifelsohne zunächst einmal ein Rückschlag und keine gute Nachricht für alle Abgemahnten.

Allerdings verjährt der in Filesharing-Abmahnungen geforderte Aufwendungsersatz, der auch die Rechtsanwaltskosten der Gegenseite beinhaltet, weiterhin nach drei Jahren. Da Abmahnanwälte die außergerichtlich entstandenen Aufwendungskosten nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist nicht mehr einfordern können, muss nicht zwangsläufig damit gerechnet werden, dass nun vermehrt Altfälle weiterverfolgt werden.

Auch in eventuellen gerichtlichen Verfahren könnte dann allenfalls der Lizenzschadensersatz verlangt werden. Für den Lizenzschaden muss der Täter der Urheberrechtsverletzung aufkommen und nicht der Störer. Das heißt: Sofern nachgewiesen werden kann, dass der abgemahnte Anschlussinhaber nicht Täter der Urheberrechtsverletzung gewesen ist bzw. auch andere namentlich bekannte potenzielle Täter in Betracht kommen, so muss dieser regelmäßig auch nicht für den Lizenzschaden aufkommen.

Bezüglich des Umfangs der sekundären Darlegungslast stellt der BGH klar, dass die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers grundsätzlich auch dann besteht, wenn es sich um einen Anschluss handelt, der von einer Familie gemeinsam, also von mehreren Personen genutzt wird. Die Anforderungen an den Anschlussinhaber sind vom BGH nun etwas klarer formuliert worden, überlassen den Instanzgerichten aber nach wie vor viel Interpretationsspielraum: Damit eine Täterschaftsvermutung zu seinen Lasten nicht besteht, muss ein gerichtlich in Anspruch genommener Anschlussinhaber nachvollziehbar vortragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. (TOS)