Das Landgericht Köln, dass es bekanntlich abgemahnten Anschlussinhabern in der Vergangenheit sehr schwer gemacht hatte, sich gegen den Vorwurf der rechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachung von geschützten Werken im Internet zu verteidigen, hat sich im Rahmen eines aktuellen 20-seitigen Hinweisbeschlusses vom 12.12.2011 (33 O 283/11) zu grundsätzlichen Aspekten in gerichtlichen Filesharing-Verfahren geäußert.
Auch wenn einige Punkte in dem Beschluss durchaus noch für Diskussionsbedarf sorgen, scheint sich jedoch eine begrüßenswerte Wende in der bisherigen Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf etwaige Schadensersatzansprüche am Gerichtsstandort Köln abzuzeichnen. Zumindest führt es dazu, dass seitens des Gerichts ein Vergleichsvorschlag zur gütlichen Einigung unterbreitet wurde, der weniger als 1/3 der eingeklagten Forderung beträgt (anstatt € 5.380,80 nur € 1.500,00).
Der Hinweisbeschluss (hier) kann somit als „Bedienungsanleitung“ für Filesharing-Verfahren am Gerichtsstandort Köln verstanden werden. Denn es lässt sich deutlich abzeichnen, welches Verteidigungsvorbringen hier Erfolgsaussichten verspricht und welches wahrscheinlich nicht:
1. Unabhängig davon, wo die Parteien einen Sitz bzw. Wohnsitz haben, fühlt sich das Landgericht Köln bei Filesharing-Klagen, die hier anhängig gemacht werden, örtlich zuständig. Das Gericht begründet dies damit, dass die Nutzung einer Tauschbörse in der Regel „über das Internet bundesweit und damit auch bestimmungsgemäß in Köln erfolgt“. Somit stellt das LG Köln klar, dass eine Rüge der örtlichen Zuständigkeit hier aussichtslos ist. Im Ergebnis wird diese Auffassung auch von anderen Gerichten vertreten.
2. Das Bestreiten eines Anschlussinhabers, die Klägerseite sei tatsächlich Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte, erachtet das LG Köln unter Berufung auf das OLG Köln als in der Regel unbeachtlich. Insbesondere wenn auf Klägerseite – wie auch im konkreten Fall – große Musikunternehmen stehen, könne augenscheinlich nach Auffassung des Gerichts von einer Rechteinhaberschaft ausgegangen werden, wenn zumindest für manche Werke Auszüge aus einer Katalogdatenbank vorgelegt werden, aus denen die Rechteinhaberschaft hervorgehen soll. Die Ansage des LG Köln geht also dahin, dass ein Hinterfragen der Aktivlegitimation für den Einzelfall vergebene Lebensmühe sei.
3. Auch die Ermittlung und Zuordnung einer IP-Adresse zu einer beklagten Partei anzuzweifeln, ist nach Auffassung des Gerichts in der Regel unbeachtlich. Die Zuordnung zu einem Anschlussinhaber und dass von dem Internetanschluss auch die fraglichen Werke angeboten wurden, wird de facto als richtig unterstellt.
Für jeden privaten Anschlussinhaber ist dieser Aspekt besonders ungemütlich, da ihm selbst die Hände gebunden sind, diese Punkte anzugreifen. Er selbst kann weder hinter die Kulissen der fraglichen Ermittlungsarbeit gucken, noch kann er selbst den Internetverkehr im Nachhinein nachvollziehen. Die Anforderungen an einen unberechtigt in Anspruch genommenen Anschlussinhaber, von sich aus konkrete, entkräftende Indizien vorzutragen, ist faktisch ein Ding der Unmöglichkeit.
4. Die Wirksamkeit einer Abmahnung im Verfahren anzugreifen, wenn man vorgerichtlich eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, ist nach Meinung des LG Köln ebenso aussichtlos, wie mögliche Verjährungsgesichtspunkte aufzugreifen oder den Einwand einer unzulässigen Gebührenvereinbarung zu erheben. Die Tatsache, dass Klageauftrag im Hinblick auf die geltend gemachten Abmahnkosten erteilt wurde, zeige, dass die Klägerseite sich zur Bezahlung des Honorars gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten verpflichtet sehe.
