In den vergangenen Jahren gab es eine Abmahnwelle von Fotografen, die Werbefotos im Internet von Hotelzimmern monierten, auf denen ihre Fototapeten zu sehen waren. Nun machte auch das OLG Düsseldorf dieser Argumentation einen gehörigen Strich durch die Rechnung.
Ist eine Fototapete auf einem Werbefoto eines Hotels im Internet sichtbar, so begründet dies regelmäßig keine urheberrechtlichen Ansprüche des Fotografen, so das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (Urt. v. 08.02.2024, Az. 20 U 56/23). Denn der Fotograf habe regelmäßig bereits konkludent (durch schlüssiges Verhalten) seine Einwilligung in diese Nutzungsart der Tapete erteilt. Jedenfalls sei eine spätere Abmahnung deswegen widersprüchlich und damit ein Verstoß gegen § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Der Fotograf hatte argumentiert, beim Verkauf der Fototapete seien die Rechte der Vervielfältigung (§§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 Urheberrechtsgesetz (UrhG)) und der öffentlichen Zugänglichmachung (§§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 19a UrhG) nicht eingeräumt worden, sondern nur das Recht, die Tapete an die Wand zu kleben. Die weitgehenden Rechte seien gerade angesichts des geringen Kaufpreises für die Tapete eindeutig nicht umfasst gewesen. Zudem hätte der Urheber bei dem Foto im Netz genannt werden müssen (§ 13 UrhG). Das Hotel hätte eben darauf verzichten müssen, die Wand mit der Tapete abzubilden oder die Wand retuschieren müssen.
OLG: „Die Fototapeten wären schlicht unverkäuflich“
Im Detail führte das OLG dazu aus: Das Hotel habe zwar die Fotos der Fototapete zwar tatsächlich ohne Urheberbenennung vervielfältigt und veröffentlicht. Dennoch habe es dabei keine Rechte des Fotografen verletzt.
Dabei könne offenbleiben, ob die Tapete als urheberrechtliches Beiwerk gem. § 57 UrhG in zulässiger Weise im Netz gezeigt werden dürfe. Dies wäre dann der Fall, wenn sie weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele und ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst würde.
Denn dem Hotel seien mit Erwerb der streitgegenständlichen Fototapeten konkludent urheberrechtliche Nutzungsrechte an den Tapeten eingeräumt worden. Die vertragsgemäße Nutzung einer Fototapete sehe ihre untrennbare Verbindung mit dem Raum vor, den sie dekorieren solle, so das OLG. Darüber hinaus gehöre es „zu ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung – sowohl in privaten, als auch in gewerblichen Räumen“, dass von diesem Raum auch Fotos gemacht und diese auch im Internet gezeigt würden. Denn „bei lebensnaher Betrachtung“ könne von dem Käufer nicht erwartet werden, darauf zu verzichten oder gar die Bilder zu retuschieren. Wäre das so gewesen, hätte man die Tapete sicherlich niemals gekauft – „die Fototapeten wären schlicht unverkäuflich“, so das OLG weiter. Dies gelte, so das OLG, auch angesichts der Tatsache, dass man bei einem drohenden Risiko von Schadensersatzansprüchen, die den Kaufpreis um ein Vielfaches überstiegen, sicherlich die Finger von einem Kauf ließe.
Fotograf verhält sich widersprüchlich
Darüber hinaus verhalte sich der klagende Fotograf widersprüchlich und verstoße damit gegen § 242 BGB, das Gebot von Treu und Glauben. Schließlich erfreuten sich die Fototapeten nach dessen eigener Aussage großer Beliebtheit. Durch das Inverkehrbringen der Fototapeten habe der Urheber einen Vertrauenstatbestand geschaffen, weil Käufer vernünftigerweise davon ausgehen dürften, dass sie eben auch Fotos von ihren Zimmern ins Netz stellen dürften, „weil dieses Vorgehen im Digitalzeitalter üblich“ sei. In die Richtung hatte zuvor auch schon das OLG Stuttgart argumentiert (Urt. v. 25.10.2022, Az. 17 O 39/22). Sich jetzt auf eine Urheberrechtsverletzung zu berufen, sei daher treuwidrig.
