Kann eine Zeitung einen in Auftrag gegebenen Text kürzen, ohne dass dies vorher mit dem Autor des Textes vereinbart wurde? Mit dieser Frage musste sich nun das LG Köln beschäftigen. Über diesem Fall schwebt allerdings die übergeordnete Debatte der Balance zwischen den Interessen der Verfasser und der Verleger.
Wenn eine Zeitung Kürzungen an einem in Auftrag gegebenen Artikel vornimmt, ohne diese mit dem Autor abzusprechen, stellt das eine Urheberrechtsverletzung dar, so das Landgericht (LG) Köln. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Autos ausdrücklich erklärt, dass sämtliche Änderungen vorab mit ihm abzusprechen sind (Urt. v. 10.08.2023, Az. 14 O 144/23).
Eine Zeitung beauftragte einen freien Autor, einen Artikel zu einem bestimmten Thema zu verfassen. Nachdem der vereinbarte Artikel fertiggestellt war, ließ der Autor den Artikel an den Verlag mit dem Hinweis zukommen, dass alle Änderungen am Text abgesprochen werden müssten. Zum Unmut des Autos veröffentlichte die Zeitung entgegen der Absprache den Bericht, jedoch in einer mehrfach und erheblich gekürzten Version. Das wollte der Verfasser nicht auf sich sitzen lassen und zog vor der LG Köln.
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LG Köln sah Urheberrechtsverletzung
Das LG Köln stellte fest, dass das Werk des Autors durch die Kürzungen ohne dessen Zustimmung verändert und somit nach § 14 Urheberrechtsgesetz (UrhG) beeinträchtigt bzw. in unzulässiger Weise verändert wurde, § 39 Abs. 1 UrhG. Die vorgenommenen Änderungen durch den Verlag seien insbesondere nicht im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung nach § 14 UrhG oder gemäß § 39 Abs. 2 UrhG als gerechtfertigt anzusehen.
Eine Entstellung oder sonstige Beeinträchtigung gemäß § 14 UrhG liegt vor, wenn der geistig-ästhetische Gesamteindruck des Werks beeinträchtigt wird und diese Beeinträchtigung geeignet ist, die Interessen des Urhebers zu gefährden. Außerdem muss eine Interessenabwägung zu Lasten desjenigen ausfallen, der die Beeinträchtigung vorgenommen hat. Jede objektiv nachweisbare Änderung, die den vom Verfasser gewollten Gesamteindruck verfälscht, stellt eine Beeinträchtigung dar.
Zwar wies das LG Köln darauf hin, dass das Verhältnis zwischen § 14 UrhG und § 39 UrhG nicht abschließend geklärt sei. Jedoch sei dies im vorliegenden Fall nicht entscheidend, da der Artikel durch die von der Zeitung vorgenommenen Kürzungen im Sinne von § 14 UrhG beeinträchtigt worden sei.
Kernaussage verfälscht
Weiterhin stellt das LG Köln die Bedeutung der Kürzungen fest. Der Artikel handelte unter anderem von einer bekannten Verteidigungspolitikerin, jedoch wurden Ausführungen über sie von der Zeitung gestrichen. Außerdem wurde ein Gesamtfazit über eine andere Person gestrichen. Im Fazit schrieb der Autor unter anderem: „Wendehälse mit schlechtem Gewissen sind für Richtungswechsel besonders geeignet“. Die Wortwahl würde sich, zumindest im Zusammenhang mit dem Gesamtwerk, durch eine außergewöhnliche sprachliche Originalität und Individualität auszeichnen – so das Gericht. Außerdem basiere das Fazit auf einer persönlichen geistigen Schöpfung und würde so den Eindruck einer individuellen Stellungnahme zum Thema verstärken. Daher ist das LG der Ansicht, dass durch die Kürzung ein wesentlicher Teil der Aussage des Artikels verloren gehen würde.
Darüber hinaus sei, wie das Gericht letztlich feststellt, gerade der weggekürzte Teil auch für die Zeitung von großer Bedeutung gewesen, weil der Autor beauftragt wurde, über die politischen Beziehungen genau dieser Person zu schreiben, über die das Gesamtfazit durch die Zeitung weggekürzt wurde. Daher erschien es dem LG Köln auch widersprüchlich, dass die Zeitung vorbrachte, dass die getätigten Kürzungen geringfügig gewesen wären.
Das Werkänderungsrecht
Hier hat sich der Verfasser zwar auf § 14 UrhG berufen können. Ein Schutz vor Änderungen durch den Verlag soll aber insbesondere der § 39 UrhG bieten. Dabei wird auch vertreten, dass § 39 UrhG eine Einheit mit § 12 Verlagsgesetz (VerlG) bildet. § 12 VerlG ermöglicht dem Verfasser, unter bestimmten Umständen Änderungen am Werk vorzunehmen, sofern jedoch die entsprechenden Interessen des Verlegers gewahrt werden. § 39 UrhG auf der anderen Seite gewährt dem Autor Schutz vor Veränderungen durch den Verleger, sofern der Verfasser die Änderung am Werk nach Treu und Glauben nicht versagen kann.
So urteilte das LG Hamburg 2022, dass das nachträgliche Gendern von Texten durch den Verlag ohne Zustimmung des Autors nach § 39 Abs. 2 UrhG unzulässig ist (Az. 308 O 176/21). Andererseits muss der Verfasser bei Änderungen im Sinne des § 12 VerlG die berechtigten Interessen des Verlegers waren. Diese können wirtschaftlicher Natur sein, aber auch die Identität des Verlags betreffen. Beide Normen müssen daher in Einklang betrachtet werden, um eine Balance zwischen Autoren- und Verlegerinteressen herzustellen.
agr