In einem Seniorenheim leitete der Heimbetreiber über eine Sattelitenanlage Fernseh- und Hörfunkprogramme an die Heimbewohner weiter. Schließlich sollte den Bewohnern der bestmögliche Aufenthalt geboten werden. Die GEMA klagte daraufhin auf Unterlassung von Urheberrechtsverletzungen. Handelte es sich hier aber tatsächlich um eine Urheberrechtsverletzung? Das musste nun das OLG Zweibrücken beantworten.
Das Weiterleiten von Fernseh- und Hörfunkprogrammen an die Bewohner eines Seniorenheims ist keine Urheberrechtsverletzung – das entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. Die Weiterleitung sei keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 15 Urheberrechtsgesetz (UrhG) (Urt. v. 16.03.2023, Az. 4 U 102/22).
Der Betreiber einer Einrichtung für Betreutes Wohnen leitete Fernseh- und Hörfunkprogramme, die er über eine Satellitenanlage empfing, in die Zimmer der 89 Bewohner des Seniorenheims weiter. Im Pflegebereich des Seniorenheims sind insgesamt 88 Einzel- sowie drei Doppelzimmer in vier Wohnbereichen vorhanden. In der Weiterleitung der Programme an die Bewohner sah eine Verwertungsgesellschaft, in diesem Fall die GEMA, eine Urheberrechtsverletzung und forderte deshalb Unterlassung. Zunächst auch mit Erfolg, das Landgericht (LG) Frankenthal (Urt. v. 26.01.2023, Az. 4 U 101/22) gab der Klage nämlich statt.Damit wollte sich der Betreiber des Seniorenheims jedoch nicht zufriedengeben und zog vor das OLG Zweibrücken.
Weiterleitung im Seniorenheim ist keine öffentliche Wiedergabe
In Zweibrücken bewerteten die Richter den Sachverhalt anders. Laut OLG hat die Verwertungsgesellschaft keinen Anspruch auf Unterlassen. Zwar habe nach dem UrhG nur die Verwertungsgesellschaft das Recht, ein Werk weiterzusenden – die jeweilige Norm sei hier jedoch nicht anwendbar. Das OLG war der Auffassung, dass die Weiterleitung an Heimbewohner keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit § 2 Nr. 3 UrhG darstelle. Stattdessen handle es sich um einen abgeschlossenen privaten Kreis von potenziellen Empfängern der Sendungen.
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Das OLG interpretierte die „öffentliche Wiedergabe“ gemäß der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs so, dass eine unbestimmt große Anzahl von Empfängern an der Sendung teilnehmen könne. Die etwa 90 Heimbewohner seien zwar viele Personen, an die die Sendungen weitergeleitet werden, jedoch bildeten sie einen definierten privaten Empfängerkreis. Außerdem hätten Bewohner in Seniorenheimen eine längere Aufenthaltszeit als beispielsweise in Reha-Kliniken oder Krankenhäusern, wo die Fluktuation der Empfänger deutlich höher sei. Die Richter in Zweibrücken verglichen das Seniorenheim eher mit einer Miteigentümergemeinschaft, die Sendungen, die über die Gemeinschaftsantenne empfangen werden, an die einzelnen Wohnungseigentümer weiterleitet. Innerhalb dieser Gruppe bestünden auch persönliche Bindungen, die über die Tatsache hinausgingen, dass sie alle Mietverträge mit dem gleichen Betreiber hätten.
Rechtsfrage ist umstritten
Also: gute Nachrichten für die Bewohner und den Betreiber des Seniorenheims. Sie können wieder wie gehabt ihre Fernseh- und Hörfunkprogramme ansehen beziehungsweise anhören. Nichtsdestotrotz sind die Rechtsfragen, die sich in solchen Fällen rund um die öffentliche Wiedergabe ergeben, nicht unumstritten und dürften wohl auch nicht endgültig gelöst sein. Das zeigen andere Gerichtsurteile in ähnlich gelagerten Fällen. Denn nicht nur die Erstinstanz, hier das LG Frankenthal, entschied gegenteilig zum OLG Zweibrücken.
Vor einigen Jahren vertrat auch das OLG Dresden die gegenteilige Ansicht (Urt. v. 10.01.2023, Az. 14 U 1307/22). In einer Parallelsache aus Zweibrücken ist (Urt. v. 26.01.2023, Az. 4 U 101/22) die Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) anhängig (Az. I ZR 34/23). Es bleibt also spannend rund um die Fragestellungen, die sich bei der Weiterleitung von Rundfunkprogrammen und einer potenziellen öffentlichen Wiedergabe stellen.
agü/ezo