Das LG Darmstadt hat in einem aktuellen Beschluss vom 12.12.2008 (Az. 9 Qs 573/08) entschieden, dass das Recht auf Akteneinsicht gem. § 406 e StPO in Bagatellfällen hinter dem Recht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung zurücktreten muss.
In dem zugrundeliegenden Sachverhalt wurde ein Einsichtsrecht bereits wegen des Bereithaltens von einer Musikdatei im Wege des sog. Filesharing geltend gemacht. Das LG Darmstadt sah die durch das Bereithalten einer Musikdatei begangene Urheberrechtsverletzung als eine Bagatelle an, da sich in diesem Fall die Aufdeckung der Identität des Beschuldigten als unverhältnismäßig darstelle.? Das LG Darmstadt kam daher zu dem Schluss, dass die schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten dem Begehren der Antragstellerin auf Akteneinsicht klar überwiegen. In der Begründung führte das LG Darmstadt weiter aus:
? „(…)Die Antragstellerin hat kein Recht auf Akteneinsicht, da diesem Begehren überwiegende schutzwürdige Interessen der Beschuldigten bzw. der Betroffenen Anschlussinhaber entgegenstehen (§ 406e Abs. 2 Satz 1 StPO).(…)
Zwar kommt nach der Rechtsprechung der Kammer im Rahmen von Ermittlungsverfahren wegen unberechtigten Zugänglichmachens urheberrechtlich geschützter Werke durch Internet-Tauschbörsen grundsätzlich ein Einsichts- und Auskunftsanspruch des verletzten Rechteinhabers in Betracht. Jedoch sind hier nach den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles die Interessen der Antragstellerin nachrangig.(…)
Während sich die verletzten Rechteinhaber regelmäßig auf Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG und – mit Blick auf das geistige Eigentum – auf Art. 14 Abs. 1 GG stützen können, ist auf Seiten des Beschuldigten bzw. des betroffenen Anschlussinhabers dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG zu beachten.(…)
Nach den Besonderheiten der vorliegenden Fälle und der jeweils zu treffenden Einzelfallabwägung müssen hier jedoch die Interessen der Antragstellering hinter den schutzwürdigen Belangen der Beschuldigen bzw. der Anschlussinhaber zurücktreten, da sich die Aufdeckung ihrer Identität im Wege der Akteneinsicht als unverhältnismäßig darstellt. Während der vorgenannten Kammerentscheidung das Zugänglichmachen von 620 Audio-Dateien im Rahmen einer mehrstündigen Session eines einzigen Beschuldigten zu Grunde lag, geht es vorliegend jeweils nur um das Bereithalten von einer Musikdatei – unabhängig voneinander – durch mehrere Beschuldigte. Insoweit handelt es sich jeweils um bagatellartige Rechtsverletzungen, was nach Abwägung der widerstreitenden Interessen zu einem Vorrang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen führt, auch wenn dieses seinerseits nicht im Kern berührt ist.
(…)Zur Beurteilung der Frage, ob eine Bagatelltat vorliegt, ist keine betriebs- oder volkswirtschaftliche Perspektive einzunehmen. Maßgeblich ist die individuelle Verfehlung im konkreten Einzelfall, der jeweils für sich genommen
zu bewerten ist, da die Rechtsverletzungen andere Nutzer dem jeweiligen Beschuldigten nicht zugerechnet werden können. Eine mittäterschaftliche Begehung liegt hier fern. Insoweit handelt es sich um allenfalls geringfügige Verstöße, was sich im Rahmen der Abwägung widerstreitender Interessen zu Lasten der Antragstellerin auswirkt.(…)“
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