Dies gelte jedenfalls, solange der Erwerber der Fototapete keinen gegenteiligen Hinweis auf eine nur eingeschränkte Nutzung oder eine Verpflichtung zur Zahlung von Lizenzgebühren erhalte und solange die Nutzung der Fototapete über eine naheliegende und nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu erwartende Nutzung nicht hinausgehe. Diese Ausnahmen hätten hier jedoch nicht vorgelegen. Insbesondere sei die Nutzung zu Werbezwecken gerade naheliegend gewesen. Zudem hätten die Tapeten – ihrem Wesen entsprechend – nicht im Mittelpunkt der Fotos gestanden, und seien überdies klar als solche zu erkennen.
Schließlich habe der Fotograf auf das Recht zur Urhebernennung stillschweigend verzichtet. Dies gelte unabhängig davon, dass die konkrete Vereinbarung zwischen dem Fotografen und dem Tapetenhersteller nicht bekannt sei. Schließlich enthielten die Fototapeten selbst keinerlei Urheberbezeichnung. Dies rechtfertige mangels gegenteiliger Anhaltspunkte den Schluss, dass der Fotograf auf sein Recht auf Anbringung der Urheberbezeichnung durch schlüssiges Verhalten verzichtet habe.
Vorgeschichte: Das LG Köln sowie andere Gerichtsentscheidungen
Anders hatte im Jahr 2022 noch das Landgericht (LG) Köln entschieden (Urt. v. 18.08.2022, Az. 14 O 350/21): Der abmahnende Fotograf bekam Recht, die Inhaberin der Fototapete musste ca. 1000 Euro Schadensersatz sowie die Abmahnkosten bezahlen und durfte die Bilder nicht mehr verwenden. Dazu argumentierte das LG Köln: Nur, weil sie die Tapete gekauft worden sei, habe die Käuferin noch nicht die entsprechenden Nutzungsrechte zur Veröffentlichung im Internet daran erworben. Eine konkludente Rechteeinräumung komme zwar grundsätzlich in Betracht, sei hier jedoch nicht erfolgt. Auch einen Rechtsmissbrauch sah das LG damals nicht.
Das LG Köln meinte außerdem, auch könne sich die Frau nicht darauf berufen, dass die Tapete einfach nur ein unwesentliches Beiwerk im Sinne des § 57 UrhG sei. Hier liege der Fall so wie in dem 2015 vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall zum IKEA-Katalog, in dem auch das Bild eines Künstlers zu sehen war. Damals entschied der BGH, dass das Bild gerade kein „unwesentlichen Beiwerk“ gewesen sei, weil das Zimmer ohne das Bild matt und kalt ausgesehen hätte, es hätte absolut nichts Besonderes. Entsprechend sah das LG Köln die Fototapete auch als „stimmungsbildend“ für das fotografierte Zimmer. Sie seien zentrales Element in der Gestaltung und befänden sich an einem prominenten Platz. Würde die Tapete ausgetauscht werden, würde das gesamte Zimmer anders aussehen – und deswegen komme kein Ausweg als unwesentliches Beiwerk infrage.
In einem von uns geführten Verfahren sah das LG Düsseldorf das jedoch bereits – indirekt – anders. Damals hatte der Mandant aber leider vor unserer Beauftragung schon eine Unterlassungserklärung unterschrieben. Das LG Düsseldorf konnte jedoch immerhin deren Umfang beschränken. In anderen Verfahren (neben der hiesigen Vorinstanz auch z.B. Urt. v. 19.04.2023, Az. 12 O 129/22) hat das LG Düsseldorf sich dann noch deutlicher zugunsten der Abgemahnten positionieren können. Ebenso sahen es das LG und das OLG Stuttgart. Es ist sehr zu begrüßen, dass nun auch das OLG Düsseldorf dieser Argumentation der Fotografen eine Absage erteilt haben. Denn alles andere wäre in der Praxis widersinnig. Es bleibt zu hoffen, dass damit die Abmahnwelle eingedämmt ist.
ahe