Memes, Remixes oder Cosplays waren bisher rechtlich ein schwieriges Thema, denn eigentlich sind die ursprünglichen Werke durch das Urheberrecht geschützt. Nutzern, die diese Werke kreativ weiterverwenden wollen, drohte eine Abmahnung. Das neue Pastiche-Gesetz schafft nun eine neue Rechtsgrundlage. Was unter Pastiche zu verstehen ist und was nun alles erlaubt ist, könnt ihr hier nachlesen.
Sicherlich sind sie jedem schon einmal im Netz begegnet: lustige, spöttische oder auch gesellschaftskritische Fotos und Videos, die oftmals aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen wurden und mit dem Ziel viral zu gehen verbreitet werden. Bei sogenannten Memes handelt es sich um eine zeitgenössische Kommunikationsform, die gerade Internetnutzer zunehmend verwenden, etwa um prominente Personen oder Ereignisse zu imitieren. Nutzte man für das Erstellen dieser oder ähnlicher Inhalte bereits existierende Werke, konnte das, zumindest bis zum Sommer 2021, urheberrechtliche Abmahnungen zur Folge haben. Mit Wirkung zum 6. Juli des letzten Jahres wurde nun der neue § 51a UrhG erlassen. Dieser erlaubt unter anderem die öffentliche Wiedergabe von Werken ohne die Zustimmung des Urhebers zum Zwecke von Pastiches.
Selbst Anwältinnen und Anwälten war bis zur Ankündigung der Gesetzesänderung nicht klar, was unter Pastiche zu verstehen ist. Doch was nach einem leckeren französischen Gebäck klingt, beschreibt eine für die Ausübung unserer Kunst- und Meinungsfreiheit essenzielle Ausnahme im Urheberrecht.
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Grundsatz: Schutz von Werken nach dem Urheberrechtsgesetz
Grundsätzlich sind Fotos, Videos und Melodien, Karikaturen, Animationen und Zeichnungen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützt. Damit hat der Urheber das ausschließliche Recht, die sog. urheberrechtlichen Werke zu nutzen. Genauer: er kann darüber entscheiden, ob die von ihm geschaffenen Inhalte vervielfältigt oder etwa öffentlich zugänglich gemacht werden.
Wer einen (digitalen) Inhalt erstellt, bei dem auf ein bestehendes Werk zurückgegriffen und dieses zum Teil übernommen wird, greift zunächst in die Urheberrechte des Künstlers ein. Denn das Downloaden des fremden Inhalts stellt eine Vervielfältigung dar; das Uploaden im Netz ist öffentliche Zugänglichmachung. Wer also für ein Musikcover eine geschützte Melodie nutzt, einen Comic erstellt, bei dem einer Figur eine Nebenrolle erteilt wird, die eigentlich von einem fremden Künstler stammt oder ein Meme postet, bei dem ein bekannter Filmausschnitt verwendet wird, muss den Rechteinhaber grundsätzlich vorher um eine Einwilligung fragen.
Frühere Rechtslage
Kulturelles Schaffen – sei es im künstlerischen oder wissenschaftlichen Bereich – wäre allerdings nicht denkbar, wenn nicht auf frühere Leistungen anderer Urheber aufgebaut werden dürfte. Bis zum 7. Juni 2021 sorgten daher §§ 23 und 24 UrhG a.F. für den Interessenausgleich zwischen Rechteinhabern bestehender Werke und denjenigen, die auf Grundlage dieser vorbestehenden Werke Neues schaffen. § 23 UrhG bestimmte, dass Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werkes die Zustimmung des Urhebers erfordern, zumindest dann, wenn man das bearbeitete Werk veröffentlichen wollte. § 24 UrhG legte hingegen fest, dass ein selbstständiges Werk, das in freier Benutzung eines anderen geschaffen worden ist, auch ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden durfte.
Zur Abgrenzung, was eine freie Benutzung ist, hat der BGH die sog. Verblassens-Rechtsprechung geprägt. Danach kommt es entscheidend auf den äußeren Abstand an, den der neu produzierte Inhalt zu dem benutzten Werk hält: die eigenpersönlichen Züge des älteren geschützten Werkes müssten angesichts der Eigenart des neuen Werkes verblassen. Die Eigenarten des Ursprungswerkes – so der BGH – dürften dafür allenfalls rudimentär erkennbar sein. Darüber hinaus war bei Parodien auch ein sog. „innerer Abstand“ ausreichend. Dieser lag dann vor, wenn die Eigenheiten des alten Werkes im neuen Werk zwar erkennbar blieben, aber eine gewisse antithematische Auseinandersetzung mit dem Ursprungswerk in der Parodie erfolgte.
