Das gemeinnützige Forschungsnetzwerk Laion hatte u.a. das Bild eines Fotografen inklusive Beschreibung frei zugänglich in einer insgesamt 6 Milliarden Bilder umfassenden Datei angeboten, mit der dann KI trainiert werden kann. Der Fotograf wehrte sich gegen die Nutzung seines Bildes – und unterlag nun. Das LG Hamburg betrat mit seinem Urteil Neuland und beantwortete eine bislang umstrittene Fragestellung.

Text- und Datamining spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Verbesserung von KI-Systemen. Die Begriffe umfassen Verfahren, die das Internet nach Datensätzen durchsuchen und diese analysieren. KI-Anwendungen benötigen große Mengen an Daten, um die Welt zu verstehen. Ein Beispiel: Für eine KI ist es leichter ein Bild von Max Mustermann zu erstellen, wenn sie zuvor ein Bild von Max Mustermann gesehen hat, noch besser wird das Ergebnis, wenn die KI 1000 Bilder von Max Mustermann gesehen hat. Und ganz ideal wird es, wenn es dazu noch die textliche Kennzeichnung gibt, dass es sich dabei um eben jenen Max Mustermann handelt.

Das Landgericht (LG) Hamburg hatte sich nun als erstes deutsches Gericht mit der Frage zu beschäftigen, ob bereits durch das alleinige „Trainieren“ einer künstlichen Intelligenz (KI) Urheberrechte verletzt werden können. Ein Fo­to­graf wehr­te sich da­ge­gen, dass ein Verein, das gemeinnützige Forschungsnetzwerk Laion, eines seiner Bilder inklusive Be­schrei­bung in einer Daten-Ta­bel­le öf­fent­lich anbot, die an­de­re zum Trai­ning ihrer KI ver­wen­den konn­tenDas LG hat per Urteil nun die Klage des Fotografen abgewiesen, da eine Schranke im Urheberrecht greife. Die Nutzung seines Fotos sei durch die sog. Text- und Data-Mining-Schranke aus § 60d des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) gedeckt (LG Hamburg, Urteil vom 27.09.2024, Az. 310 O 227/23).

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Laion stellt eine Datenbank mit fast 6 Milliarden Bild-Text-Paaren im Internet öffentlich frei zur Verfügung. Diese Daten können genutzt werden, um KI-Systeme zu trainieren. Eines dieser Bilder aus der Datenbank stammte vom im Fall klagenden Fotografen. Laion hatte seinen Datensatz, darin auch das Bild des Fotografen samt Metadaten, zuvor selbst von einem weiteren Anbieter in den USA bezogen, der für eine Art zufälligen Querschnitt der im Internet auffindbaren Bilder die jeweiligen URLs nebst textlicher Beschreibung des jeweiligen Bildinhalts enthielt. Laion hatte dann die Bilder mit einer Software auf Übereinstimmung mit der zugehörigen Bildbeschreibung überprüft.

Die Fotoagentur, von deren Website das Bild des Fotografen ursprünglich heruntergeladen worden war, hatte in ihren Nutzungsbedingungen einen in englischer Sprache verfassten Vorbehalt verankert:

„RESTRICTIONS
YOU MAY NOT:
(…)

18. Use automated programs, applets, bots or the like to access the …com website or any content thereon for any purpose, including, by way of example only, downloading Content, indexing, scraping or caching any content on the website.“

Besucher der Seite sollten daher die Bilder nicht mittels automatisierter Programme „downloaden“ oder „scrapen“.

Der Fotograf sah eine Urheberrechtsverletzung seiner Fotografie in Form einer unzulässigen Vervielfältigung im Rahmen des Analyseprozesses durch Laion und wollte mit der Klage untersagen lassen, sein Foto zu nutzen.

Im Fall ging es daher nicht um die Frage, ob das Bild zum KI-Training verwendet werden darf. Es ging vielmehr um die Frage, ob der Verein Laion das Bild herunterladen durfte, um es anschließend für seine Datenbank mit der Bildbeschreibung abzugleichen.

Bild rechtmäßig heruntergeladen

Dies hat das LG Hamburg nun erstinstanzlich bejaht und damit die Klage des Fotografen abgewiesen. Zeitgleich hat es damit eine bislang höchst umstrittene Frage erstmalig geklärt, nämlich ob die sogenannte Text- und Data-Mining-Schranke aus § 44b UrhG oder § 60d UrhG die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zum Trainieren einer KI rechtfertige.

Das LG kam zu dem Ergebnis, dass § 60d UrhG hier greife. Die Norm enthält eine urheberrechtliche Schrankenbestimmung zugunsten der Nutzung von Text und Data Mining Verfahren, um Inhalte im Interesse der Wissenschaft zu sammeln und auszuwerten. Sinn und Zweck der Regelung ist es, eine rechtssichere Forschung zu ermöglichen, ohne dabei auf Urheberrechte Dritter Rücksicht nehmen zu müssen.

Nach Ansicht des LG werde durch die Vervielfältigung zwar in  in die Verwertungsrechte des Fotografen eingegriffen, dieser Eingriff sei aber durch § 60d UrhG gedeckt.

Laion habe das Bild von seinem ursprünglichen Speicherort heruntergeladen, um mit einer bereits verfügbaren Software den Bildinhalt mit der zu dem Text bereits hinterlegten Bildbeschreibung abzugleichen. Diese Analyse der Bilddatei zum Abgleich mit einer vorbestehenden Bildbeschreibung stelle ohne Weiteres eine Analyse zum Zwecke der Gewinnung von Informationen über „Korrelationen“ (nämlich der Frage der Nicht-/Übereinstimmung von Bildern und Bildbeschreibungen) dar. Daher sei die Analyse als wissenschaftlicher Zweck privilegiert. Dass der Datensatz später zum Training von KI-Anwendungen verwendet werden konnte, führe laut LG zu keiner anderen Bewertung.

„maschinenlesbarer Vorbehalt“

Spannend ist zudem, dass sich das LG zudem noch mit einer Frage beschäftigte, die für den Rechtsstreit gar nicht von Relevanz war. Bei der Frage ging es um die Vorschrift für Text und Data Mining in § 44b UrhG. Danach sind Vervielfältigungen von „rechtmäßig zugänglichen“ Werken für das Text und Data Mining zulässig. „Rechtmäßig zugänglich“ ist ein Werk beispielsweise immer dann, wenn es frei im Internet verfügbar ist. Hier jedoch hatte die Agentur einen Nutzungsvorbehalt per Klausel in die Nutzungsbedingungen geschrieben. Ein wirksamer Vorbehalt hätte die Nutzung ausgeschlossen. Bei online zugänglichen Werken sei ein solcher Vorbehalt jedoch nur dann wirksam, wenn er „in maschinenlesbarer Form“ vorliege, so das LG.

Wann dies der Fall ist, ist bis jetzt aber rechtlich umstritten. Zwar klärte das LG diese Frage nicht abschließend, ließ aber durchblicken, dass ein solcher Vorbehalt in natürlicher Sprache durchaus als maschinenlesbar gelten könne, nämlich dann, wenn eine KI sie inhaltlich erfassen könne.