5. Die Höhe der Abmahnkosten, im konkreten Fall € 2.380,80 bemessen an einem Unterlassungsstreitwert in Höhe von € 200.000,00 für 4 Klägerinnen, sei nicht zu beanstanden. Dabei spielt es augenscheinlich auch keine Rolle, wenn nicht für alle Werke die Rechtsinhaberschaft konkret dargelegt wird und nicht alle Werke zugunsten der Klägerseite geschützt waren. Auch spielt es keine Rolle, wenn für von keiner hohen Zugriffswahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann. § 97a Abs. 2 UrhG kommt jedenfalls sowieso nicht in Betracht.
6. Im Hinblick auf die Frage, ob sich ein Lizenzschaden in Höhe von € 200,00 pro Musikstück rechtfertigen lässt, erklärt das Gericht zunächst, dass nur der Täter oder Teilnehmer einer Rechtsverletzung, der als solcher auch feststehen muss, auf Schadensersatz haftet. Haben noch andere Personen Zugriff auf einen Internetanschluss, kann eben nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Anschlussinhaber selbst Täter ist.
Bezüglich der Höhe meldete das LG Köln unter Berufung auf den Hinweisbeschluss des OLG Köln vom 30.09.2011 aus einem Parallelverfahren ebenfalls erhebliche Bedenken an.
Im Ergebnis bedeutet dies für einen in Anspruch genommenen Anschlussinhaber:
Am Landgericht Köln lohnt sich eine Verteidigung dann, wenn die eigene Täterschaft nachweislich ausgeschlossen werden kann. Er muss dafür vortragen und bestenfalls nachweisen, dass weder er noch andere zum fraglichen Zeitpunkt den Rechner genutzt haben und grundsätzlich sowieso auch andere Personen noch Zugriff auf den Internetanschluss haben.
Für den Anschluss selber muss er jedoch nach wie vor als sog. Störer gerade stehen. Jedenfalls stellt das Landgericht für entgegenstehende Beweismöglichkeiten (u.a. wegen erheblichen Zeitablaufs) nur äußerst geringe Erfolgschancen in Aussicht. Ohne im Einzelnen die erforderlichen zu erfüllenden Prüfpflichten zu benennen, erklärt das Gericht, dass der Beweis für solche vollumfänglichen erbracht werden muss.
Dies läuft darauf hinaus, dass jeder Anschlussinhaber Zeugen oder auch irgendetwas Schriftliches beibringen muss, aus dem hervorgeht, dass anderen Personen Filesharing ausdrücklich verboten wurde, vorhandene Rechner wochenweise auf Filesharing-Software eindringlich untersucht wurden und auch keine gefunden wurde und technische Maßnahmen ergriffen wurden, die effektiv verhindert haben, dass Filesharing-Software überhaupt installiert werden konnte.
Auch muss er selbst beweisen, im Falle dass der Anschluss von außen durch unbekannte Dritte missbraucht wurde, dass sein etwaiges WLAN hinreichend durch ein persönliches, ausreichend langes Passwort verschlüsselt war und am Besten sogar noch, welcher Unbekannte die Rechtsverletzung begangen hat.
Ein Ding der Unmöglichkeit. Vor allem, wenn trotz Sicherungsmaßnahmen eine Rechtsverletzung dennoch festgestellt worden sein soll, wird es in der Regel wohl heißen, dann waren die getroffenen Maßnahmen nicht ausreichend. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Das „allgemeine Lebensrisiko“ eines jeden Einzelnen für das Halten eines Internetanschlusses besteht somit leider nach wie vor. Aber das stets bestehende Problem der erheblichen Kostenlast eines Anschlussinhabers, wenn er auf Abmahnkosten und Schadensersatz in Höhe von – z.B. wie hier- € 5.380,80 gerichtlich in Anspruch genommen wird, dürfte sich zumindest fürs Erste etwas entschärfen lassen.