Neue Rechtslage
§ 24 UrhG wurde mit Wirkung zum 6. Juli 2021 aufgehoben. § 23 stellt Bearbeitungen weiterhin unter einen Einwilligungsvorbehalt des Urhebers, erlaubt aber – entsprechend der Abstands-Rechtsprechung zu § 24 UrhG a.F. – Veränderungen des Ursprungswerkes, wenn das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zu diesem aufweist. Die Ausnahme betrifft aber, anders als die ehemalige Rechtsprechung, nicht mehr solche Sachverhalte, in denen bloß ein innerer Abstand zum übernommenen Werk vorliegt. Es gilt: sind die Züge des benutzten Werkes – im Sinne eines äußeren Abstandes – nur noch rudimentär erkennbar, liegt nunmehr nach § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG kein Eingriff in den Schutzbereich des Urheberrechts vor.
Doch begeben sich nun sämtliche Parodisten, Memes-Ersteller und Cover-Artists auf rechtswidriges Terrain, weil zwar eine gewisse Auseinandersetzung mit dem Ursprungswerk stattfindet, dieses aber äußerlich übernommen wird? Nein, denn dies würde schon unser Grundgesetz nicht zulassen, das die Kunst- und Meinungsfreiheit ausdrücklich unter Schutz stellt. Nach dem neu erlassenen § 51a UrhG gilt nun: Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches. Die Befugnis nach Satz 1 umfasst die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des genutzten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.
Die neue Regelung hat ihren Ursprung im Europarecht: Während Art. 5 Abs. 3 lit. k InfoSoc-Richtlinie die Norm bereits seit 20 Jahren als für die Mitgliedstaaten fakultative Schrankenregelung im Urheberrecht vorsah, verpflichtete erst Art. 17 Abs. 7 der DSM-Richtlinie (auch) den deutschen Gesetzgeber zum Tätigwerden. § 51a UrhG ist dabei nach der Intention des europäischen Gesetzgebers auch eine Reaktion auf die neue Internetkultur. Mit der neuen Schrankenregelung sollen insbesondere nutzergenerierte Beiträge erfasst werden, die auf Content-Sharing-Plattformen landen.
Darüber hinaus ist die Gesetzesreform auch auf die Rechtsprechung des EuGH zur freien Benutzung gem. § 24 UrhG a.F. zurückzuführen. Der EuGH attestierte die Unvereinbarkeit des Paragrafen mit europäischem Primärrecht. Denn § 24 UrhG a.F. und die Abstands-Rechtsprechung des BGH beschränkten die Urheber in ihren Rechten, ohne dass es dafür eine Grundlage im Unionsrecht gebe. Die Änderung von § 23 UrhG und der Neuerlass von § 51a UrhG kompensieren also (auch) die Abschaffung des § 24 UrhG a.F., der den besagten Interessenausgleich zwischen Urhebern und paraphrasierenden Künstlern gewährleistet hat.
Nutzung veröffentlichter und geschützter Werke ist zulässig
§ 51a UrhG gestattet, dass zum Zwecke der Parodie, der Karikatur oder der Pastiche bereits veröffentlichte und geschützte Werke genutzt werden dürfen. Diese Werke müssen – sonst wäre der Schutzbereich für die Rechteinhaber gar nicht erst eröffnet – in dem neuen Inhalt wiedererkennbar sein, das heißt es darf zwischen den alten und den neuen Inhalten kein äußerer Abstand vorliegen. Zur Beurteilung dessen kommt es auf die Sicht von solchen Bezugspersonen an, denen das vorbestehende Werk bekannt ist.
Die Nutzung des Werkes darf nur für die privilegierten Zwecke erfolgen. Dabei findet bei allen drei genannten Nutzungszwecken eine Modifikation dieses vorbestehenden Werkes statt, indem es umgestaltet oder zumindest in einen anderen Kontext gesetzt wird. Zugleich klingen aber die prägenden Charakteristika des Ausgangswerkes in der Parodie, der Karikatur oder dem Pastiche mit.
Zuletzt muss als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine Interessenabwägung zwischen den schutzwürdigen Rechten des Urhebers einerseits und der Kunst- und Meinungsfreiheit andererseits erfolgen.
Was genau sind Pastiche?
Während man sich unter Karikaturen oder Parodien noch etwas vorstellen kann, ist der Begriff Pastiche in der deutschen Begriffsverwendung nicht weit verbreitet. Schaut man im Wörterbuch nach, beschreibt Pastiche eine Art stilistischer Nachahmung, wie sie vor allem in der Malerei und Literatur vorkommt. In der Musik des 18. Jahrhunderts bezeichnet der Begriff darüber hinaus das Arrangement früherer komponierter Arien eines oder mehrerer Komponisten zu einer neuen Oper.
Zur Spezifizierung des Begriffes im Hinblick auf das Urheberrecht trägt diese Erkenntnis nicht bei: Denn der Stil als solcher ist nicht nach dem Urheberrechtsgesetz geschützt. Die Imitation eines bestimmten Künstlers, eines Genres oder einer Epoche ist urheberrechtlich nicht relevant. Lediglich eine stilistische Nachahmung kann also nicht gemeint sein.
Aber in welchem Umfang und wozu genau darf man nun geschützte Werke verwenden, wenn man sich auf Pastiches berufen möchte? Schaut man in die Gesetzesbegründung, ist von zitierenden, imitierenden und anlehnenden Kulturtechniken die Rede. Nach dem Willen des Gesetzesgebers sollen insbesondere moderne Formen transformativer Nutzungen urheberrechtlich geschützter Inhalte im digitalen Umfeld, mit denen Internetnutzer Meinungen oder künstlerische Freiheit zum Ausdruck bringen wollen (also vor allem nutzergenerierte Inhalte), von der Pastiche-Schranke umfasst sein. Im Mittelpunkt steht also gerade die bunte, mal witzige, mal alberne Kommunikationskultur des Internets – „imitierende und anlehnende Kulturtechniken” etwa und insbesondere „Remix, Meme, GIF, Mashup, Fan Art, Fan Fiction oder Sampling”. Dabei sollen vor allem Fotos, Sounds oder kleine Filmausschnitte die Grundlage von Pastiches bilden.
Pastiches dienen der Beschäftigung mit vorbestehenden schöpferischen Leistungen. Erlaubt sind nicht bloße 1 zu 1 Kopien bzw. Plagiate, bei der kein nennenswerter künstlerischer Eigenaufwand des Werknutzers vorliegt. In der raren Rechtsprechung zu der Schrankenregelung haben sich bislang folgende drei (gerichtliche) Prüfungsschritte bei der Befassung mit Pastiches herauskristallisiert:
Inhaltliche oder künstlerische Auseinandersetzung mit vorbestehendem Werk
Zunächst muss in dem neuen Inhalt eine (geistige) Interaktion mit dem vorbestehenden Werk bzw. dem Urheber stattfinden. Das LG Berlin (Urt v. 2.11.21 – 15 O 551/19) stellte diesbezüglich jüngst fest, ein Pastiche sei ein „kommunikative(r) Akt der stilistischen Nachahmung“ und setze „eine bewertende Referenz auf ein Original voraus“. Während die Parodie und die Karikatur eine humoristische und verspottenden Komponente erfordern, kann diese Auseinandersetzung bei dem Pastiche weiterhin auch einen Ausdruck der Wertschätzung oder Ehrerbietung für das Original enthalten, etwa als Hommage.
Bei einem Meme kann eine Auseinandersetzung durchaus schon dadurch erfolgen, dass auf einen bestimmten Gesichtsausdruck der auf dem Ursprungswerkes abgebildeten Person durch einen lustigen Spruch Bezug genommen wird. Daneben erfolgt auch bei einer Coverversion eines bekannten Liedes eine Auseinandersetzung mit dem geschützten Titel. Nach Ansicht des OLG Hamburg (Urt. v. 28.4.22 – 5 U 48/05) soll weiterhin von Bedeutung sein, ob auf das vorbestehende Werk und die Auseinandersetzung mit dem selbigen ausdrücklich hingewiesen werde. Das widerspricht allerdings dem Umstand, dass anders als bei Zitaten bei Pastiches gem. § 63 UrhG keine Pflicht zur Quellenangabe besteht.
Wahrnehmbare Unterschiede: Pastiche erinnert bloß an vorbestehendes Werk
In Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat darf es sich bei dem neuen Inhalt hingegen nicht um eine plumpe Übernahme des vorbestehenden Werkes ohne wirkliches Zutun des Werknutzers handeln. Es muss also eine gewisse kreative Eigenleistung des Werknutzers vorliegen. Für die Beurteilung dessen ist stets die Sicht eines objektiven Betrachters entscheidend. Die kreative Eigenleistung kann nach Ansicht des OLG Hamburg (Urt. v. 28.4.22 – 5 U 48/05) in der Wiedergabe des Werkes in veränderter Form vorliegen. Die Eigenleistung des verarbeitenden Künstlers kann in dem Hinzufügen neuer Elemente, der Rekontextualisierung des Werkes oder durch eine Veränderung der Gestaltung liegen. Darüber hinaus ist auch die Modifikation der Aussage des Werkes durch antithematische oder satirische Nutzungen denkbar.
Die Anforderung ist hingegen nicht erfüllt, wenn einem Foto die schlichte Überschrift („Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“) hinzugefügt wird, wie das LG München im Juni diesen Jahres entschied (LG München I, Urt. v. 20.6.22 – 42 S 231/21). Denn hier sei das Mindestmaß an Kreativität nicht erreicht. Vielmehr handele es sich bloß um eine plumpe Übernahme unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Pastiches. Im Einzelfall ist das Urteil der Münchner Richter sicherlich nachvollziehbar. Die fantasielose Überschrift macht den Inhalt nicht zum Pastiche. Dennoch ist das Urteil nicht als Grundsatz verallgemeinerungsfähig.
Gerade der heutigen Internetreferenzkultur ist es immanent, dass in prägnanter und teilweise auch stumpfer Weise ein anderer Kontext geschaffen wird – insbesondere als „Meme“. Diese Art von transformativen Nutzungen wollte der Gesetzgeber aber gerade erfassen. Die kreative Eigenleistung muss man daher stets in diesem Lichte jedes Mal aufs Neue bewerten und muss insbesondere nicht ihrerseits eine Schöpfungshöhe erreichen. Bei den neuen Inhalten muss es sich also insbesondere nicht ihrerseits um geschützte Werke im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG handeln.
Die Hürde für ein tatbestandliches Vorliegen eines Pastiche – ohne dass etwas darüber gesagt sei, ob die Übernahme dann „angemessen“ ist – wird niedrig anzulegen sein. Die Schwelle dürfte meist überschritten sein. Das folgt auch der Ansicht des EuGHs, der im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens zu Art. 17 DSM-Richtlinie feststellte, dass die Schranke – um ihre Effektivität für die Ausübung der Kunst- und Meinungsfreiheit der Werknutzer insbesondere im Hinblick auf user generated Content zu wahren – weit ausgelegt werden muss.
Interessenabwägung
Allerdings müssen Gerichte in einem dritten Schritt die geschützten Rechtsgüter des Urhebers und die des Werknutzers in einen angemessenen Ausgleich bringen. Auf Seiten der Urheber streitet natürlich vor allem das (wirtschaftliche) Interesse der Werkverwertung, welches durch die Eigentumsfreiheit grundgesetzlich geschützt ist. Dem Urheber dürfen keine finanziellen Einbußen durch unverhältnismäßige Eingriffe in die Primär- oder Sekundärverwertung drohen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die Pastiche so eng an die Vorlage anlehnt, dass die Gefahr der Verwechslung mit dem Original besteht. Auch kann der Abdruck eines Kunstwerkes auf einer Kaffeetasse ohne weitere kreative Eigenleistung (die etwa durch eine Rekontextualisierung, s.o. stattfinden kann) die (Sekundär-) Verwertung des Kunstwerkes nicht nur unerheblich beeinträchtigen. Die Interessen des Urhebers würden hier wohl überwiegen. Hingegen können sich die sog. Fan Fictions, also die von Fans verfassten Fortsetzungen oder Prequels zu bestehenden Geschichten, sogar positiv auf die Erwerbsmöglichkeiten der Künstler auswirken. Weiterhin spreche nach Ansicht des LG Berlin für eine angemessene Berücksichtigung der Verwertungsinteressen des Urhebers, wenn die das Werk nutzende Person gar keine Vermarktungsabsichten habe.
Auf der anderen Seite können sich Kreative, die vorbestehende Schutzgegenstände nutzen, auf ihre Meinungs- und Kunstfreiheit berufen. Zwar muss das neue Werk – anders als von einer Mindermeinung angenommen – keinen gewissen gesellschaftlichen oder kulturellen Beitrag leisten, um als Pastiche qualifiziert werden zu können. Allerdings ließe sich durchaus argumentieren, dass, je eher der neue Inhalt zur Meinungsbildung beiträgt oder Ausdruck einer künstlerischen Auseinandersetzung ist, die Grundrechte der das Werk nutzenden Personen umso schwerer in der Abwägung ins Gewicht fallen und so umfangreichere Entnahmen aus dem Ursprungswerk rechtfertigen. Diese Annahme lässt sich im Übrigen im Hinblick auf das Verwertungsinteresse des Urhebers mit folgender Erwägung begründen: Je umfangreicher die kreative Eigenleistung der das Ursprungswerk nutzenden Person ist, desto geringer ist die Gefahr, mit dem neuen Inhalt einen Substitutionseffekt herbeizuführen.
Die Aufgabe der Interessenabwägung obliegt nunmehr den nationalen Gerichten. Diese müssen im Einzelfall beurteilen, ob ein Ausgleich der beiden Interessensgruppen gewahrt ist. Im Hinblick auf die Konturierung der Pastiche-Schranke kommt den Gerichten also eine zentrale Rolle zu.
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Beispiele aus der Rechtsprechung
Da die neue Schranke erst sehr jung ist und Pastiches zuvor auch nicht als freie Benutzung unter § 24 UrhG a.F. subsumiert werden konnten, ist die Rechtsprechungspraxis zu § 51a UrhG bislang sehr dünn.
Der erste Fall wurde im November letzten Jahres vor dem Berliner Landgericht (LG) verhandelt (Urt v. 02.11.2021, Az. 15 O 551/19). Gegenstand des Urteils war ein Bildwerk, das von einem Künstler in den Hintergrund eines neuen Werkes integriert wurde, aber in diesem immer noch erkennbar war. Das Gericht begründete das Eingreifen der Schrankenregel zum einen damit, dass ein Wechsel des Mediums (analog zu digital) stattgefunden habe. Darüber hinaus sahen die Berliner Richter darin, dass der Künstler das Werk in den Hintergrund gesetzt hat, eine relevante künstlerische Eigenleistung. Darüber hinaus haben mit der verschwommenen und grobkörnigen Kontur diverse Bildmodifikationen im Sinne einer Stilumwandlung stattgefunden. Letztlich sei darin eine antithematische Auseinandersetzung mit dem bestehenden Werk zu sehen.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat sich im Rahmen des seit Jahren andauerndem Rechtsstreit „Metall auf Metall“ mit der Pastiche-Schranke befasst (Urt. v. 28.04.2022, Az. 5 U 48/05). In dem Fall geht es um die Verwendung eines kurzen Tonausschnitts von einem Song der Band Kraftwerk von dem Hip-Hop-Produzenten Moses Pelham. Nach Ansicht der Hamburger Richter handelt es sich bei dem sog. Sampling um einen Fall des Pastiches. In dem Einfügen des Samples in den Song eines anderen Genres sei ein ausreichendes Hinzufügen von neuen Elementen zu sehen. Das Gericht führt weiter aus, Pelham habe sich mit der Kälte des Klangs des Kraftwerk-Songs auseinandersetzen wollen.
Im Hinblick auf den Interessenausgleich argumentierte das Gericht, dass aufgrund der unterschiedlichen Stilrichtungen keine Konkurrenzsituation zwischen Kraftwerk und Pelham bestehe und somit keine wirtschaftlichen Einbußen bei der Elektro-Band zu befürchten seien. Darüber hinaus sei auch der zeitliche Abstand zwischen den Werken relevant. Es könne von Bedeutung sein, ob dem Rechteinhaber angemessene Zeit zur Verwertung des Originals gelassen wurde. Weiterhin gelte beim Sampling, dass im Hinblick auf die Verwertungsbeeinträchtigung maßgeblich auf die Verwertung des Primärproduktes (also des gesamten Tonträgers) abzustellen sei. Wenn man den Werknutzer diesbezüglich auf den Sample-Lizenzmarkt verweise, sei darin eine unzumutbare Beschränkung der künstlerischen Entscheidungsfreiheit des Werknutzers zu sehen.
Hingegen nahm das LG Berlin im Hinblick auf Sampling an, dass die fast durchgängige Wiedergabe einer Tonfolge grundsätzlich nicht durch Pastiche gerechtfertigt sein kann (Urt. v. 19.10.2021, Az. 15 O 361/20). Das überzeugt allerdings nicht. Denn gerade unter dem Blickwinkel einer Stilrichtungsänderung kann durchaus eine wesensverändernde Auseinandersetzung stattfinden.
Grenzen bei der Nutzung eines Werkes
Weiterhin muss man berücksichtigen, dass der erlaubten Nutzung eines Werkes entgegenstehen kann, wenn der Urheber des Ursprungswerkes durch die Nutzung mit diskriminierenden Aussagen in Verbindung gebracht werden kann. Denn der Urheber hat nach § 14 UrhG das Recht, sich gegen Entstellungen seines Werkes zu wehren.
Darüber hinaus besteht anders als im Rahmen anderer gesetzlich erlaubter Nutzung keine Vergütungspflicht des Urhebers. Denn wenn die Übernahme von Werken als Zitat vergütungsfrei bliebe, derivativen Schaffen hingegen eine Vergütungspflicht auslösen würde, sähen sich Richter mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten konfrontiert. Zudem sind Nutzungen, die die Verwertungsmöglichkeiten des Urhebers unangemessen beeinträchtigen, wie dargestellt, ohnehin nicht durch § 51a UrhG gestattet, sodass in diesen Fällen eine Nutzungsrechtseinräumung erforderlich wäre.
Kritik: Das Gesetz ist zu ungenau
Kritik an der neuen Schrankenregelung kommt von zweierlei Richtungen. Beiden ist gemein, dass sie kritisieren, dass das Gesetz nicht genau genug umschreibt, was unter Pastiche zu verstehen ist. Zum einen wird befürchtet, der Pastiche könnte missbräuchlich als Erlaubnistatbestand ohne Zustimmungserfordernis für sämtliche Nutzungs- und Bearbeitungshandlungen verwendet werden. Das könne erhebliche Auswirkungen auf die Lizenzmärkte haben, insbesondere wenn die Nutzung nicht zu einem künstlerischen, sondern zu primär kommerziellen Zwecken vorgenommen wird. Dagegen spricht allerdings erneut, dass die Verwertungsinteressen der Urheber im Rahmen Interessenabwägung berücksichtigt werden.
Auf der anderen Seite führen Kritiker an, die fehlende rechtliche Klärung des Begriffs sei deswegen unglücklich, weil die Gefahr bestehe, dass er zu eng ausgelegt werden könne, was eine erhebliche Beeinträchtigung der Kommunikationsgrundrechte zur Folge haben könne. Es sei von großer Relevanz, ob die Pastiche-Schranke neben den neuen Kommunikationsformen wie Memes o.ä. auch alle Erscheinungsformen abdecken wird, die zuvor von § 24 UrhG a.F. erfasst wurden. Auch wenn bei entsprechend weiter Auslegung des Begriffs wohl die meisten Gestaltungen im künstlerischen Bereich unter § 51a UrhG subsumiert werden können, ist dies etwa in der Wissenschaft als dem neben der Kunst zweiten großen Bereich des derivativen Schaffens fraglich. Bislang hat die Rechtsprechung zur Übernahme fremder wissenschaftlicher Texte auf § 24 UrhG a.F. zurückgegriffen. Damit sämtliches derivativen Werkschaffens erfasst werde, müsse § 51a UrhG daher weit ausgelegt werden.
Die Pastiche-Schranke hat sicherlich Potential: sie reagiert auf moderne Kommunikationsformen und kann Abgrenzungsprobleme zugunsten künstlerischer Tätigkeiten lösen. Konnten Memes, Fan-Fiction, Covers, Samplings und Co. zuvor nicht unter die Schranke aus § 24 UhrG a.F. subsumiert werden, gelingt dies nun wohl in den meisten Fällen im Rahmen von § 51a UrhG. Bis sich einzelne Fallgruppen durch gerichtliche Interessenabwägungen herauskristallisieren, herrscht jedoch weiterhin erhebliche Rechtsunsicherheit, was nun alles als Pastiche erlaubt ist.
§ 51a UrhG ist also sicher erstmal eine gute Nachricht für alle kreativen Internetnutzer und Meme-Fans. Bis zur Etablierung einer Rechtsprechungspraxis gilt das aber nur unter Vorbehalt.